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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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lung wurde Heubner beauftragt, die Sache des Volks in Dresden wahrzunehmen. Hier
wurde er aus dem Rathhause, als eines der hervorragendsten Mitglieder der Linken, de¬
ren übrige Führer meist abwesend waren, nach der inzwischen bekannt gewordenen Ent¬
fernung des Königs und der Minister aus Dresden, nebst Todt und Tzschirner zum
Mitglied der provisorischen Negierung gewählt. Sechs Tage lang verblieb er unter
unglaublichen Anstrengungen des Körpers und Geistes in dieser Stellung, und trat ver¬
einzelten Versuchen zu persönlicher Gewaltthätigkeit mit kräftiger Entschiedenheit entge¬
gen. Nach Beendigung des Kampfes begab er sich mit Vakuum und einer kleinen
Schaar nach Freiberg und von da nach Chemnitz. Hier wurde er am 10. Mai mit
seinen Begleitern verhaftet, über Altenburg und Leipzig nach Dresden gebracht und in
der dortigen Reitereascrne gefangen gesetzt, von wo er spater, im August -1849, mit
Rocket und Bakunin nach der Festung Königstein geschafft wurde. Mit beiden gemein¬
sam wurde er durch den Spruch des Appcllationsgcrichts zu Dresden den -Il. Ja¬
nuar -1850 zum Tode verurtheilt; das Urtheil wurde in zweiter Instanz bestätigt, er
aber dennoch (wohl zum Theil, weil nach der bisherigen Rechtsauffassung, in Folge der
Annahme der Grundrechte in Sachsen, die Todesstrafe abgeschafft war) begnadigt --
zu lebenslänglichem Zuchthaus (!), und seit dem -1. Juli -I8ti) nach Waldheim ge¬
bracht. -- -- Ueber seine Annahme der gefährlichen Stellung, zu der ihn ein falsches
Pflichtgefühl berief, sagt er selber: "Ich hatte eine gesicherte Existenz, eine geachtete
öffentliche Stellung im Staate und neben einem vorwurfsfreien Leben ein Familienglück,
wie es in solcher Ungetrübtheit selten vorkommen mag, in die Wagschale zu legen.
Man schließt nicht mit Unrecht von der Größe der Opfer auf die Heiligkeit des
Zwecks, von einem ehrlichen Namen auf eine ehrliche Sache, und ich durste der letzteren
den ersteren, da man ihn einmal gefordert hatte, nicht versagen.... Für ein werth¬
loses Weltgut ist mir mein Heerd mit all dem Glück, das er in sich schließt, nicht seil.
Der Preis, den ich im Auge hatte, war: El" Vaterland, das bei diesem Kampfe zu
gewinnen oder zu verlieren war, und für das Volk das gleiche Anrecht aufs Vaterland;
diese beiden höchsten Güter zu vertheidigen, war das Volk berechtigt.... Mein Ge¬
wissen rief mir laut zu, was ich zu thun hatte, und der Erfolg stand in Gottes Hand."
Das sind in diesem Falle keine bloßen Phrasen; Heubner's Ruf steht, ganz abgesehen
von allen Parteianflchten, unangetastet da. Er hat die Bewegung nicht hervorgerufen,
er war auch nicht einmal einer der vorzüglichsten geistigen Lenker, er war der Ausdruck
einer in seinem engern Vaterlande ziemlich allgemein verbreiteten Stimmung, und er war
ehrlich genug, sich dieser Ueberzeugung zu opfern, in einer Zeit, wo die eigentlichen
Intriganten der Partei zurücktraten. Der Schwärmer muß in solchen Fällen immer
büßen. -- Daß nun einer solchen That die Zuchthausstrafe nicht angemessen ist, muß
das angeborne Rechtsgefühl, das sich durch sophistische Deductionen nicht ganz unterdrücken
läßt, einem Jeden sagen. So lange das Gesetz vorhanden ist, muß es allerdings gehandhabt
werden, aber es ist das schönste Vorrecht der Krone, durch freie Anerkennung des angebornen
Rechts die Jnconvenienzen des geschriebenen Rechts auszugleichen. Jene Ansicht, die bei der
immer steigenden Reaction unserer Tage immer bedenklicher um sich greift, daß politische
Verbrechen strenger bestraft werden müßten, als die eigentlichen Criminalsällc, theils weil
sie gefährlicher in ihren Folgen wären, theils weil man in ihnen nicht die vereinzelte
Unthat, sondern eine allgemeine unsittliche Richtung bekämpft ist absolut zu verwerfen.
Die Abschrcckungsthcorie wird wohl nirgend mehr Geltung finden, und die Strafe soll
nicht einer allgemeinen Richtung, sondern einer bestimmten That gelten, die in ihren
Motiven zu untersuchen ist. Daß Männer wie Heubner und Kinkel ihr Leben im Zuchthaus
schließen, kann daS menschliche Gefühl nicht zugeben. -- Was die Gedichte betrifft,
so haben sie nur subjektive Bedeutung; sie sprechen von einem warmen braven Herzen und
von einem ziemlich unentwickelten Denken. Der gute Zweck der Sammlung wird ihr
dennoch lebhafte Theilnahme schaffen.




Verlag von F. L. Herbig. -- Rcdactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
Druck von C. E. Elvert.

lung wurde Heubner beauftragt, die Sache des Volks in Dresden wahrzunehmen. Hier
wurde er aus dem Rathhause, als eines der hervorragendsten Mitglieder der Linken, de¬
ren übrige Führer meist abwesend waren, nach der inzwischen bekannt gewordenen Ent¬
fernung des Königs und der Minister aus Dresden, nebst Todt und Tzschirner zum
Mitglied der provisorischen Negierung gewählt. Sechs Tage lang verblieb er unter
unglaublichen Anstrengungen des Körpers und Geistes in dieser Stellung, und trat ver¬
einzelten Versuchen zu persönlicher Gewaltthätigkeit mit kräftiger Entschiedenheit entge¬
gen. Nach Beendigung des Kampfes begab er sich mit Vakuum und einer kleinen
Schaar nach Freiberg und von da nach Chemnitz. Hier wurde er am 10. Mai mit
seinen Begleitern verhaftet, über Altenburg und Leipzig nach Dresden gebracht und in
der dortigen Reitereascrne gefangen gesetzt, von wo er spater, im August -1849, mit
Rocket und Bakunin nach der Festung Königstein geschafft wurde. Mit beiden gemein¬
sam wurde er durch den Spruch des Appcllationsgcrichts zu Dresden den -Il. Ja¬
nuar -1850 zum Tode verurtheilt; das Urtheil wurde in zweiter Instanz bestätigt, er
aber dennoch (wohl zum Theil, weil nach der bisherigen Rechtsauffassung, in Folge der
Annahme der Grundrechte in Sachsen, die Todesstrafe abgeschafft war) begnadigt —
zu lebenslänglichem Zuchthaus (!), und seit dem -1. Juli -I8ti) nach Waldheim ge¬
bracht. — — Ueber seine Annahme der gefährlichen Stellung, zu der ihn ein falsches
Pflichtgefühl berief, sagt er selber: „Ich hatte eine gesicherte Existenz, eine geachtete
öffentliche Stellung im Staate und neben einem vorwurfsfreien Leben ein Familienglück,
wie es in solcher Ungetrübtheit selten vorkommen mag, in die Wagschale zu legen.
Man schließt nicht mit Unrecht von der Größe der Opfer auf die Heiligkeit des
Zwecks, von einem ehrlichen Namen auf eine ehrliche Sache, und ich durste der letzteren
den ersteren, da man ihn einmal gefordert hatte, nicht versagen.... Für ein werth¬
loses Weltgut ist mir mein Heerd mit all dem Glück, das er in sich schließt, nicht seil.
Der Preis, den ich im Auge hatte, war: El» Vaterland, das bei diesem Kampfe zu
gewinnen oder zu verlieren war, und für das Volk das gleiche Anrecht aufs Vaterland;
diese beiden höchsten Güter zu vertheidigen, war das Volk berechtigt.... Mein Ge¬
wissen rief mir laut zu, was ich zu thun hatte, und der Erfolg stand in Gottes Hand."
Das sind in diesem Falle keine bloßen Phrasen; Heubner's Ruf steht, ganz abgesehen
von allen Parteianflchten, unangetastet da. Er hat die Bewegung nicht hervorgerufen,
er war auch nicht einmal einer der vorzüglichsten geistigen Lenker, er war der Ausdruck
einer in seinem engern Vaterlande ziemlich allgemein verbreiteten Stimmung, und er war
ehrlich genug, sich dieser Ueberzeugung zu opfern, in einer Zeit, wo die eigentlichen
Intriganten der Partei zurücktraten. Der Schwärmer muß in solchen Fällen immer
büßen. — Daß nun einer solchen That die Zuchthausstrafe nicht angemessen ist, muß
das angeborne Rechtsgefühl, das sich durch sophistische Deductionen nicht ganz unterdrücken
läßt, einem Jeden sagen. So lange das Gesetz vorhanden ist, muß es allerdings gehandhabt
werden, aber es ist das schönste Vorrecht der Krone, durch freie Anerkennung des angebornen
Rechts die Jnconvenienzen des geschriebenen Rechts auszugleichen. Jene Ansicht, die bei der
immer steigenden Reaction unserer Tage immer bedenklicher um sich greift, daß politische
Verbrechen strenger bestraft werden müßten, als die eigentlichen Criminalsällc, theils weil
sie gefährlicher in ihren Folgen wären, theils weil man in ihnen nicht die vereinzelte
Unthat, sondern eine allgemeine unsittliche Richtung bekämpft ist absolut zu verwerfen.
Die Abschrcckungsthcorie wird wohl nirgend mehr Geltung finden, und die Strafe soll
nicht einer allgemeinen Richtung, sondern einer bestimmten That gelten, die in ihren
Motiven zu untersuchen ist. Daß Männer wie Heubner und Kinkel ihr Leben im Zuchthaus
schließen, kann daS menschliche Gefühl nicht zugeben. — Was die Gedichte betrifft,
so haben sie nur subjektive Bedeutung; sie sprechen von einem warmen braven Herzen und
von einem ziemlich unentwickelten Denken. Der gute Zweck der Sammlung wird ihr
dennoch lebhafte Theilnahme schaffen.




Verlag von F. L. Herbig. — Rcdactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt.
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[0408] lung wurde Heubner beauftragt, die Sache des Volks in Dresden wahrzunehmen. Hier wurde er aus dem Rathhause, als eines der hervorragendsten Mitglieder der Linken, de¬ ren übrige Führer meist abwesend waren, nach der inzwischen bekannt gewordenen Ent¬ fernung des Königs und der Minister aus Dresden, nebst Todt und Tzschirner zum Mitglied der provisorischen Negierung gewählt. Sechs Tage lang verblieb er unter unglaublichen Anstrengungen des Körpers und Geistes in dieser Stellung, und trat ver¬ einzelten Versuchen zu persönlicher Gewaltthätigkeit mit kräftiger Entschiedenheit entge¬ gen. Nach Beendigung des Kampfes begab er sich mit Vakuum und einer kleinen Schaar nach Freiberg und von da nach Chemnitz. Hier wurde er am 10. Mai mit seinen Begleitern verhaftet, über Altenburg und Leipzig nach Dresden gebracht und in der dortigen Reitereascrne gefangen gesetzt, von wo er spater, im August -1849, mit Rocket und Bakunin nach der Festung Königstein geschafft wurde. Mit beiden gemein¬ sam wurde er durch den Spruch des Appcllationsgcrichts zu Dresden den -Il. Ja¬ nuar -1850 zum Tode verurtheilt; das Urtheil wurde in zweiter Instanz bestätigt, er aber dennoch (wohl zum Theil, weil nach der bisherigen Rechtsauffassung, in Folge der Annahme der Grundrechte in Sachsen, die Todesstrafe abgeschafft war) begnadigt — zu lebenslänglichem Zuchthaus (!), und seit dem -1. Juli -I8ti) nach Waldheim ge¬ bracht. — — Ueber seine Annahme der gefährlichen Stellung, zu der ihn ein falsches Pflichtgefühl berief, sagt er selber: „Ich hatte eine gesicherte Existenz, eine geachtete öffentliche Stellung im Staate und neben einem vorwurfsfreien Leben ein Familienglück, wie es in solcher Ungetrübtheit selten vorkommen mag, in die Wagschale zu legen. Man schließt nicht mit Unrecht von der Größe der Opfer auf die Heiligkeit des Zwecks, von einem ehrlichen Namen auf eine ehrliche Sache, und ich durste der letzteren den ersteren, da man ihn einmal gefordert hatte, nicht versagen.... Für ein werth¬ loses Weltgut ist mir mein Heerd mit all dem Glück, das er in sich schließt, nicht seil. Der Preis, den ich im Auge hatte, war: El» Vaterland, das bei diesem Kampfe zu gewinnen oder zu verlieren war, und für das Volk das gleiche Anrecht aufs Vaterland; diese beiden höchsten Güter zu vertheidigen, war das Volk berechtigt.... Mein Ge¬ wissen rief mir laut zu, was ich zu thun hatte, und der Erfolg stand in Gottes Hand." Das sind in diesem Falle keine bloßen Phrasen; Heubner's Ruf steht, ganz abgesehen von allen Parteianflchten, unangetastet da. Er hat die Bewegung nicht hervorgerufen, er war auch nicht einmal einer der vorzüglichsten geistigen Lenker, er war der Ausdruck einer in seinem engern Vaterlande ziemlich allgemein verbreiteten Stimmung, und er war ehrlich genug, sich dieser Ueberzeugung zu opfern, in einer Zeit, wo die eigentlichen Intriganten der Partei zurücktraten. Der Schwärmer muß in solchen Fällen immer büßen. — Daß nun einer solchen That die Zuchthausstrafe nicht angemessen ist, muß das angeborne Rechtsgefühl, das sich durch sophistische Deductionen nicht ganz unterdrücken läßt, einem Jeden sagen. So lange das Gesetz vorhanden ist, muß es allerdings gehandhabt werden, aber es ist das schönste Vorrecht der Krone, durch freie Anerkennung des angebornen Rechts die Jnconvenienzen des geschriebenen Rechts auszugleichen. Jene Ansicht, die bei der immer steigenden Reaction unserer Tage immer bedenklicher um sich greift, daß politische Verbrechen strenger bestraft werden müßten, als die eigentlichen Criminalsällc, theils weil sie gefährlicher in ihren Folgen wären, theils weil man in ihnen nicht die vereinzelte Unthat, sondern eine allgemeine unsittliche Richtung bekämpft ist absolut zu verwerfen. Die Abschrcckungsthcorie wird wohl nirgend mehr Geltung finden, und die Strafe soll nicht einer allgemeinen Richtung, sondern einer bestimmten That gelten, die in ihren Motiven zu untersuchen ist. Daß Männer wie Heubner und Kinkel ihr Leben im Zuchthaus schließen, kann daS menschliche Gefühl nicht zugeben. — Was die Gedichte betrifft, so haben sie nur subjektive Bedeutung; sie sprechen von einem warmen braven Herzen und von einem ziemlich unentwickelten Denken. Der gute Zweck der Sammlung wird ihr dennoch lebhafte Theilnahme schaffen. Verlag von F. L. Herbig. — Rcdactcure: Gustav Freytag und Julian Schmidt. Druck von C. E. Elvert.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/408>, abgerufen am 19.05.2024.