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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Dänemark Bedingungen zu erhalten gewesen, die eS zu der jetzigen Schmach
Deutschlands nicht hätten kommen lassen.

Aber es war allerdings Preußens und seiner großen Bestimmung würdiger,
ohne Scheu vor alleu Eventualitäten mit dem Schwert voranzugehen. Ein mit
Energie und Erfolg geführter Krieg mußte nicht nur das Königthum in Preußen
rehabitiliren, sondern ihm auch Deutschland erobern. Aber dann war allerdings
eine Garantie nothwendig, daß der Krieg nicht blos angefangen, sondern anch
mit Entschlossenheit fortgeführt wurde; daß ein paar Noten vom russischen Kai¬
ser nicht den ganzen preußischen Muth abstnmpsten; daß man nicht dahin kam,
die gegen den Feind gewendeten Regimenter im eigenen Lande zu brauchen. Mit
einem Wort: die liberale Partei durfte nur dann sich auf einen so wcitaussehen-
den Plan einlassen, wenn sie entschlossen war, das Unter des Staats bis auf's
Aeußerste zu behaupten.

Das ist der schwerste Vorwurf gegen Arnim. Er ist vom Platz gewichen,
weil die Straßenjungen Berlins ihn beleidigten, weil die Berliner Constituante
ihm verdrießliche Scenen machte. Bei dieser sentimental-empfindlichen Gemüths-
richtung darf man einen ernsten Krieg nicht unternehmen. Der Rücktritt des
Ministeriums Camphausen, so sein er anch mit constiiutivnellcn Formen über¬
kleidet wurde, war nicht eine politische Maßregel, sondern eine Folge persönlichen
Verdrusses. Staatsmänner, die verdrießlich werden, geben ihre Sache verloren.

Es wurde in der Zeit dem Ehrgeiz eine neue Laufbahn geöffnet: das Neichs-
ministerünn. Arnim war in Vorschlag und hat sich auch lebhaft darum beworben.
Damals hatte man aber die deutsche Sache Oestreich in die Hand gespielt, der
gemüthliche Heckscher war ein Figuraut in deu Händen Schmerling's. Es war
wieder eine Illusion unsers Staatsmannes, daß er die Neichsrcgierung für wich¬
tiger hielt, als die Regierung des concreten Staats. Ein günstiges Geschick be¬
wahrte ihn davor, sich in einer unhaltbaren Stellung zu compromittiren.

Es ist seit der Zeit von ihm eine ziemliche Anzahl Flugschriften erschienen.
Sie geben kein klares Bild seiner Politik; sie sind dunkel nud sprechen mehr zum
Gemüth als zum Verstaube. Er hat in einer beständigen Unruhe gelebt; vor
einigen Jahren eröffnete ihm seine Wahl zur ersten preußischen Kammer wenig¬
stens den Schein einer neuen Thätigkeit. Er schloß sich der liberal-conservativen,
der specifisch deutschen Partei an, aber ohne besondern Erfolg; er ist kein Red¬
ner, und zu eiuer entschiedenen Opposition ist, abgesehen von seinen Antecedentien,
seine Stellung nicht unabhängig genug. sein reicher Vetter Boitzenburg ist auch
darin viel günstiger gestellt.

In seiner amtlichen Stellung, wie in seiner Partei, hat ihm seine Persön¬
lichkeit geschadet. Er ist leidenschaftlich, reizbar; seine Untergebenen haben ihn
nicht geliebt, den Monarchen selbst soll er sich dnrch sein brüskes Wesen, das
ihn schon während seiner diplomatischen Laufbahn auszeichnete, ans immer ent-


Dänemark Bedingungen zu erhalten gewesen, die eS zu der jetzigen Schmach
Deutschlands nicht hätten kommen lassen.

Aber es war allerdings Preußens und seiner großen Bestimmung würdiger,
ohne Scheu vor alleu Eventualitäten mit dem Schwert voranzugehen. Ein mit
Energie und Erfolg geführter Krieg mußte nicht nur das Königthum in Preußen
rehabitiliren, sondern ihm auch Deutschland erobern. Aber dann war allerdings
eine Garantie nothwendig, daß der Krieg nicht blos angefangen, sondern anch
mit Entschlossenheit fortgeführt wurde; daß ein paar Noten vom russischen Kai¬
ser nicht den ganzen preußischen Muth abstnmpsten; daß man nicht dahin kam,
die gegen den Feind gewendeten Regimenter im eigenen Lande zu brauchen. Mit
einem Wort: die liberale Partei durfte nur dann sich auf einen so wcitaussehen-
den Plan einlassen, wenn sie entschlossen war, das Unter des Staats bis auf's
Aeußerste zu behaupten.

Das ist der schwerste Vorwurf gegen Arnim. Er ist vom Platz gewichen,
weil die Straßenjungen Berlins ihn beleidigten, weil die Berliner Constituante
ihm verdrießliche Scenen machte. Bei dieser sentimental-empfindlichen Gemüths-
richtung darf man einen ernsten Krieg nicht unternehmen. Der Rücktritt des
Ministeriums Camphausen, so sein er anch mit constiiutivnellcn Formen über¬
kleidet wurde, war nicht eine politische Maßregel, sondern eine Folge persönlichen
Verdrusses. Staatsmänner, die verdrießlich werden, geben ihre Sache verloren.

Es wurde in der Zeit dem Ehrgeiz eine neue Laufbahn geöffnet: das Neichs-
ministerünn. Arnim war in Vorschlag und hat sich auch lebhaft darum beworben.
Damals hatte man aber die deutsche Sache Oestreich in die Hand gespielt, der
gemüthliche Heckscher war ein Figuraut in deu Händen Schmerling's. Es war
wieder eine Illusion unsers Staatsmannes, daß er die Neichsrcgierung für wich¬
tiger hielt, als die Regierung des concreten Staats. Ein günstiges Geschick be¬
wahrte ihn davor, sich in einer unhaltbaren Stellung zu compromittiren.

Es ist seit der Zeit von ihm eine ziemliche Anzahl Flugschriften erschienen.
Sie geben kein klares Bild seiner Politik; sie sind dunkel nud sprechen mehr zum
Gemüth als zum Verstaube. Er hat in einer beständigen Unruhe gelebt; vor
einigen Jahren eröffnete ihm seine Wahl zur ersten preußischen Kammer wenig¬
stens den Schein einer neuen Thätigkeit. Er schloß sich der liberal-conservativen,
der specifisch deutschen Partei an, aber ohne besondern Erfolg; er ist kein Red¬
ner, und zu eiuer entschiedenen Opposition ist, abgesehen von seinen Antecedentien,
seine Stellung nicht unabhängig genug. sein reicher Vetter Boitzenburg ist auch
darin viel günstiger gestellt.

In seiner amtlichen Stellung, wie in seiner Partei, hat ihm seine Persön¬
lichkeit geschadet. Er ist leidenschaftlich, reizbar; seine Untergebenen haben ihn
nicht geliebt, den Monarchen selbst soll er sich dnrch sein brüskes Wesen, das
ihn schon während seiner diplomatischen Laufbahn auszeichnete, ans immer ent-


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[0510] Dänemark Bedingungen zu erhalten gewesen, die eS zu der jetzigen Schmach Deutschlands nicht hätten kommen lassen. Aber es war allerdings Preußens und seiner großen Bestimmung würdiger, ohne Scheu vor alleu Eventualitäten mit dem Schwert voranzugehen. Ein mit Energie und Erfolg geführter Krieg mußte nicht nur das Königthum in Preußen rehabitiliren, sondern ihm auch Deutschland erobern. Aber dann war allerdings eine Garantie nothwendig, daß der Krieg nicht blos angefangen, sondern anch mit Entschlossenheit fortgeführt wurde; daß ein paar Noten vom russischen Kai¬ ser nicht den ganzen preußischen Muth abstnmpsten; daß man nicht dahin kam, die gegen den Feind gewendeten Regimenter im eigenen Lande zu brauchen. Mit einem Wort: die liberale Partei durfte nur dann sich auf einen so wcitaussehen- den Plan einlassen, wenn sie entschlossen war, das Unter des Staats bis auf's Aeußerste zu behaupten. Das ist der schwerste Vorwurf gegen Arnim. Er ist vom Platz gewichen, weil die Straßenjungen Berlins ihn beleidigten, weil die Berliner Constituante ihm verdrießliche Scenen machte. Bei dieser sentimental-empfindlichen Gemüths- richtung darf man einen ernsten Krieg nicht unternehmen. Der Rücktritt des Ministeriums Camphausen, so sein er anch mit constiiutivnellcn Formen über¬ kleidet wurde, war nicht eine politische Maßregel, sondern eine Folge persönlichen Verdrusses. Staatsmänner, die verdrießlich werden, geben ihre Sache verloren. Es wurde in der Zeit dem Ehrgeiz eine neue Laufbahn geöffnet: das Neichs- ministerünn. Arnim war in Vorschlag und hat sich auch lebhaft darum beworben. Damals hatte man aber die deutsche Sache Oestreich in die Hand gespielt, der gemüthliche Heckscher war ein Figuraut in deu Händen Schmerling's. Es war wieder eine Illusion unsers Staatsmannes, daß er die Neichsrcgierung für wich¬ tiger hielt, als die Regierung des concreten Staats. Ein günstiges Geschick be¬ wahrte ihn davor, sich in einer unhaltbaren Stellung zu compromittiren. Es ist seit der Zeit von ihm eine ziemliche Anzahl Flugschriften erschienen. Sie geben kein klares Bild seiner Politik; sie sind dunkel nud sprechen mehr zum Gemüth als zum Verstaube. Er hat in einer beständigen Unruhe gelebt; vor einigen Jahren eröffnete ihm seine Wahl zur ersten preußischen Kammer wenig¬ stens den Schein einer neuen Thätigkeit. Er schloß sich der liberal-conservativen, der specifisch deutschen Partei an, aber ohne besondern Erfolg; er ist kein Red¬ ner, und zu eiuer entschiedenen Opposition ist, abgesehen von seinen Antecedentien, seine Stellung nicht unabhängig genug. sein reicher Vetter Boitzenburg ist auch darin viel günstiger gestellt. In seiner amtlichen Stellung, wie in seiner Partei, hat ihm seine Persön¬ lichkeit geschadet. Er ist leidenschaftlich, reizbar; seine Untergebenen haben ihn nicht geliebt, den Monarchen selbst soll er sich dnrch sein brüskes Wesen, das ihn schon während seiner diplomatischen Laufbahn auszeichnete, ans immer ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/510>, abgerufen am 19.05.2024.