Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

es jetzt einen Augenblick wie im Traume dachte, es wird an das Schwert greifen
müssen, für sein Prinzip, für unser Prinzip.

Wäre es möglich, Serben, Polen, Walachen, Magyaren, Italiener und
Deutsche in ein großes Mittelrcich von 70 Millionen zusammenzubringen, wir
könnten uns das Experiment wohl gefallen lassen, wenn wir Feinde des ostreichi-
scheö Staates wären. Denn eine solche Fülle von Völkerkraft in einen so großen
Bau zusammengezwungen, würde blitzschnell eine solche Fülle von Energie und
Selbstgefühl entwickeln, würde eine neue paneuropäische Demokratie und ihre kon¬
servativen nationellen Gegensätze so schnell entwickeln, würde eine solche Masse
von feindlichem Stoff an unseren Grenzen frei mache", daß der künstliche Staat
in schneller Explosion gesprengt und der Thron der Habsburger in alle Winde
gestreut würde. Aber wir wünschen weder deu Untergang des Kaiserstaats, noch
lieben wir gefährliche Experimente im Leben unserer Staaten.

Wenn Preußen jetzt festhält an der Union, die kläglichen Frankfurter Ver¬
handlungen behandelt, wie sie es verdienen, so wäre wohl das Aergste über¬
standen und unsere Zukunft für gesichert zu halten sein. Der Auflösungsprozeß,
welchen die kleinen deutschen Staaten, die außerhalb der Union stehen, gegen¬
wärtig durchmachen, ist in seinem Verlauf sehr traurig; Preußen und die Union
kann ihn ruhig fortschreiten und sich vollenden lassen. Wenn sie den Beitritt zu
sich offen erhält, so wird für Sachsen und Würtemberg sehr bald, später für
Baiern und endlich auch für Hannover die Zeit kommen, wo die weitere Unmög¬
lichkeit einer eigenen Existenz die Völker dieser Staaten zur Union treibt. Für
beide Hessen ist diese Zeit schon jetzt gekommen, und der Austritt aus der Union
war bei diesen eine selbst in Deutschland ungewöhnliche Thorheit ihrer Regierungen.

Freilich aber hat die Union vor Allem ihren Brnderstäuuncn den Beweis zu
sichren, daß es Vortheilhaft ist, in sie zu treten. Es gibt für Preußen auch des¬
halb keine tingere Politik, als so schnell wie möglich das Parlament zusammen-
zuberufen und eine Reihe von organisirenden Gesetzen zu geben, durch welche das
Zusammenwachsen der Unionsstaaten eine Wahrheit wird. Heimathörecht, Rechts-
verfahren, Hypothekenordnnng, Bildungsanstalten, Heerwesen gleich und gemein¬
sam, dazu ein kräftiges Auftreten gegen die Regierung Schwarzenbergs, was
könnte uns daun noch verhindern, als Nation ein gesundes Aussehen zu bekom¬
men, frische und runde Wangen und einen trotzigen Tritt in der Weltgeschichte?




es jetzt einen Augenblick wie im Traume dachte, es wird an das Schwert greifen
müssen, für sein Prinzip, für unser Prinzip.

Wäre es möglich, Serben, Polen, Walachen, Magyaren, Italiener und
Deutsche in ein großes Mittelrcich von 70 Millionen zusammenzubringen, wir
könnten uns das Experiment wohl gefallen lassen, wenn wir Feinde des ostreichi-
scheö Staates wären. Denn eine solche Fülle von Völkerkraft in einen so großen
Bau zusammengezwungen, würde blitzschnell eine solche Fülle von Energie und
Selbstgefühl entwickeln, würde eine neue paneuropäische Demokratie und ihre kon¬
servativen nationellen Gegensätze so schnell entwickeln, würde eine solche Masse
von feindlichem Stoff an unseren Grenzen frei mache«, daß der künstliche Staat
in schneller Explosion gesprengt und der Thron der Habsburger in alle Winde
gestreut würde. Aber wir wünschen weder deu Untergang des Kaiserstaats, noch
lieben wir gefährliche Experimente im Leben unserer Staaten.

Wenn Preußen jetzt festhält an der Union, die kläglichen Frankfurter Ver¬
handlungen behandelt, wie sie es verdienen, so wäre wohl das Aergste über¬
standen und unsere Zukunft für gesichert zu halten sein. Der Auflösungsprozeß,
welchen die kleinen deutschen Staaten, die außerhalb der Union stehen, gegen¬
wärtig durchmachen, ist in seinem Verlauf sehr traurig; Preußen und die Union
kann ihn ruhig fortschreiten und sich vollenden lassen. Wenn sie den Beitritt zu
sich offen erhält, so wird für Sachsen und Würtemberg sehr bald, später für
Baiern und endlich auch für Hannover die Zeit kommen, wo die weitere Unmög¬
lichkeit einer eigenen Existenz die Völker dieser Staaten zur Union treibt. Für
beide Hessen ist diese Zeit schon jetzt gekommen, und der Austritt aus der Union
war bei diesen eine selbst in Deutschland ungewöhnliche Thorheit ihrer Regierungen.

Freilich aber hat die Union vor Allem ihren Brnderstäuuncn den Beweis zu
sichren, daß es Vortheilhaft ist, in sie zu treten. Es gibt für Preußen auch des¬
halb keine tingere Politik, als so schnell wie möglich das Parlament zusammen-
zuberufen und eine Reihe von organisirenden Gesetzen zu geben, durch welche das
Zusammenwachsen der Unionsstaaten eine Wahrheit wird. Heimathörecht, Rechts-
verfahren, Hypothekenordnnng, Bildungsanstalten, Heerwesen gleich und gemein¬
sam, dazu ein kräftiges Auftreten gegen die Regierung Schwarzenbergs, was
könnte uns daun noch verhindern, als Nation ein gesundes Aussehen zu bekom¬
men, frische und runde Wangen und einen trotzigen Tritt in der Weltgeschichte?




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0056" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85639"/>
          <p xml:id="ID_173" prev="#ID_172"> es jetzt einen Augenblick wie im Traume dachte, es wird an das Schwert greifen<lb/>
müssen, für sein Prinzip, für unser Prinzip.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_174"> Wäre es möglich, Serben, Polen, Walachen, Magyaren, Italiener und<lb/>
Deutsche in ein großes Mittelrcich von 70 Millionen zusammenzubringen, wir<lb/>
könnten uns das Experiment wohl gefallen lassen, wenn wir Feinde des ostreichi-<lb/>
scheö Staates wären. Denn eine solche Fülle von Völkerkraft in einen so großen<lb/>
Bau zusammengezwungen, würde blitzschnell eine solche Fülle von Energie und<lb/>
Selbstgefühl entwickeln, würde eine neue paneuropäische Demokratie und ihre kon¬<lb/>
servativen nationellen Gegensätze so schnell entwickeln, würde eine solche Masse<lb/>
von feindlichem Stoff an unseren Grenzen frei mache«, daß der künstliche Staat<lb/>
in schneller Explosion gesprengt und der Thron der Habsburger in alle Winde<lb/>
gestreut würde. Aber wir wünschen weder deu Untergang des Kaiserstaats, noch<lb/>
lieben wir gefährliche Experimente im Leben unserer Staaten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_175"> Wenn Preußen jetzt festhält an der Union, die kläglichen Frankfurter Ver¬<lb/>
handlungen behandelt, wie sie es verdienen, so wäre wohl das Aergste über¬<lb/>
standen und unsere Zukunft für gesichert zu halten sein. Der Auflösungsprozeß,<lb/>
welchen die kleinen deutschen Staaten, die außerhalb der Union stehen, gegen¬<lb/>
wärtig durchmachen, ist in seinem Verlauf sehr traurig; Preußen und die Union<lb/>
kann ihn ruhig fortschreiten und sich vollenden lassen. Wenn sie den Beitritt zu<lb/>
sich offen erhält, so wird für Sachsen und Würtemberg sehr bald, später für<lb/>
Baiern und endlich auch für Hannover die Zeit kommen, wo die weitere Unmög¬<lb/>
lichkeit einer eigenen Existenz die Völker dieser Staaten zur Union treibt. Für<lb/>
beide Hessen ist diese Zeit schon jetzt gekommen, und der Austritt aus der Union<lb/>
war bei diesen eine selbst in Deutschland ungewöhnliche Thorheit ihrer Regierungen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_176"> Freilich aber hat die Union vor Allem ihren Brnderstäuuncn den Beweis zu<lb/>
sichren, daß es Vortheilhaft ist, in sie zu treten. Es gibt für Preußen auch des¬<lb/>
halb keine tingere Politik, als so schnell wie möglich das Parlament zusammen-<lb/>
zuberufen und eine Reihe von organisirenden Gesetzen zu geben, durch welche das<lb/>
Zusammenwachsen der Unionsstaaten eine Wahrheit wird. Heimathörecht, Rechts-<lb/>
verfahren, Hypothekenordnnng, Bildungsanstalten, Heerwesen gleich und gemein¬<lb/>
sam, dazu ein kräftiges Auftreten gegen die Regierung Schwarzenbergs, was<lb/>
könnte uns daun noch verhindern, als Nation ein gesundes Aussehen zu bekom¬<lb/>
men, frische und runde Wangen und einen trotzigen Tritt in der Weltgeschichte?</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0056] es jetzt einen Augenblick wie im Traume dachte, es wird an das Schwert greifen müssen, für sein Prinzip, für unser Prinzip. Wäre es möglich, Serben, Polen, Walachen, Magyaren, Italiener und Deutsche in ein großes Mittelrcich von 70 Millionen zusammenzubringen, wir könnten uns das Experiment wohl gefallen lassen, wenn wir Feinde des ostreichi- scheö Staates wären. Denn eine solche Fülle von Völkerkraft in einen so großen Bau zusammengezwungen, würde blitzschnell eine solche Fülle von Energie und Selbstgefühl entwickeln, würde eine neue paneuropäische Demokratie und ihre kon¬ servativen nationellen Gegensätze so schnell entwickeln, würde eine solche Masse von feindlichem Stoff an unseren Grenzen frei mache«, daß der künstliche Staat in schneller Explosion gesprengt und der Thron der Habsburger in alle Winde gestreut würde. Aber wir wünschen weder deu Untergang des Kaiserstaats, noch lieben wir gefährliche Experimente im Leben unserer Staaten. Wenn Preußen jetzt festhält an der Union, die kläglichen Frankfurter Ver¬ handlungen behandelt, wie sie es verdienen, so wäre wohl das Aergste über¬ standen und unsere Zukunft für gesichert zu halten sein. Der Auflösungsprozeß, welchen die kleinen deutschen Staaten, die außerhalb der Union stehen, gegen¬ wärtig durchmachen, ist in seinem Verlauf sehr traurig; Preußen und die Union kann ihn ruhig fortschreiten und sich vollenden lassen. Wenn sie den Beitritt zu sich offen erhält, so wird für Sachsen und Würtemberg sehr bald, später für Baiern und endlich auch für Hannover die Zeit kommen, wo die weitere Unmög¬ lichkeit einer eigenen Existenz die Völker dieser Staaten zur Union treibt. Für beide Hessen ist diese Zeit schon jetzt gekommen, und der Austritt aus der Union war bei diesen eine selbst in Deutschland ungewöhnliche Thorheit ihrer Regierungen. Freilich aber hat die Union vor Allem ihren Brnderstäuuncn den Beweis zu sichren, daß es Vortheilhaft ist, in sie zu treten. Es gibt für Preußen auch des¬ halb keine tingere Politik, als so schnell wie möglich das Parlament zusammen- zuberufen und eine Reihe von organisirenden Gesetzen zu geben, durch welche das Zusammenwachsen der Unionsstaaten eine Wahrheit wird. Heimathörecht, Rechts- verfahren, Hypothekenordnnng, Bildungsanstalten, Heerwesen gleich und gemein¬ sam, dazu ein kräftiges Auftreten gegen die Regierung Schwarzenbergs, was könnte uns daun noch verhindern, als Nation ein gesundes Aussehen zu bekom¬ men, frische und runde Wangen und einen trotzigen Tritt in der Weltgeschichte?

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/56
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/56>, abgerufen am 19.05.2024.