Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

übergeben hatten, nicht am wenigsten erbittert über seine schroff hingeworfene
Entbehrlichkeit.

Gleich nach diesen Scenen gegen 12 Uhr Mittags erschien die Deputation
der Kopenhagener Bürgerrepräsentanten, an ihrer Spitze Etatsrath Holde; es
begleiteten sie gewiß 15M0 Menschen in großer Stille, in geordnetem Zuge,
vor dem Schlosse ans die Antwort harrend.

Der König, Herr v. Bardenfleth an seiner Seite, empfing im Schlosse die
Adresse aus Hvidts Hand. Er antwortete: "Er freue sich ihren Wünschen bereits
zuvorgekommen zu sein; das alte Ministerium sei entlassen; wollen Sie, schloß
er, gleiches Vertrauen zu Ihrem Könige haben, wie ich zu meinem Volke, so will
ich Ihnen ein treuer Führer zu Ehre und Freiheit sein!"

Und also, sagen die Damen, haben wir gar keine Revolution gehabt. Und
Herr v. Rosenvrn, jetziger Minister, erklärte jüngst in einer Wahlrede, "seit I66l)
sei es ein Privilegium der Stadt Kopenhagen, dein Könige ihren Willen kund
zu geben."

Welche Machtmittel besaß man gegen die angedrohte Selbsthilfe der Ver¬
zweiflung? etwa die Truppen unter Offizieren, von denen Viele im Casino mit¬
getagt und jene öffentliche Unfähigkeits-Erklärung mit angehört hatten, ohne daß
auch nur Einer sich verpflichtet gehalten hätte, für seinen König die Stimme zu
erheben? Man erzwang eine Veränderung, die den Krieg des Königs von Däne¬
mark gegen den Herzog von Schleswig-Holstein zur Consequenz haben mußte.

Die Wahrheit ist, daß, mag des Königs individuelle Ansicht gewesen sein,
welche sie will, seine Allgewalt nach dem Kvnigsgesetz an der Königsau aufhörte,
jenseits derselben ihn, den Herzog, Pflichten banden, die er selbst noch im Patent
vom 28. Januar anerkannt hatte. Nicht die Person des Regenten, wie würdig
oder unwürdig sie sein mag, macht die Legitimität, sondern daß in derselben die
Continuität des Rechts sich unverrückbar darstellt. Des Regenten Person mi߬
brauchen, legitimirt den Frevel nicht, mit wie vielem Anstände er geübt werden
mag. Friedrich VII. war, wollend oder nicht, in der Gewalt einer Partei, mochte
sie die ganze dänische Nation umfassen, von dem Augenblick an, wo dieser Herr
v. Bardenfleth und das Kopenhagener Volk die Executive auch für die Herzog¬
tümer übernahmen, und die Allgewalt des KönigSgcsetzes, welches man gerade
abschüttelte, nunmehr auf die Herzogthümer anwendete, wo seine Geltung nie
behauptet war.




übergeben hatten, nicht am wenigsten erbittert über seine schroff hingeworfene
Entbehrlichkeit.

Gleich nach diesen Scenen gegen 12 Uhr Mittags erschien die Deputation
der Kopenhagener Bürgerrepräsentanten, an ihrer Spitze Etatsrath Holde; es
begleiteten sie gewiß 15M0 Menschen in großer Stille, in geordnetem Zuge,
vor dem Schlosse ans die Antwort harrend.

Der König, Herr v. Bardenfleth an seiner Seite, empfing im Schlosse die
Adresse aus Hvidts Hand. Er antwortete: „Er freue sich ihren Wünschen bereits
zuvorgekommen zu sein; das alte Ministerium sei entlassen; wollen Sie, schloß
er, gleiches Vertrauen zu Ihrem Könige haben, wie ich zu meinem Volke, so will
ich Ihnen ein treuer Führer zu Ehre und Freiheit sein!"

Und also, sagen die Damen, haben wir gar keine Revolution gehabt. Und
Herr v. Rosenvrn, jetziger Minister, erklärte jüngst in einer Wahlrede, „seit I66l)
sei es ein Privilegium der Stadt Kopenhagen, dein Könige ihren Willen kund
zu geben."

Welche Machtmittel besaß man gegen die angedrohte Selbsthilfe der Ver¬
zweiflung? etwa die Truppen unter Offizieren, von denen Viele im Casino mit¬
getagt und jene öffentliche Unfähigkeits-Erklärung mit angehört hatten, ohne daß
auch nur Einer sich verpflichtet gehalten hätte, für seinen König die Stimme zu
erheben? Man erzwang eine Veränderung, die den Krieg des Königs von Däne¬
mark gegen den Herzog von Schleswig-Holstein zur Consequenz haben mußte.

Die Wahrheit ist, daß, mag des Königs individuelle Ansicht gewesen sein,
welche sie will, seine Allgewalt nach dem Kvnigsgesetz an der Königsau aufhörte,
jenseits derselben ihn, den Herzog, Pflichten banden, die er selbst noch im Patent
vom 28. Januar anerkannt hatte. Nicht die Person des Regenten, wie würdig
oder unwürdig sie sein mag, macht die Legitimität, sondern daß in derselben die
Continuität des Rechts sich unverrückbar darstellt. Des Regenten Person mi߬
brauchen, legitimirt den Frevel nicht, mit wie vielem Anstände er geübt werden
mag. Friedrich VII. war, wollend oder nicht, in der Gewalt einer Partei, mochte
sie die ganze dänische Nation umfassen, von dem Augenblick an, wo dieser Herr
v. Bardenfleth und das Kopenhagener Volk die Executive auch für die Herzog¬
tümer übernahmen, und die Allgewalt des KönigSgcsetzes, welches man gerade
abschüttelte, nunmehr auf die Herzogthümer anwendete, wo seine Geltung nie
behauptet war.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0066" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85649"/>
          <p xml:id="ID_226" prev="#ID_225"> übergeben hatten, nicht am wenigsten erbittert über seine schroff hingeworfene<lb/>
Entbehrlichkeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_227"> Gleich nach diesen Scenen gegen 12 Uhr Mittags erschien die Deputation<lb/>
der Kopenhagener Bürgerrepräsentanten, an ihrer Spitze Etatsrath Holde; es<lb/>
begleiteten sie gewiß 15M0 Menschen in großer Stille, in geordnetem Zuge,<lb/>
vor dem Schlosse ans die Antwort harrend.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_228"> Der König, Herr v. Bardenfleth an seiner Seite, empfing im Schlosse die<lb/>
Adresse aus Hvidts Hand. Er antwortete: &#x201E;Er freue sich ihren Wünschen bereits<lb/>
zuvorgekommen zu sein; das alte Ministerium sei entlassen; wollen Sie, schloß<lb/>
er, gleiches Vertrauen zu Ihrem Könige haben, wie ich zu meinem Volke, so will<lb/>
ich Ihnen ein treuer Führer zu Ehre und Freiheit sein!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_229"> Und also, sagen die Damen, haben wir gar keine Revolution gehabt. Und<lb/>
Herr v. Rosenvrn, jetziger Minister, erklärte jüngst in einer Wahlrede, &#x201E;seit I66l)<lb/>
sei es ein Privilegium der Stadt Kopenhagen, dein Könige ihren Willen kund<lb/>
zu geben."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_230"> Welche Machtmittel besaß man gegen die angedrohte Selbsthilfe der Ver¬<lb/>
zweiflung? etwa die Truppen unter Offizieren, von denen Viele im Casino mit¬<lb/>
getagt und jene öffentliche Unfähigkeits-Erklärung mit angehört hatten, ohne daß<lb/>
auch nur Einer sich verpflichtet gehalten hätte, für seinen König die Stimme zu<lb/>
erheben? Man erzwang eine Veränderung, die den Krieg des Königs von Däne¬<lb/>
mark gegen den Herzog von Schleswig-Holstein zur Consequenz haben mußte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_231"> Die Wahrheit ist, daß, mag des Königs individuelle Ansicht gewesen sein,<lb/>
welche sie will, seine Allgewalt nach dem Kvnigsgesetz an der Königsau aufhörte,<lb/>
jenseits derselben ihn, den Herzog, Pflichten banden, die er selbst noch im Patent<lb/>
vom 28. Januar anerkannt hatte. Nicht die Person des Regenten, wie würdig<lb/>
oder unwürdig sie sein mag, macht die Legitimität, sondern daß in derselben die<lb/>
Continuität des Rechts sich unverrückbar darstellt. Des Regenten Person mi߬<lb/>
brauchen, legitimirt den Frevel nicht, mit wie vielem Anstände er geübt werden<lb/>
mag. Friedrich VII. war, wollend oder nicht, in der Gewalt einer Partei, mochte<lb/>
sie die ganze dänische Nation umfassen, von dem Augenblick an, wo dieser Herr<lb/>
v. Bardenfleth und das Kopenhagener Volk die Executive auch für die Herzog¬<lb/>
tümer übernahmen, und die Allgewalt des KönigSgcsetzes, welches man gerade<lb/>
abschüttelte, nunmehr auf die Herzogthümer anwendete, wo seine Geltung nie<lb/>
behauptet war.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0066] übergeben hatten, nicht am wenigsten erbittert über seine schroff hingeworfene Entbehrlichkeit. Gleich nach diesen Scenen gegen 12 Uhr Mittags erschien die Deputation der Kopenhagener Bürgerrepräsentanten, an ihrer Spitze Etatsrath Holde; es begleiteten sie gewiß 15M0 Menschen in großer Stille, in geordnetem Zuge, vor dem Schlosse ans die Antwort harrend. Der König, Herr v. Bardenfleth an seiner Seite, empfing im Schlosse die Adresse aus Hvidts Hand. Er antwortete: „Er freue sich ihren Wünschen bereits zuvorgekommen zu sein; das alte Ministerium sei entlassen; wollen Sie, schloß er, gleiches Vertrauen zu Ihrem Könige haben, wie ich zu meinem Volke, so will ich Ihnen ein treuer Führer zu Ehre und Freiheit sein!" Und also, sagen die Damen, haben wir gar keine Revolution gehabt. Und Herr v. Rosenvrn, jetziger Minister, erklärte jüngst in einer Wahlrede, „seit I66l) sei es ein Privilegium der Stadt Kopenhagen, dein Könige ihren Willen kund zu geben." Welche Machtmittel besaß man gegen die angedrohte Selbsthilfe der Ver¬ zweiflung? etwa die Truppen unter Offizieren, von denen Viele im Casino mit¬ getagt und jene öffentliche Unfähigkeits-Erklärung mit angehört hatten, ohne daß auch nur Einer sich verpflichtet gehalten hätte, für seinen König die Stimme zu erheben? Man erzwang eine Veränderung, die den Krieg des Königs von Däne¬ mark gegen den Herzog von Schleswig-Holstein zur Consequenz haben mußte. Die Wahrheit ist, daß, mag des Königs individuelle Ansicht gewesen sein, welche sie will, seine Allgewalt nach dem Kvnigsgesetz an der Königsau aufhörte, jenseits derselben ihn, den Herzog, Pflichten banden, die er selbst noch im Patent vom 28. Januar anerkannt hatte. Nicht die Person des Regenten, wie würdig oder unwürdig sie sein mag, macht die Legitimität, sondern daß in derselben die Continuität des Rechts sich unverrückbar darstellt. Des Regenten Person mi߬ brauchen, legitimirt den Frevel nicht, mit wie vielem Anstände er geübt werden mag. Friedrich VII. war, wollend oder nicht, in der Gewalt einer Partei, mochte sie die ganze dänische Nation umfassen, von dem Augenblick an, wo dieser Herr v. Bardenfleth und das Kopenhagener Volk die Executive auch für die Herzog¬ tümer übernahmen, und die Allgewalt des KönigSgcsetzes, welches man gerade abschüttelte, nunmehr auf die Herzogthümer anwendete, wo seine Geltung nie behauptet war.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/66
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/66>, abgerufen am 19.05.2024.