Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

fast als zuvor -- wenigstens vorläufig! Nicht mehr als billig ist's also, daß
auch unsere Professoren an Universitäten und Gymnasien wieder in's alte Gleis
hineinkommen und, nachdem sie auf deu politischen Congressen meist schlechte Ge¬
schäfte gemacht, es wieder einmal mit den gelehrten versuchen. Drei Jahre lang
waren diese Opferfeste der Minerva unterbrochen. 1847 freilich hatte Herr Brügge¬
mann, vortragender Nath im Eichhorn'schen Ministerium, die in dem altehrwür-
digen, gastlichen Basel Versammelten in officiöser Weise eingeladen, die Metropole
deutscher Wissenschaft zum Orte ihrer nächsten Zusammenkunft zu wählen. Trotz
mancherlei antipreußischer, antiberlinischer und antigroßstädtischer Bedenken glaubte
man eine solche Einladung, deren Ursprung matt bis in allerhöchste Regionen
hinausleiten zu dürfen sich schmeichelte, annehmen zu müssen. Aber in den ersten
Tagen des October 1848 dachte man in Berlin nicht an die Philologie, geschweige
an den von Herrn Brüggemann in vormärzlicher Unschuld citirten Philologen-
congreß: die Nationalversanunlnng tagte dort und Brill interpellirte den Premier
wegen der Betwmtmachnng des commandirenden Generals des sechsten Armeecorps,
der die Bewohner der Provinz Schlesien auf seine eigene Fällst angefordert hatte,
sich voll dem wühlerischen Treiben nicht hinreißen zu lassen, da' ihm mit der Pflicht
auch die Mittel zu Gebote ständen, dem Gesetze Nachdruck zu verschaffen. --
Ein Jahr später hatte dieser commandirende General, was er für die Provinz
verheißen, für die Monarchie durchgesetzt: "Herr Brandenburg" war Minister¬
präsident, das Gras ans den Straßen Berlins bereits eine Sage der Vorzeit:
der Philister freute sich des geretteten Staats, der wiederhergestellten Nuhe und
Ordnung. Aber er hatte anch wacker seine "Mittel" angewendet, der Retter des
Staats mit seinen Herren Mitrettern: Geld hatten sie gebraucht und Geld und noch
einmal Geld -- natürlich, daß für den Philologencongreß in der Casse des hohen
Unterrichtölnillisterilimö nichts disponibel war und man der Zeitumstände halber die
Uebernahme dieses Eichhorn'schen Passivnms vorerst noch verweigerte. 1859 aber
ließ sich das nicht noch einmal thun; man mußte befürchten, daß einer der prenßen-
lllld nnionsfeindlichen Staaten die s.donc Gelegenheit benutzen würde, den Ruhm
des Führers der Intelligenz Preußen vor dem Munde fortzuschnappen lind die
"mit unerhörter Barbarei" voll Berlins Mauern wiederum ferngehaltenen Ge¬
lehrten mit lockenden Köder in seine Netze zu ziehen, die guten Kammern hatten
znoem 18 Millionen bewilligt, um die Würde des Staats aufrecht zu erhalten --
man gab also Geld lind die öffentlichen Blätter brachten Ende Juli die vou den
in Basel erwählten Präsidenten Böckh lind Bopp unterzeichnete Einladung zu der
"mit allerhöchster Genehmigung" am 39. September und den nächstfolgenden
Tagen in Berlin stattfindenden "Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner
und Orientalisten."

Berlin sah dieser Versammlung mit der äußersten Gemüthsruhe entgegen.
In kleinen Städten verbreitet die Kurve, daß sie für das nächste Jahr zum Sitze


Grenzboten. IV. 18ö0. 77

fast als zuvor — wenigstens vorläufig! Nicht mehr als billig ist's also, daß
auch unsere Professoren an Universitäten und Gymnasien wieder in's alte Gleis
hineinkommen und, nachdem sie auf deu politischen Congressen meist schlechte Ge¬
schäfte gemacht, es wieder einmal mit den gelehrten versuchen. Drei Jahre lang
waren diese Opferfeste der Minerva unterbrochen. 1847 freilich hatte Herr Brügge¬
mann, vortragender Nath im Eichhorn'schen Ministerium, die in dem altehrwür-
digen, gastlichen Basel Versammelten in officiöser Weise eingeladen, die Metropole
deutscher Wissenschaft zum Orte ihrer nächsten Zusammenkunft zu wählen. Trotz
mancherlei antipreußischer, antiberlinischer und antigroßstädtischer Bedenken glaubte
man eine solche Einladung, deren Ursprung matt bis in allerhöchste Regionen
hinausleiten zu dürfen sich schmeichelte, annehmen zu müssen. Aber in den ersten
Tagen des October 1848 dachte man in Berlin nicht an die Philologie, geschweige
an den von Herrn Brüggemann in vormärzlicher Unschuld citirten Philologen-
congreß: die Nationalversanunlnng tagte dort und Brill interpellirte den Premier
wegen der Betwmtmachnng des commandirenden Generals des sechsten Armeecorps,
der die Bewohner der Provinz Schlesien auf seine eigene Fällst angefordert hatte,
sich voll dem wühlerischen Treiben nicht hinreißen zu lassen, da' ihm mit der Pflicht
auch die Mittel zu Gebote ständen, dem Gesetze Nachdruck zu verschaffen. —
Ein Jahr später hatte dieser commandirende General, was er für die Provinz
verheißen, für die Monarchie durchgesetzt: „Herr Brandenburg" war Minister¬
präsident, das Gras ans den Straßen Berlins bereits eine Sage der Vorzeit:
der Philister freute sich des geretteten Staats, der wiederhergestellten Nuhe und
Ordnung. Aber er hatte anch wacker seine „Mittel" angewendet, der Retter des
Staats mit seinen Herren Mitrettern: Geld hatten sie gebraucht und Geld und noch
einmal Geld — natürlich, daß für den Philologencongreß in der Casse des hohen
Unterrichtölnillisterilimö nichts disponibel war und man der Zeitumstände halber die
Uebernahme dieses Eichhorn'schen Passivnms vorerst noch verweigerte. 1859 aber
ließ sich das nicht noch einmal thun; man mußte befürchten, daß einer der prenßen-
lllld nnionsfeindlichen Staaten die s.donc Gelegenheit benutzen würde, den Ruhm
des Führers der Intelligenz Preußen vor dem Munde fortzuschnappen lind die
„mit unerhörter Barbarei" voll Berlins Mauern wiederum ferngehaltenen Ge¬
lehrten mit lockenden Köder in seine Netze zu ziehen, die guten Kammern hatten
znoem 18 Millionen bewilligt, um die Würde des Staats aufrecht zu erhalten —
man gab also Geld lind die öffentlichen Blätter brachten Ende Juli die vou den
in Basel erwählten Präsidenten Böckh lind Bopp unterzeichnete Einladung zu der
„mit allerhöchster Genehmigung" am 39. September und den nächstfolgenden
Tagen in Berlin stattfindenden „Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner
und Orientalisten."

Berlin sah dieser Versammlung mit der äußersten Gemüthsruhe entgegen.
In kleinen Städten verbreitet die Kurve, daß sie für das nächste Jahr zum Sitze


Grenzboten. IV. 18ö0. 77
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0097" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92386"/>
          <p xml:id="ID_293" prev="#ID_292"> fast als zuvor &#x2014; wenigstens vorläufig! Nicht mehr als billig ist's also, daß<lb/>
auch unsere Professoren an Universitäten und Gymnasien wieder in's alte Gleis<lb/>
hineinkommen und, nachdem sie auf deu politischen Congressen meist schlechte Ge¬<lb/>
schäfte gemacht, es wieder einmal mit den gelehrten versuchen. Drei Jahre lang<lb/>
waren diese Opferfeste der Minerva unterbrochen. 1847 freilich hatte Herr Brügge¬<lb/>
mann, vortragender Nath im Eichhorn'schen Ministerium, die in dem altehrwür-<lb/>
digen, gastlichen Basel Versammelten in officiöser Weise eingeladen, die Metropole<lb/>
deutscher Wissenschaft zum Orte ihrer nächsten Zusammenkunft zu wählen. Trotz<lb/>
mancherlei antipreußischer, antiberlinischer und antigroßstädtischer Bedenken glaubte<lb/>
man eine solche Einladung, deren Ursprung matt bis in allerhöchste Regionen<lb/>
hinausleiten zu dürfen sich schmeichelte, annehmen zu müssen. Aber in den ersten<lb/>
Tagen des October 1848 dachte man in Berlin nicht an die Philologie, geschweige<lb/>
an den von Herrn Brüggemann in vormärzlicher Unschuld citirten Philologen-<lb/>
congreß: die Nationalversanunlnng tagte dort und Brill interpellirte den Premier<lb/>
wegen der Betwmtmachnng des commandirenden Generals des sechsten Armeecorps,<lb/>
der die Bewohner der Provinz Schlesien auf seine eigene Fällst angefordert hatte,<lb/>
sich voll dem wühlerischen Treiben nicht hinreißen zu lassen, da' ihm mit der Pflicht<lb/>
auch die Mittel zu Gebote ständen, dem Gesetze Nachdruck zu verschaffen. &#x2014;<lb/>
Ein Jahr später hatte dieser commandirende General, was er für die Provinz<lb/>
verheißen, für die Monarchie durchgesetzt: &#x201E;Herr Brandenburg" war Minister¬<lb/>
präsident, das Gras ans den Straßen Berlins bereits eine Sage der Vorzeit:<lb/>
der Philister freute sich des geretteten Staats, der wiederhergestellten Nuhe und<lb/>
Ordnung. Aber er hatte anch wacker seine &#x201E;Mittel" angewendet, der Retter des<lb/>
Staats mit seinen Herren Mitrettern: Geld hatten sie gebraucht und Geld und noch<lb/>
einmal Geld &#x2014; natürlich, daß für den Philologencongreß in der Casse des hohen<lb/>
Unterrichtölnillisterilimö nichts disponibel war und man der Zeitumstände halber die<lb/>
Uebernahme dieses Eichhorn'schen Passivnms vorerst noch verweigerte. 1859 aber<lb/>
ließ sich das nicht noch einmal thun; man mußte befürchten, daß einer der prenßen-<lb/>
lllld nnionsfeindlichen Staaten die s.donc Gelegenheit benutzen würde, den Ruhm<lb/>
des Führers der Intelligenz Preußen vor dem Munde fortzuschnappen lind die<lb/>
&#x201E;mit unerhörter Barbarei" voll Berlins Mauern wiederum ferngehaltenen Ge¬<lb/>
lehrten mit lockenden Köder in seine Netze zu ziehen, die guten Kammern hatten<lb/>
znoem 18 Millionen bewilligt, um die Würde des Staats aufrecht zu erhalten &#x2014;<lb/>
man gab also Geld lind die öffentlichen Blätter brachten Ende Juli die vou den<lb/>
in Basel erwählten Präsidenten Böckh lind Bopp unterzeichnete Einladung zu der<lb/>
&#x201E;mit allerhöchster Genehmigung" am 39. September und den nächstfolgenden<lb/>
Tagen in Berlin stattfindenden &#x201E;Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner<lb/>
und Orientalisten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_294" next="#ID_295"> Berlin sah dieser Versammlung mit der äußersten Gemüthsruhe entgegen.<lb/>
In kleinen Städten verbreitet die Kurve, daß sie für das nächste Jahr zum Sitze</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. 18ö0. 77</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0097] fast als zuvor — wenigstens vorläufig! Nicht mehr als billig ist's also, daß auch unsere Professoren an Universitäten und Gymnasien wieder in's alte Gleis hineinkommen und, nachdem sie auf deu politischen Congressen meist schlechte Ge¬ schäfte gemacht, es wieder einmal mit den gelehrten versuchen. Drei Jahre lang waren diese Opferfeste der Minerva unterbrochen. 1847 freilich hatte Herr Brügge¬ mann, vortragender Nath im Eichhorn'schen Ministerium, die in dem altehrwür- digen, gastlichen Basel Versammelten in officiöser Weise eingeladen, die Metropole deutscher Wissenschaft zum Orte ihrer nächsten Zusammenkunft zu wählen. Trotz mancherlei antipreußischer, antiberlinischer und antigroßstädtischer Bedenken glaubte man eine solche Einladung, deren Ursprung matt bis in allerhöchste Regionen hinausleiten zu dürfen sich schmeichelte, annehmen zu müssen. Aber in den ersten Tagen des October 1848 dachte man in Berlin nicht an die Philologie, geschweige an den von Herrn Brüggemann in vormärzlicher Unschuld citirten Philologen- congreß: die Nationalversanunlnng tagte dort und Brill interpellirte den Premier wegen der Betwmtmachnng des commandirenden Generals des sechsten Armeecorps, der die Bewohner der Provinz Schlesien auf seine eigene Fällst angefordert hatte, sich voll dem wühlerischen Treiben nicht hinreißen zu lassen, da' ihm mit der Pflicht auch die Mittel zu Gebote ständen, dem Gesetze Nachdruck zu verschaffen. — Ein Jahr später hatte dieser commandirende General, was er für die Provinz verheißen, für die Monarchie durchgesetzt: „Herr Brandenburg" war Minister¬ präsident, das Gras ans den Straßen Berlins bereits eine Sage der Vorzeit: der Philister freute sich des geretteten Staats, der wiederhergestellten Nuhe und Ordnung. Aber er hatte anch wacker seine „Mittel" angewendet, der Retter des Staats mit seinen Herren Mitrettern: Geld hatten sie gebraucht und Geld und noch einmal Geld — natürlich, daß für den Philologencongreß in der Casse des hohen Unterrichtölnillisterilimö nichts disponibel war und man der Zeitumstände halber die Uebernahme dieses Eichhorn'schen Passivnms vorerst noch verweigerte. 1859 aber ließ sich das nicht noch einmal thun; man mußte befürchten, daß einer der prenßen- lllld nnionsfeindlichen Staaten die s.donc Gelegenheit benutzen würde, den Ruhm des Führers der Intelligenz Preußen vor dem Munde fortzuschnappen lind die „mit unerhörter Barbarei" voll Berlins Mauern wiederum ferngehaltenen Ge¬ lehrten mit lockenden Köder in seine Netze zu ziehen, die guten Kammern hatten znoem 18 Millionen bewilligt, um die Würde des Staats aufrecht zu erhalten — man gab also Geld lind die öffentlichen Blätter brachten Ende Juli die vou den in Basel erwählten Präsidenten Böckh lind Bopp unterzeichnete Einladung zu der „mit allerhöchster Genehmigung" am 39. September und den nächstfolgenden Tagen in Berlin stattfindenden „Versammlung deutscher Philologen, Schulmänner und Orientalisten." Berlin sah dieser Versammlung mit der äußersten Gemüthsruhe entgegen. In kleinen Städten verbreitet die Kurve, daß sie für das nächste Jahr zum Sitze Grenzboten. IV. 18ö0. 77

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/97
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/97>, abgerufen am 22.05.2024.