Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ängstigt bin, daß diese Aufreizungen eben so ihre Früchte bringen können, als sie
solche bei Latour gebracht haben, denn ich und Ebersberg (Redacteur des Zu¬
schauers) sind die Einzigen, (!!) die treu mit dem Kaiserhause und der Regierung
geHallen haben, und noch halten (!!!) und dafür soll uus das Volk hängen.
Nicht meine Person, das System ist es, das man in mir verfolgt."

Man muß wohl über diese Naivität lachen, wenn Haus Jörgel sich ein
System nennt; eher ist noch Hanswurst eine Offenbarung, oder Thaddädl ein
Prinzip.

Hans Jörgel klagt ferner: "Herr Bachmann (Redacteur der Carricaturenzeit-
schrift Punch) neunt mich öffentlich eine Schandsäule Wiens, einen Denuncian¬
ten, Schurken, Verleumder, ein moralisches Aas, das ans den Schindanger ge¬
höre n. s. w." Dieses "und so weiter" steht wirklich in der Klagschrift des Hrn.
Weis, so wie obige Schmeichelnamen öffentlich im Punch, in der Geißel und den
Witzblättern.

Hans Jörgel klagt weiter: "Der Herr Civil- und Militärgouverneur sichert
jedem Staatsbürger Schutz vor Hohn, Spott und Schmähung zu, hier handelt
es sich um das Leben (!) eines Menschen, das jetzt mehr bedroht ist, als es im
Jahr 1848 bedroht war."

Um der Militärgewalt die Nothwendigkeit darzustellen, daß die Geklagten be¬
straft werden müssen, bringt Hans Jörgel folgende Motive in Frageform vor:
"Will man nicht Jeden entmuthigen, sich an die Negierung anzuschließen? Reißt
man durch solche Aufsätze nicht das Herz aus der Brust des Volkes?" "Gibt nicht
die große Prännmerautenzahl (die Blätter nämlich, die gegen Haus Jörgel schrei¬
be") den besten Beweis über den herrschenden Geist des Volkes?"

Herr Weis hat in seiner Schlichtheit keine Ahnung von den Widersprüche",
die in diesen Sätzen liegen; er legt nur diese Fragen' an's Herz (!) der k. k.
Stadtcommandantur, bittet, daß man die schrecklichen Folgen von ihm abwende,
und schließt: "es ist traurig, daß ich im Belagerungszustande wegen meinen Ge¬
sinnungen um Schutz gegen laut ausgesprochenen (?) Mord bitten muß."

Der Bescheid auf diese am 7. Februar 1850 eingereichte Klage lautete da¬
hin, Hans Jörgel solle sich -- an's Preßgericht wenden.

Herr Weis hatte gleichzeitig an die Polizei sich gewandt, und auch diese wies
den Armen an's Preßgericht. Verzweifelnd ruft Hans Jörgel im letzten
Hefte ans:

"I weiß nit, will man die Leut mit ein Preßgericht foppen, was nit existut,
oder was dös is? Wie kam? Ein denn sowohl das Militär- als Civilgericht an
ein Gericht weisen, was nit existirt? Was is das für ein Zustand im Belage¬
rungszustand? Die Autwort is nit schwer. Vor der Hand nix als literarische
Anarchie."

"Was will i machen?" seufzt Hans Jörgel hierauf aus der durch den Be-


ängstigt bin, daß diese Aufreizungen eben so ihre Früchte bringen können, als sie
solche bei Latour gebracht haben, denn ich und Ebersberg (Redacteur des Zu¬
schauers) sind die Einzigen, (!!) die treu mit dem Kaiserhause und der Regierung
geHallen haben, und noch halten (!!!) und dafür soll uus das Volk hängen.
Nicht meine Person, das System ist es, das man in mir verfolgt."

Man muß wohl über diese Naivität lachen, wenn Haus Jörgel sich ein
System nennt; eher ist noch Hanswurst eine Offenbarung, oder Thaddädl ein
Prinzip.

Hans Jörgel klagt ferner: „Herr Bachmann (Redacteur der Carricaturenzeit-
schrift Punch) neunt mich öffentlich eine Schandsäule Wiens, einen Denuncian¬
ten, Schurken, Verleumder, ein moralisches Aas, das ans den Schindanger ge¬
höre n. s. w." Dieses „und so weiter" steht wirklich in der Klagschrift des Hrn.
Weis, so wie obige Schmeichelnamen öffentlich im Punch, in der Geißel und den
Witzblättern.

Hans Jörgel klagt weiter: „Der Herr Civil- und Militärgouverneur sichert
jedem Staatsbürger Schutz vor Hohn, Spott und Schmähung zu, hier handelt
es sich um das Leben (!) eines Menschen, das jetzt mehr bedroht ist, als es im
Jahr 1848 bedroht war."

Um der Militärgewalt die Nothwendigkeit darzustellen, daß die Geklagten be¬
straft werden müssen, bringt Hans Jörgel folgende Motive in Frageform vor:
„Will man nicht Jeden entmuthigen, sich an die Negierung anzuschließen? Reißt
man durch solche Aufsätze nicht das Herz aus der Brust des Volkes?" „Gibt nicht
die große Prännmerautenzahl (die Blätter nämlich, die gegen Haus Jörgel schrei¬
be») den besten Beweis über den herrschenden Geist des Volkes?"

Herr Weis hat in seiner Schlichtheit keine Ahnung von den Widersprüche»,
die in diesen Sätzen liegen; er legt nur diese Fragen' an's Herz (!) der k. k.
Stadtcommandantur, bittet, daß man die schrecklichen Folgen von ihm abwende,
und schließt: „es ist traurig, daß ich im Belagerungszustande wegen meinen Ge¬
sinnungen um Schutz gegen laut ausgesprochenen (?) Mord bitten muß."

Der Bescheid auf diese am 7. Februar 1850 eingereichte Klage lautete da¬
hin, Hans Jörgel solle sich — an's Preßgericht wenden.

Herr Weis hatte gleichzeitig an die Polizei sich gewandt, und auch diese wies
den Armen an's Preßgericht. Verzweifelnd ruft Hans Jörgel im letzten
Hefte ans:

„I weiß nit, will man die Leut mit ein Preßgericht foppen, was nit existut,
oder was dös is? Wie kam? Ein denn sowohl das Militär- als Civilgericht an
ein Gericht weisen, was nit existirt? Was is das für ein Zustand im Belage¬
rungszustand? Die Autwort is nit schwer. Vor der Hand nix als literarische
Anarchie."

„Was will i machen?" seufzt Hans Jörgel hierauf aus der durch den Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0426" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93249"/>
          <p xml:id="ID_1460" prev="#ID_1459"> ängstigt bin, daß diese Aufreizungen eben so ihre Früchte bringen können, als sie<lb/>
solche bei Latour gebracht haben, denn ich und Ebersberg (Redacteur des Zu¬<lb/>
schauers) sind die Einzigen, (!!) die treu mit dem Kaiserhause und der Regierung<lb/>
geHallen haben, und noch halten (!!!) und dafür soll uus das Volk hängen.<lb/>
Nicht meine Person, das System ist es, das man in mir verfolgt."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1461"> Man muß wohl über diese Naivität lachen, wenn Haus Jörgel sich ein<lb/>
System nennt; eher ist noch Hanswurst eine Offenbarung, oder Thaddädl ein<lb/>
Prinzip.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1462"> Hans Jörgel klagt ferner: &#x201E;Herr Bachmann (Redacteur der Carricaturenzeit-<lb/>
schrift Punch) neunt mich öffentlich eine Schandsäule Wiens, einen Denuncian¬<lb/>
ten, Schurken, Verleumder, ein moralisches Aas, das ans den Schindanger ge¬<lb/>
höre n. s. w." Dieses &#x201E;und so weiter" steht wirklich in der Klagschrift des Hrn.<lb/>
Weis, so wie obige Schmeichelnamen öffentlich im Punch, in der Geißel und den<lb/>
Witzblättern.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1463"> Hans Jörgel klagt weiter: &#x201E;Der Herr Civil- und Militärgouverneur sichert<lb/>
jedem Staatsbürger Schutz vor Hohn, Spott und Schmähung zu, hier handelt<lb/>
es sich um das Leben (!) eines Menschen, das jetzt mehr bedroht ist, als es im<lb/>
Jahr 1848 bedroht war."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1464"> Um der Militärgewalt die Nothwendigkeit darzustellen, daß die Geklagten be¬<lb/>
straft werden müssen, bringt Hans Jörgel folgende Motive in Frageform vor:<lb/>
&#x201E;Will man nicht Jeden entmuthigen, sich an die Negierung anzuschließen? Reißt<lb/>
man durch solche Aufsätze nicht das Herz aus der Brust des Volkes?" &#x201E;Gibt nicht<lb/>
die große Prännmerautenzahl (die Blätter nämlich, die gegen Haus Jörgel schrei¬<lb/>
be») den besten Beweis über den herrschenden Geist des Volkes?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1465"> Herr Weis hat in seiner Schlichtheit keine Ahnung von den Widersprüche»,<lb/>
die in diesen Sätzen liegen; er legt nur diese Fragen' an's Herz (!) der k. k.<lb/>
Stadtcommandantur, bittet, daß man die schrecklichen Folgen von ihm abwende,<lb/>
und schließt: &#x201E;es ist traurig, daß ich im Belagerungszustande wegen meinen Ge¬<lb/>
sinnungen um Schutz gegen laut ausgesprochenen (?) Mord bitten muß."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1466"> Der Bescheid auf diese am 7. Februar 1850 eingereichte Klage lautete da¬<lb/>
hin, Hans Jörgel solle sich &#x2014; an's Preßgericht wenden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1467"> Herr Weis hatte gleichzeitig an die Polizei sich gewandt, und auch diese wies<lb/>
den Armen an's Preßgericht. Verzweifelnd ruft Hans Jörgel im letzten<lb/>
Hefte ans:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1468"> &#x201E;I weiß nit, will man die Leut mit ein Preßgericht foppen, was nit existut,<lb/>
oder was dös is? Wie kam? Ein denn sowohl das Militär- als Civilgericht an<lb/>
ein Gericht weisen, was nit existirt? Was is das für ein Zustand im Belage¬<lb/>
rungszustand? Die Autwort is nit schwer. Vor der Hand nix als literarische<lb/>
Anarchie."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1469" next="#ID_1470"> &#x201E;Was will i machen?" seufzt Hans Jörgel hierauf aus der durch den Be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0426] ängstigt bin, daß diese Aufreizungen eben so ihre Früchte bringen können, als sie solche bei Latour gebracht haben, denn ich und Ebersberg (Redacteur des Zu¬ schauers) sind die Einzigen, (!!) die treu mit dem Kaiserhause und der Regierung geHallen haben, und noch halten (!!!) und dafür soll uus das Volk hängen. Nicht meine Person, das System ist es, das man in mir verfolgt." Man muß wohl über diese Naivität lachen, wenn Haus Jörgel sich ein System nennt; eher ist noch Hanswurst eine Offenbarung, oder Thaddädl ein Prinzip. Hans Jörgel klagt ferner: „Herr Bachmann (Redacteur der Carricaturenzeit- schrift Punch) neunt mich öffentlich eine Schandsäule Wiens, einen Denuncian¬ ten, Schurken, Verleumder, ein moralisches Aas, das ans den Schindanger ge¬ höre n. s. w." Dieses „und so weiter" steht wirklich in der Klagschrift des Hrn. Weis, so wie obige Schmeichelnamen öffentlich im Punch, in der Geißel und den Witzblättern. Hans Jörgel klagt weiter: „Der Herr Civil- und Militärgouverneur sichert jedem Staatsbürger Schutz vor Hohn, Spott und Schmähung zu, hier handelt es sich um das Leben (!) eines Menschen, das jetzt mehr bedroht ist, als es im Jahr 1848 bedroht war." Um der Militärgewalt die Nothwendigkeit darzustellen, daß die Geklagten be¬ straft werden müssen, bringt Hans Jörgel folgende Motive in Frageform vor: „Will man nicht Jeden entmuthigen, sich an die Negierung anzuschließen? Reißt man durch solche Aufsätze nicht das Herz aus der Brust des Volkes?" „Gibt nicht die große Prännmerautenzahl (die Blätter nämlich, die gegen Haus Jörgel schrei¬ be») den besten Beweis über den herrschenden Geist des Volkes?" Herr Weis hat in seiner Schlichtheit keine Ahnung von den Widersprüche», die in diesen Sätzen liegen; er legt nur diese Fragen' an's Herz (!) der k. k. Stadtcommandantur, bittet, daß man die schrecklichen Folgen von ihm abwende, und schließt: „es ist traurig, daß ich im Belagerungszustande wegen meinen Ge¬ sinnungen um Schutz gegen laut ausgesprochenen (?) Mord bitten muß." Der Bescheid auf diese am 7. Februar 1850 eingereichte Klage lautete da¬ hin, Hans Jörgel solle sich — an's Preßgericht wenden. Herr Weis hatte gleichzeitig an die Polizei sich gewandt, und auch diese wies den Armen an's Preßgericht. Verzweifelnd ruft Hans Jörgel im letzten Hefte ans: „I weiß nit, will man die Leut mit ein Preßgericht foppen, was nit existut, oder was dös is? Wie kam? Ein denn sowohl das Militär- als Civilgericht an ein Gericht weisen, was nit existirt? Was is das für ein Zustand im Belage¬ rungszustand? Die Autwort is nit schwer. Vor der Hand nix als literarische Anarchie." „Was will i machen?" seufzt Hans Jörgel hierauf aus der durch den Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/426
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92822/426>, abgerufen am 22.05.2024.