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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

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brennenden Fackeln an den Schwänzen in die Saaten der Philister, in die geistigen
Saaten der Obscuranten jagte. So hat auch die gegenwärtige Verhandlung dem
monarchischen Wesen ein El ins Nest gelegt, das früher ausgebrütet werden dürfte,
als die Restauration selber; sie hat eine Autecedeuz aufgestellt, vor welcher das
argumentscheue System der Vergangenheit zu Grunde gehen muß.

Gilt es nun, den Geist dieser welthistorischen Verhandlung näher zu bezeich¬
nen, so drängt sich uns vor Allem die Wahrnehmung aus, daß die neue Zeit
trotz aller anscheinende" Rückfälle denn doch in allen Gemüthern und in allen
Ueberzeugungen festen Fuß gefaßt hat. Selbst die Vertreter der Ultrareaction
gingen von dem Gesichtspunkte aus, daß die Errungenschaften der ersten Revo¬
lution als Gemeingut, als allgemeine Grundlage anerkannt werden müssen. Sie
geberdeten sich Alle wie wetteifernde Bewerber, die eine und dieselbe Braut, die
Freiheit, heimführen wollen, und es handelte sich bei dem Kampfe nur darum,
darzuthun, in wessen Hans sie sich besser befinden würde. Es ist einleuchtend,
welcher Gewinn für die Sache der Freiheit darin liege, daß die Frage so auf-
gefaßt würde, und es bleibt sich ganz gleich, in wiefern es von deu Wortführern
der verschiedenen Parteien dabei aufrichtig gemeint war oder nicht. Die That¬
sache bleibt festgestellt, daß man über das Schicksal eines Landes heut zu Tage
nnr im Sinne und im Namen der Freiheit verfügen könne. Alle Redner für die
Revision, selbst Falloux, Berryer und sogar der ganz ergebene Odilon Barrot,
sie sprachen von dem Präsidenten mit einer Scheu, mit einer nebenbei berührenden
Aengstlichkeit, welche bewies, wie klein und zufällig der Theil ist, den dieser winzige
Geist im Grnnde hat an den großen Ereignissen, die sich vor unsrem Blicke ent¬
rollen und noch entrollen werden. Sie Alle sprachen von andern Dingen, und
ließen wie Diplomaten nur zwischen den Zeilen ihre eigentliche Meinung heraus¬
lesen; man schämte sich, im Angesicht Europa's den Vertheidiger eines Mannes
zu machen, der kein Verdienst auszuweisen hat, als einen Namen, dessen Bedeu¬
tung er selber am Wenigsten zu würdigen versteht. Die Legitimisten traten für
die Monarchie in die Schranken, um deutlich genug darzuthun, daß sie sich für
Louis Bonaparte nur darum entschieden, weil er der Republik am Wenigsten zur
Ehre gereichte, und weil er am Wenigsten die Republik bedeute. Sie handeln wie
Leute, welche durch eine sonderbare Fügung dazu berufen sind, dem feindlichen
Heere einen Führer zu ernennen, und nur so ist ihre Wahl gerechtfertigt. Wir
wollen die Monarchie, aber, wie Ludwig XIV. sagte, man muß abzuwarten ver¬
stehen, und unsre Wartezeit wird bei Louis Bonaparte's Wiedererwählung kürzer
sein, als unter allen Verhältnissen. '

So sprach Falloux, der talentvollste unter den Legitimisten. Und sie hatten
Alle einen schweren Stand, dies läßt sich nicht läugnen; sie mußten ans dem Bo¬
den der Revolution die Stabilität der Ideen und Grundsätze vertheidigen, und
ehe sie sich es versahen, sahen sie sich ans dem Punkte, Ludwig XVI. als eigene-


brennenden Fackeln an den Schwänzen in die Saaten der Philister, in die geistigen
Saaten der Obscuranten jagte. So hat auch die gegenwärtige Verhandlung dem
monarchischen Wesen ein El ins Nest gelegt, das früher ausgebrütet werden dürfte,
als die Restauration selber; sie hat eine Autecedeuz aufgestellt, vor welcher das
argumentscheue System der Vergangenheit zu Grunde gehen muß.

Gilt es nun, den Geist dieser welthistorischen Verhandlung näher zu bezeich¬
nen, so drängt sich uns vor Allem die Wahrnehmung aus, daß die neue Zeit
trotz aller anscheinende» Rückfälle denn doch in allen Gemüthern und in allen
Ueberzeugungen festen Fuß gefaßt hat. Selbst die Vertreter der Ultrareaction
gingen von dem Gesichtspunkte aus, daß die Errungenschaften der ersten Revo¬
lution als Gemeingut, als allgemeine Grundlage anerkannt werden müssen. Sie
geberdeten sich Alle wie wetteifernde Bewerber, die eine und dieselbe Braut, die
Freiheit, heimführen wollen, und es handelte sich bei dem Kampfe nur darum,
darzuthun, in wessen Hans sie sich besser befinden würde. Es ist einleuchtend,
welcher Gewinn für die Sache der Freiheit darin liege, daß die Frage so auf-
gefaßt würde, und es bleibt sich ganz gleich, in wiefern es von deu Wortführern
der verschiedenen Parteien dabei aufrichtig gemeint war oder nicht. Die That¬
sache bleibt festgestellt, daß man über das Schicksal eines Landes heut zu Tage
nnr im Sinne und im Namen der Freiheit verfügen könne. Alle Redner für die
Revision, selbst Falloux, Berryer und sogar der ganz ergebene Odilon Barrot,
sie sprachen von dem Präsidenten mit einer Scheu, mit einer nebenbei berührenden
Aengstlichkeit, welche bewies, wie klein und zufällig der Theil ist, den dieser winzige
Geist im Grnnde hat an den großen Ereignissen, die sich vor unsrem Blicke ent¬
rollen und noch entrollen werden. Sie Alle sprachen von andern Dingen, und
ließen wie Diplomaten nur zwischen den Zeilen ihre eigentliche Meinung heraus¬
lesen; man schämte sich, im Angesicht Europa's den Vertheidiger eines Mannes
zu machen, der kein Verdienst auszuweisen hat, als einen Namen, dessen Bedeu¬
tung er selber am Wenigsten zu würdigen versteht. Die Legitimisten traten für
die Monarchie in die Schranken, um deutlich genug darzuthun, daß sie sich für
Louis Bonaparte nur darum entschieden, weil er der Republik am Wenigsten zur
Ehre gereichte, und weil er am Wenigsten die Republik bedeute. Sie handeln wie
Leute, welche durch eine sonderbare Fügung dazu berufen sind, dem feindlichen
Heere einen Führer zu ernennen, und nur so ist ihre Wahl gerechtfertigt. Wir
wollen die Monarchie, aber, wie Ludwig XIV. sagte, man muß abzuwarten ver¬
stehen, und unsre Wartezeit wird bei Louis Bonaparte's Wiedererwählung kürzer
sein, als unter allen Verhältnissen. '

So sprach Falloux, der talentvollste unter den Legitimisten. Und sie hatten
Alle einen schweren Stand, dies läßt sich nicht läugnen; sie mußten ans dem Bo¬
den der Revolution die Stabilität der Ideen und Grundsätze vertheidigen, und
ehe sie sich es versahen, sahen sie sich ans dem Punkte, Ludwig XVI. als eigene-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/188>, abgerufen am 21.05.2024.