Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

alten Portiers ließ schnell den Wirth und !Z --i Kellner herbeieilen. Lauter
Franzosen, meistens aus dem Elsaß, der Heimath unzähliger Kellner, war ihr
Empfang ganz wie in jedem Europäischen Gasthof. Der Oberkellner-, in elegan¬
tem Frack, mit modisch gebranntem Haar, führte mich eine kleine, schmale Treppe,
die außerhalb in einer Ecke des Hofes angebracht war, auf eine lange, breite
Galerie über den Arcaden, und öffnete mir die Thür des für mich bestimmten
Zimmers, welche auf diese Galerie ging. DaS Zimmer selbst war hoch, mit ein¬
fach gegypsteu Wänden, und so schmal, daß es bei einer ziemlichen Länge nur ein
Fenster hatte. Als der Vorhang von einer schöngeflochtencn Strohmatte, der
zum Schutz gegen die Sonne davor hing, hinweggezogen war, zeigte sich meinem
Auge eine entzückende Aussicht. Tief unter mir lag der dunkelblaue Spiegel des
Meeres, in dem die funkelnden Strahlen der Morgensonne goldene Arabesken
erzittern ließen. Die Schiffe des Hafens erschiene" in der klaren, durchsichtigen
Luft so hell und scharf, daß man jedes Tauwerk erkennen konnte. Von dein
riesigen Dampfer, der mich so eben von Frankreich herbeigeführt hatte, brachte
ein buntes Gewimmel kleiner Boote, die mit fast nackten braunen Arabern bemannt
waren, die Kiste", Fässer und Ballen, die in dein tiefen Bauche desselben verborgen
gewesen waren, den? Hasendamm z". Amphitheatralisch vom Meere an auf-
steigend erheben sich die flache" Dächer der Häuser Algiers bis zu meinem Fen¬
ster. Wol 2i--25 solche große Stufe", von denen jede an 46--20 Fuß höher
lag wie die andere, zählte ich bis zu mir. Die schmalen Zwischenräume der
Straße", die durchgängig eng sind, durchschnitten die weiße Häusermasse mit
scharfgezogencn dunkeln Linien. Vielfache blühende Bäume standen auf diese"
flachen Dächern, das grelle Weiß derselben auf wohlgefällige Weise unter¬
brechend. Bilder des häuslichen Lebeus buntester Art konnte man fortwährend
mit Hilfe des Glases auf diesen Plattformen erschauen. Ein alter, langbärtign'
Türke in weitem, wallendem Kaftan saß auf dem Dache unter mir, mit kreuzweis
untergeschlagenen Beinen auf einem bunten Polster, in bequemer Nachlässig-
keit den Dampf aus einer 8--!> Fuß langen Pfeife blasend, während ein
Scharlach und Gold reichgekleideter Mvhrentnabe ihm die Kaffeetasse auf einem
kleinen niedern Tisch handrecht zurechtsetzte. Nicht weit davon wandelrett
gemessenen Schrittes einige in lauge Schleier gehüllte Maurische Frauen auf
dem Dache umher, die Kühle des Morgens zu genießen. Auf einem andern
Dache verrichtete eine Maurische Kinderfrau die Operation des/Waschens ein
einem kleinen, nackten, zappelnden Buben, der sträubte und wand sich unter den
Händen seiner unerbittlichen Peinigerin, wie el" Aal unter dem Küchenmesser
Noch anderswo arbeitete" Handwerker aus ihren Dächer", hingen Wäscherinnen
Wäsche auf, klopfte" Negersclave" Teppiche ""d Polster aus. Ein Zu^
wog Gold und Silber mit ängstlicher Sorgfalt ans seinem Dache, ein Schullehm
hatte einen ganzen Kreis mit unterschlagene" Füßen um ihn her bockender Bube"


alten Portiers ließ schnell den Wirth und !Z —i Kellner herbeieilen. Lauter
Franzosen, meistens aus dem Elsaß, der Heimath unzähliger Kellner, war ihr
Empfang ganz wie in jedem Europäischen Gasthof. Der Oberkellner-, in elegan¬
tem Frack, mit modisch gebranntem Haar, führte mich eine kleine, schmale Treppe,
die außerhalb in einer Ecke des Hofes angebracht war, auf eine lange, breite
Galerie über den Arcaden, und öffnete mir die Thür des für mich bestimmten
Zimmers, welche auf diese Galerie ging. DaS Zimmer selbst war hoch, mit ein¬
fach gegypsteu Wänden, und so schmal, daß es bei einer ziemlichen Länge nur ein
Fenster hatte. Als der Vorhang von einer schöngeflochtencn Strohmatte, der
zum Schutz gegen die Sonne davor hing, hinweggezogen war, zeigte sich meinem
Auge eine entzückende Aussicht. Tief unter mir lag der dunkelblaue Spiegel des
Meeres, in dem die funkelnden Strahlen der Morgensonne goldene Arabesken
erzittern ließen. Die Schiffe des Hafens erschiene» in der klaren, durchsichtigen
Luft so hell und scharf, daß man jedes Tauwerk erkennen konnte. Von dein
riesigen Dampfer, der mich so eben von Frankreich herbeigeführt hatte, brachte
ein buntes Gewimmel kleiner Boote, die mit fast nackten braunen Arabern bemannt
waren, die Kiste», Fässer und Ballen, die in dein tiefen Bauche desselben verborgen
gewesen waren, den? Hasendamm z». Amphitheatralisch vom Meere an auf-
steigend erheben sich die flache» Dächer der Häuser Algiers bis zu meinem Fen¬
ster. Wol 2i—25 solche große Stufe», von denen jede an 46—20 Fuß höher
lag wie die andere, zählte ich bis zu mir. Die schmalen Zwischenräume der
Straße», die durchgängig eng sind, durchschnitten die weiße Häusermasse mit
scharfgezogencn dunkeln Linien. Vielfache blühende Bäume standen auf diese»
flachen Dächern, das grelle Weiß derselben auf wohlgefällige Weise unter¬
brechend. Bilder des häuslichen Lebeus buntester Art konnte man fortwährend
mit Hilfe des Glases auf diesen Plattformen erschauen. Ein alter, langbärtign'
Türke in weitem, wallendem Kaftan saß auf dem Dache unter mir, mit kreuzweis
untergeschlagenen Beinen auf einem bunten Polster, in bequemer Nachlässig-
keit den Dampf aus einer 8—!> Fuß langen Pfeife blasend, während ein
Scharlach und Gold reichgekleideter Mvhrentnabe ihm die Kaffeetasse auf einem
kleinen niedern Tisch handrecht zurechtsetzte. Nicht weit davon wandelrett
gemessenen Schrittes einige in lauge Schleier gehüllte Maurische Frauen auf
dem Dache umher, die Kühle des Morgens zu genießen. Auf einem andern
Dache verrichtete eine Maurische Kinderfrau die Operation des/Waschens ein
einem kleinen, nackten, zappelnden Buben, der sträubte und wand sich unter den
Händen seiner unerbittlichen Peinigerin, wie el» Aal unter dem Küchenmesser
Noch anderswo arbeitete» Handwerker aus ihren Dächer», hingen Wäscherinnen
Wäsche auf, klopfte» Negersclave» Teppiche »»d Polster aus. Ein Zu^
wog Gold und Silber mit ängstlicher Sorgfalt ans seinem Dache, ein Schullehm
hatte einen ganzen Kreis mit unterschlagene» Füßen um ihn her bockender Bube»


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0370" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280457"/>
          <p xml:id="ID_983" prev="#ID_982" next="#ID_984"> alten Portiers ließ schnell den Wirth und !Z &#x2014;i Kellner herbeieilen. Lauter<lb/>
Franzosen, meistens aus dem Elsaß, der Heimath unzähliger Kellner, war ihr<lb/>
Empfang ganz wie in jedem Europäischen Gasthof. Der Oberkellner-, in elegan¬<lb/>
tem Frack, mit modisch gebranntem Haar, führte mich eine kleine, schmale Treppe,<lb/>
die außerhalb in einer Ecke des Hofes angebracht war, auf eine lange, breite<lb/>
Galerie über den Arcaden, und öffnete mir die Thür des für mich bestimmten<lb/>
Zimmers, welche auf diese Galerie ging. DaS Zimmer selbst war hoch, mit ein¬<lb/>
fach gegypsteu Wänden, und so schmal, daß es bei einer ziemlichen Länge nur ein<lb/>
Fenster hatte. Als der Vorhang von einer schöngeflochtencn Strohmatte, der<lb/>
zum Schutz gegen die Sonne davor hing, hinweggezogen war, zeigte sich meinem<lb/>
Auge eine entzückende Aussicht. Tief unter mir lag der dunkelblaue Spiegel des<lb/>
Meeres, in dem die funkelnden Strahlen der Morgensonne goldene Arabesken<lb/>
erzittern ließen. Die Schiffe des Hafens erschiene» in der klaren, durchsichtigen<lb/>
Luft so hell und scharf, daß man jedes Tauwerk erkennen konnte. Von dein<lb/>
riesigen Dampfer, der mich so eben von Frankreich herbeigeführt hatte, brachte<lb/>
ein buntes Gewimmel kleiner Boote, die mit fast nackten braunen Arabern bemannt<lb/>
waren, die Kiste», Fässer und Ballen, die in dein tiefen Bauche desselben verborgen<lb/>
gewesen waren, den? Hasendamm z». Amphitheatralisch vom Meere an auf-<lb/>
steigend erheben sich die flache» Dächer der Häuser Algiers bis zu meinem Fen¬<lb/>
ster. Wol 2i&#x2014;25 solche große Stufe», von denen jede an 46&#x2014;20 Fuß höher<lb/>
lag wie die andere, zählte ich bis zu mir. Die schmalen Zwischenräume der<lb/>
Straße», die durchgängig eng sind, durchschnitten die weiße Häusermasse mit<lb/>
scharfgezogencn dunkeln Linien. Vielfache blühende Bäume standen auf diese»<lb/>
flachen Dächern, das grelle Weiß derselben auf wohlgefällige Weise unter¬<lb/>
brechend. Bilder des häuslichen Lebeus buntester Art konnte man fortwährend<lb/>
mit Hilfe des Glases auf diesen Plattformen erschauen. Ein alter, langbärtign'<lb/>
Türke in weitem, wallendem Kaftan saß auf dem Dache unter mir, mit kreuzweis<lb/>
untergeschlagenen Beinen auf einem bunten Polster, in bequemer Nachlässig-<lb/>
keit den Dampf aus einer 8&#x2014;!&gt; Fuß langen Pfeife blasend, während ein<lb/>
Scharlach und Gold reichgekleideter Mvhrentnabe ihm die Kaffeetasse auf einem<lb/>
kleinen niedern Tisch handrecht zurechtsetzte. Nicht weit davon wandelrett<lb/>
gemessenen Schrittes einige in lauge Schleier gehüllte Maurische Frauen auf<lb/>
dem Dache umher, die Kühle des Morgens zu genießen. Auf einem andern<lb/>
Dache verrichtete eine Maurische Kinderfrau die Operation des/Waschens ein<lb/>
einem kleinen, nackten, zappelnden Buben, der sträubte und wand sich unter den<lb/>
Händen seiner unerbittlichen Peinigerin, wie el» Aal unter dem Küchenmesser<lb/>
Noch anderswo arbeitete» Handwerker aus ihren Dächer», hingen Wäscherinnen<lb/>
Wäsche auf, klopfte» Negersclave» Teppiche »»d Polster aus. Ein Zu^<lb/>
wog Gold und Silber mit ängstlicher Sorgfalt ans seinem Dache, ein Schullehm<lb/>
hatte einen ganzen Kreis mit unterschlagene» Füßen um ihn her bockender Bube»</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0370] alten Portiers ließ schnell den Wirth und !Z —i Kellner herbeieilen. Lauter Franzosen, meistens aus dem Elsaß, der Heimath unzähliger Kellner, war ihr Empfang ganz wie in jedem Europäischen Gasthof. Der Oberkellner-, in elegan¬ tem Frack, mit modisch gebranntem Haar, führte mich eine kleine, schmale Treppe, die außerhalb in einer Ecke des Hofes angebracht war, auf eine lange, breite Galerie über den Arcaden, und öffnete mir die Thür des für mich bestimmten Zimmers, welche auf diese Galerie ging. DaS Zimmer selbst war hoch, mit ein¬ fach gegypsteu Wänden, und so schmal, daß es bei einer ziemlichen Länge nur ein Fenster hatte. Als der Vorhang von einer schöngeflochtencn Strohmatte, der zum Schutz gegen die Sonne davor hing, hinweggezogen war, zeigte sich meinem Auge eine entzückende Aussicht. Tief unter mir lag der dunkelblaue Spiegel des Meeres, in dem die funkelnden Strahlen der Morgensonne goldene Arabesken erzittern ließen. Die Schiffe des Hafens erschiene» in der klaren, durchsichtigen Luft so hell und scharf, daß man jedes Tauwerk erkennen konnte. Von dein riesigen Dampfer, der mich so eben von Frankreich herbeigeführt hatte, brachte ein buntes Gewimmel kleiner Boote, die mit fast nackten braunen Arabern bemannt waren, die Kiste», Fässer und Ballen, die in dein tiefen Bauche desselben verborgen gewesen waren, den? Hasendamm z». Amphitheatralisch vom Meere an auf- steigend erheben sich die flache» Dächer der Häuser Algiers bis zu meinem Fen¬ ster. Wol 2i—25 solche große Stufe», von denen jede an 46—20 Fuß höher lag wie die andere, zählte ich bis zu mir. Die schmalen Zwischenräume der Straße», die durchgängig eng sind, durchschnitten die weiße Häusermasse mit scharfgezogencn dunkeln Linien. Vielfache blühende Bäume standen auf diese» flachen Dächern, das grelle Weiß derselben auf wohlgefällige Weise unter¬ brechend. Bilder des häuslichen Lebeus buntester Art konnte man fortwährend mit Hilfe des Glases auf diesen Plattformen erschauen. Ein alter, langbärtign' Türke in weitem, wallendem Kaftan saß auf dem Dache unter mir, mit kreuzweis untergeschlagenen Beinen auf einem bunten Polster, in bequemer Nachlässig- keit den Dampf aus einer 8—!> Fuß langen Pfeife blasend, während ein Scharlach und Gold reichgekleideter Mvhrentnabe ihm die Kaffeetasse auf einem kleinen niedern Tisch handrecht zurechtsetzte. Nicht weit davon wandelrett gemessenen Schrittes einige in lauge Schleier gehüllte Maurische Frauen auf dem Dache umher, die Kühle des Morgens zu genießen. Auf einem andern Dache verrichtete eine Maurische Kinderfrau die Operation des/Waschens ein einem kleinen, nackten, zappelnden Buben, der sträubte und wand sich unter den Händen seiner unerbittlichen Peinigerin, wie el» Aal unter dem Küchenmesser Noch anderswo arbeitete» Handwerker aus ihren Dächer», hingen Wäscherinnen Wäsche auf, klopfte» Negersclave» Teppiche »»d Polster aus. Ein Zu^ wog Gold und Silber mit ängstlicher Sorgfalt ans seinem Dache, ein Schullehm hatte einen ganzen Kreis mit unterschlagene» Füßen um ihn her bockender Bube»

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/370
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280086/370>, abgerufen am 21.05.2024.