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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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in einen goldenen Kronenreif, der, von alten Waffen, Schwertern und Streit-
Hämmern, goldenen Spangen und einem Todtenschädel umgeben, vor der riesigen
Fran am Boden liegt. Ihr Stab scheint die Krone von dem Schädel zu heben;
es dünkt uns eine Mahnung an die Vergänglichkeit aller Hoheit und Größe.
Der Sage rechter Fuß ruht auf eiuer umgestürzten Urne, aus welcher das Gebein
eines Todten herausfällt; eine zweite Urne steht daneben. Das Gemälde ist,
wie es die kunstgeschichtliche Tradition bei allegorischen Bildern mit sich bringt,
gleich dem andern Eckstück, der Geschichte, auf Goldgrund ausgeführt. Die hier¬
von ausgehende Leuchtkraft gewährt noch den besondern Vortheil, die Malerei
sichtbarer hervortreten zu lassen, da es sonst in den vom Fcnsterlichte wenig ge¬
troffenen Ecken an genügender Beleuchtung fehlen würde.

Zu beiden Seiten der Hauptgestalt stehen als abschließendes Ornament,
und zugleich in symbolischem Zusammenhange ihres Inhalts mit jener Gestalt,
zwei geschmackvoll verzierte Kandelaber, deren figürlicher Schmuck dem allegori¬
schen Bilde der Sage eine Darstellung ihres poetischen Wesens hinzufügt. Der
Künstler wählte zu diesem Zwecke die ernst heroische Sicgfriedssagc und das reizende
Märchen vom Dvrnrööleiu, deren Begebenheiten sich in spielender Komposition
an den Stämmen der Candelaber emporranken. Im Sockel des ersten Cande-
labers erblicken wir den Nibelungenhort: eine Schatznrue, Kronenreifc, Trink¬
hörner, Schwerter mit reicher Fassung, Halsschmuck u. dergl. in. Ueber dem
Sockel und unter dem in der Mitte ausgeschweiften eigentlichen Fuß des Kande¬
labers liegt Albrich, der Zwerg, welcher den Hort bewacht. Sein langbärtigcr
Kahlkopf glotzt uns kobvldartig an, und streckt das aufgerissene Maul nach oben
und uach unten, gleich einem Schlüsselloch. Die Arme stemmt er trotzig auf,
und das Figürchen hat bei aller gnomenhaften Häßlichkeit etwas ungemein Drol¬
liges. Ueber ihm, zu Seiten deö CandelaberfnßeS, sitzen Siegfrieds Aeltern, der
König Siegmund und die Königin Sicgeliude. An der Brust der Mutter nimmt
der Säugling Siegfried in kräftigen Zügen seine Nahrung zu sich. Am Stamm
des Kandelabers klettern die Gesellen des Zwergkönigs empor, um dem Drache",
welcher auf dem obern, schildartigen Nande desselben liegt, zu Hilfe zu kommen-
Zwei der Kobolde hängen schon ganz oben, und schlagen nach dem Ritter, der das
Wagniß bestanden. Ein anderes Paar ist auf dem Mittelraude angekommen, "ut
streckt einem dritten Paare, das an der untern Hälfte des Stammes glimmt,
hilfreich die Hände entgegen. Oben steht Siegfried auf dem Leib deö durch¬
bohrten Drachens und hebt im Danke für das siegreich beendigte Abenteuer, die
Hände zum Himmel empor. Des jugendlichen Necken edler, kräftiger und feiner
Körper ist in einen zierlichen Schuppenpanzer gekleidet. Eine geflügelte Schlacht-
Haube, Schwert, Schild und Speer bilden die Wehr des Helden.

Der zweite Candelaber zeigt den Uebergan.g der strengen Heldensage in das
Humoristische des sinnigen Märchens durch die heitere Auffassung deö VoltSgemüths.


in einen goldenen Kronenreif, der, von alten Waffen, Schwertern und Streit-
Hämmern, goldenen Spangen und einem Todtenschädel umgeben, vor der riesigen
Fran am Boden liegt. Ihr Stab scheint die Krone von dem Schädel zu heben;
es dünkt uns eine Mahnung an die Vergänglichkeit aller Hoheit und Größe.
Der Sage rechter Fuß ruht auf eiuer umgestürzten Urne, aus welcher das Gebein
eines Todten herausfällt; eine zweite Urne steht daneben. Das Gemälde ist,
wie es die kunstgeschichtliche Tradition bei allegorischen Bildern mit sich bringt,
gleich dem andern Eckstück, der Geschichte, auf Goldgrund ausgeführt. Die hier¬
von ausgehende Leuchtkraft gewährt noch den besondern Vortheil, die Malerei
sichtbarer hervortreten zu lassen, da es sonst in den vom Fcnsterlichte wenig ge¬
troffenen Ecken an genügender Beleuchtung fehlen würde.

Zu beiden Seiten der Hauptgestalt stehen als abschließendes Ornament,
und zugleich in symbolischem Zusammenhange ihres Inhalts mit jener Gestalt,
zwei geschmackvoll verzierte Kandelaber, deren figürlicher Schmuck dem allegori¬
schen Bilde der Sage eine Darstellung ihres poetischen Wesens hinzufügt. Der
Künstler wählte zu diesem Zwecke die ernst heroische Sicgfriedssagc und das reizende
Märchen vom Dvrnrööleiu, deren Begebenheiten sich in spielender Komposition
an den Stämmen der Candelaber emporranken. Im Sockel des ersten Cande-
labers erblicken wir den Nibelungenhort: eine Schatznrue, Kronenreifc, Trink¬
hörner, Schwerter mit reicher Fassung, Halsschmuck u. dergl. in. Ueber dem
Sockel und unter dem in der Mitte ausgeschweiften eigentlichen Fuß des Kande¬
labers liegt Albrich, der Zwerg, welcher den Hort bewacht. Sein langbärtigcr
Kahlkopf glotzt uns kobvldartig an, und streckt das aufgerissene Maul nach oben
und uach unten, gleich einem Schlüsselloch. Die Arme stemmt er trotzig auf,
und das Figürchen hat bei aller gnomenhaften Häßlichkeit etwas ungemein Drol¬
liges. Ueber ihm, zu Seiten deö CandelaberfnßeS, sitzen Siegfrieds Aeltern, der
König Siegmund und die Königin Sicgeliude. An der Brust der Mutter nimmt
der Säugling Siegfried in kräftigen Zügen seine Nahrung zu sich. Am Stamm
des Kandelabers klettern die Gesellen des Zwergkönigs empor, um dem Drache",
welcher auf dem obern, schildartigen Nande desselben liegt, zu Hilfe zu kommen-
Zwei der Kobolde hängen schon ganz oben, und schlagen nach dem Ritter, der das
Wagniß bestanden. Ein anderes Paar ist auf dem Mittelraude angekommen, »ut
streckt einem dritten Paare, das an der untern Hälfte des Stammes glimmt,
hilfreich die Hände entgegen. Oben steht Siegfried auf dem Leib deö durch¬
bohrten Drachens und hebt im Danke für das siegreich beendigte Abenteuer, die
Hände zum Himmel empor. Des jugendlichen Necken edler, kräftiger und feiner
Körper ist in einen zierlichen Schuppenpanzer gekleidet. Eine geflügelte Schlacht-
Haube, Schwert, Schild und Speer bilden die Wehr des Helden.

Der zweite Candelaber zeigt den Uebergan.g der strengen Heldensage in das
Humoristische des sinnigen Märchens durch die heitere Auffassung deö VoltSgemüths.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/252>, abgerufen am 28.04.2024.