Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Officier, "und wenn wir auch noch so viele zusammenschmetterten, immer drangen
neue Massen vor. Friedrichsstadt hättet Ihr aber doch nicht bekommen, und
wenn Ihr noch zehnmal so stark gewesen wäret, dafür hatten wir zu gut gesorgt",
setzte er noch hinzu. Auch den meisten deutschen Truppen, die 48 und is gegen
sie gefochten hatten, ließen die Dänen Gerechtigkeit widerfahren; doch will ich
nicht verbergen, daß sie über die Verschiedenartigkeit aller dieser kleinen Kontin¬
gente, die gegen sie ausgerückt waren, etwas spotteten. Es sei sehr wenig Ein¬
heit in dem ganzen Dienst gewesen. "Wir hätten ost ganze Abtheilungen aus
dieser Trnppeumusterkarte gefangen nehmen tonnen, wenn uns dies nicht verboten
gewesen wäre". --

Uebrigens scheint mir in der dänischen Armee jetzt selbst nicht das beste
Einvernehmen zu herrschen, und Flotte, Infanterie und Kavallerie sondern sich 'in
ihrem Ofstciercorps sehr unter einander ab. Die politischen Spaltungen, die
in Dänemark immer mehr um sich greifen, tragen wol die Hauptschuld. Die
Infanterie und Artillerie, die in den letzten Kriegen bei Weitem die meisten
Ofstciere verloren, haben den Mangel derselben vielfach durch junge Studenten,
Polytechniker, Kaufleute ersetzen müssen. Diese nun sind größtentheils eifrige An¬
hänger der Kasinoparlei, und daher vielfach von so entschieden liberaler, ja selbst de¬
mokratischer Färbung, daß einem deutschen Gardeofsicier die Haare vor solchen
Kameraden zu Berge stehen würden. Wenn die guten pommerschen oder meck¬
lenburgischen Landjunker, die in ihrer Einfalt die Schleswig-holsteinischen Officiere
für halbe Insurgenten, Genossen Struve's oder Hecker's, die Dänen aber für
Aristokraten vom "pur "nix" halten, die politischen Gesinnungen der Letz-
teren kennen lernten, sie würden gar sehr verwundert die Köpfe schütteln. Unter
den Officieren der dänischen Kavallerie, in der wie bei uns die meisten Ade¬
ligen dienen, ist natürlich auch aristokratische Gesinnung häufig. Besonders
"der sollen in dem Untcrofficiercorps aller Truppen sehr liberale Grundsätze herr¬
schen, und an eine Mitwirkung des Heeres, um etwa die jetzige höchst freisinnige
Verfassung gewaltsam zu stürzen, gar nicht zu deuten sein. Ueberhaupt scheint
^ mir, daß man in Kopenhagen fast durchgängig von sehr freisinniger Haltung
ist, und die Reactionöpartei dort nur geringen Boden hat. Besonders gegen
Rußland herrscht trotz aller directen wie indirecten Hilfe eine nicht geringe Ab-
"eigung. denn man fürchtet, daß durch Hilfe russischer Kriegsschiffe und Truppen
die Reactivnspartci in ihren Planen unterstützt werden könne. "Die Russen wären
schon lange bei "us, wenn sie nicht so viele Furcht vor den Engländern hätten.
Aber Lord Palmerston ist ein Mann, der würde es ihnen eintränken", solche und
ähnliche Aeußerungen hörte ich ost in Kopenhagen.

Der jetzige König ist seiner Gutmüthigkeit und rohen Ungezwungenheit we¬
gen bei den unteren Ständen und besonders den Matrosen sehr populär, in den
gebildeten Kreisen bekümmert man sich gerade so viel um ihn, wie er um die Regie-


Officier, „und wenn wir auch noch so viele zusammenschmetterten, immer drangen
neue Massen vor. Friedrichsstadt hättet Ihr aber doch nicht bekommen, und
wenn Ihr noch zehnmal so stark gewesen wäret, dafür hatten wir zu gut gesorgt",
setzte er noch hinzu. Auch den meisten deutschen Truppen, die 48 und is gegen
sie gefochten hatten, ließen die Dänen Gerechtigkeit widerfahren; doch will ich
nicht verbergen, daß sie über die Verschiedenartigkeit aller dieser kleinen Kontin¬
gente, die gegen sie ausgerückt waren, etwas spotteten. Es sei sehr wenig Ein¬
heit in dem ganzen Dienst gewesen. „Wir hätten ost ganze Abtheilungen aus
dieser Trnppeumusterkarte gefangen nehmen tonnen, wenn uns dies nicht verboten
gewesen wäre". —

Uebrigens scheint mir in der dänischen Armee jetzt selbst nicht das beste
Einvernehmen zu herrschen, und Flotte, Infanterie und Kavallerie sondern sich 'in
ihrem Ofstciercorps sehr unter einander ab. Die politischen Spaltungen, die
in Dänemark immer mehr um sich greifen, tragen wol die Hauptschuld. Die
Infanterie und Artillerie, die in den letzten Kriegen bei Weitem die meisten
Ofstciere verloren, haben den Mangel derselben vielfach durch junge Studenten,
Polytechniker, Kaufleute ersetzen müssen. Diese nun sind größtentheils eifrige An¬
hänger der Kasinoparlei, und daher vielfach von so entschieden liberaler, ja selbst de¬
mokratischer Färbung, daß einem deutschen Gardeofsicier die Haare vor solchen
Kameraden zu Berge stehen würden. Wenn die guten pommerschen oder meck¬
lenburgischen Landjunker, die in ihrer Einfalt die Schleswig-holsteinischen Officiere
für halbe Insurgenten, Genossen Struve's oder Hecker's, die Dänen aber für
Aristokraten vom „pur »nix" halten, die politischen Gesinnungen der Letz-
teren kennen lernten, sie würden gar sehr verwundert die Köpfe schütteln. Unter
den Officieren der dänischen Kavallerie, in der wie bei uns die meisten Ade¬
ligen dienen, ist natürlich auch aristokratische Gesinnung häufig. Besonders
"der sollen in dem Untcrofficiercorps aller Truppen sehr liberale Grundsätze herr¬
schen, und an eine Mitwirkung des Heeres, um etwa die jetzige höchst freisinnige
Verfassung gewaltsam zu stürzen, gar nicht zu deuten sein. Ueberhaupt scheint
^ mir, daß man in Kopenhagen fast durchgängig von sehr freisinniger Haltung
ist, und die Reactionöpartei dort nur geringen Boden hat. Besonders gegen
Rußland herrscht trotz aller directen wie indirecten Hilfe eine nicht geringe Ab-
"eigung. denn man fürchtet, daß durch Hilfe russischer Kriegsschiffe und Truppen
die Reactivnspartci in ihren Planen unterstützt werden könne. „Die Russen wären
schon lange bei »us, wenn sie nicht so viele Furcht vor den Engländern hätten.
Aber Lord Palmerston ist ein Mann, der würde es ihnen eintränken", solche und
ähnliche Aeußerungen hörte ich ost in Kopenhagen.

Der jetzige König ist seiner Gutmüthigkeit und rohen Ungezwungenheit we¬
gen bei den unteren Ständen und besonders den Matrosen sehr populär, in den
gebildeten Kreisen bekümmert man sich gerade so viel um ihn, wie er um die Regie-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0267" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/280884"/>
          <p xml:id="ID_799" prev="#ID_798"> Officier, &#x201E;und wenn wir auch noch so viele zusammenschmetterten, immer drangen<lb/>
neue Massen vor. Friedrichsstadt hättet Ihr aber doch nicht bekommen, und<lb/>
wenn Ihr noch zehnmal so stark gewesen wäret, dafür hatten wir zu gut gesorgt",<lb/>
setzte er noch hinzu. Auch den meisten deutschen Truppen, die 48 und is gegen<lb/>
sie gefochten hatten, ließen die Dänen Gerechtigkeit widerfahren; doch will ich<lb/>
nicht verbergen, daß sie über die Verschiedenartigkeit aller dieser kleinen Kontin¬<lb/>
gente, die gegen sie ausgerückt waren, etwas spotteten. Es sei sehr wenig Ein¬<lb/>
heit in dem ganzen Dienst gewesen. &#x201E;Wir hätten ost ganze Abtheilungen aus<lb/>
dieser Trnppeumusterkarte gefangen nehmen tonnen, wenn uns dies nicht verboten<lb/>
gewesen wäre". &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_800"> Uebrigens scheint mir in der dänischen Armee jetzt selbst nicht das beste<lb/>
Einvernehmen zu herrschen, und Flotte, Infanterie und Kavallerie sondern sich 'in<lb/>
ihrem Ofstciercorps sehr unter einander ab. Die politischen Spaltungen, die<lb/>
in Dänemark immer mehr um sich greifen, tragen wol die Hauptschuld. Die<lb/>
Infanterie und Artillerie, die in den letzten Kriegen bei Weitem die meisten<lb/>
Ofstciere verloren, haben den Mangel derselben vielfach durch junge Studenten,<lb/>
Polytechniker, Kaufleute ersetzen müssen. Diese nun sind größtentheils eifrige An¬<lb/>
hänger der Kasinoparlei, und daher vielfach von so entschieden liberaler, ja selbst de¬<lb/>
mokratischer Färbung, daß einem deutschen Gardeofsicier die Haare vor solchen<lb/>
Kameraden zu Berge stehen würden. Wenn die guten pommerschen oder meck¬<lb/>
lenburgischen Landjunker, die in ihrer Einfalt die Schleswig-holsteinischen Officiere<lb/>
für halbe Insurgenten, Genossen Struve's oder Hecker's, die Dänen aber für<lb/>
Aristokraten vom &#x201E;pur »nix" halten, die politischen Gesinnungen der Letz-<lb/>
teren kennen lernten, sie würden gar sehr verwundert die Köpfe schütteln. Unter<lb/>
den Officieren der dänischen Kavallerie, in der wie bei uns die meisten Ade¬<lb/>
ligen dienen, ist natürlich auch aristokratische Gesinnung häufig. Besonders<lb/>
"der sollen in dem Untcrofficiercorps aller Truppen sehr liberale Grundsätze herr¬<lb/>
schen, und an eine Mitwirkung des Heeres, um etwa die jetzige höchst freisinnige<lb/>
Verfassung gewaltsam zu stürzen, gar nicht zu deuten sein. Ueberhaupt scheint<lb/>
^ mir, daß man in Kopenhagen fast durchgängig von sehr freisinniger Haltung<lb/>
ist, und die Reactionöpartei dort nur geringen Boden hat. Besonders gegen<lb/>
Rußland herrscht trotz aller directen wie indirecten Hilfe eine nicht geringe Ab-<lb/>
"eigung. denn man fürchtet, daß durch Hilfe russischer Kriegsschiffe und Truppen<lb/>
die Reactivnspartci in ihren Planen unterstützt werden könne. &#x201E;Die Russen wären<lb/>
schon lange bei »us, wenn sie nicht so viele Furcht vor den Engländern hätten.<lb/>
Aber Lord Palmerston ist ein Mann, der würde es ihnen eintränken", solche und<lb/>
ähnliche Aeußerungen hörte ich ost in Kopenhagen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_801" next="#ID_802"> Der jetzige König ist seiner Gutmüthigkeit und rohen Ungezwungenheit we¬<lb/>
gen bei den unteren Ständen und besonders den Matrosen sehr populär, in den<lb/>
gebildeten Kreisen bekümmert man sich gerade so viel um ihn, wie er um die Regie-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0267] Officier, „und wenn wir auch noch so viele zusammenschmetterten, immer drangen neue Massen vor. Friedrichsstadt hättet Ihr aber doch nicht bekommen, und wenn Ihr noch zehnmal so stark gewesen wäret, dafür hatten wir zu gut gesorgt", setzte er noch hinzu. Auch den meisten deutschen Truppen, die 48 und is gegen sie gefochten hatten, ließen die Dänen Gerechtigkeit widerfahren; doch will ich nicht verbergen, daß sie über die Verschiedenartigkeit aller dieser kleinen Kontin¬ gente, die gegen sie ausgerückt waren, etwas spotteten. Es sei sehr wenig Ein¬ heit in dem ganzen Dienst gewesen. „Wir hätten ost ganze Abtheilungen aus dieser Trnppeumusterkarte gefangen nehmen tonnen, wenn uns dies nicht verboten gewesen wäre". — Uebrigens scheint mir in der dänischen Armee jetzt selbst nicht das beste Einvernehmen zu herrschen, und Flotte, Infanterie und Kavallerie sondern sich 'in ihrem Ofstciercorps sehr unter einander ab. Die politischen Spaltungen, die in Dänemark immer mehr um sich greifen, tragen wol die Hauptschuld. Die Infanterie und Artillerie, die in den letzten Kriegen bei Weitem die meisten Ofstciere verloren, haben den Mangel derselben vielfach durch junge Studenten, Polytechniker, Kaufleute ersetzen müssen. Diese nun sind größtentheils eifrige An¬ hänger der Kasinoparlei, und daher vielfach von so entschieden liberaler, ja selbst de¬ mokratischer Färbung, daß einem deutschen Gardeofsicier die Haare vor solchen Kameraden zu Berge stehen würden. Wenn die guten pommerschen oder meck¬ lenburgischen Landjunker, die in ihrer Einfalt die Schleswig-holsteinischen Officiere für halbe Insurgenten, Genossen Struve's oder Hecker's, die Dänen aber für Aristokraten vom „pur »nix" halten, die politischen Gesinnungen der Letz- teren kennen lernten, sie würden gar sehr verwundert die Köpfe schütteln. Unter den Officieren der dänischen Kavallerie, in der wie bei uns die meisten Ade¬ ligen dienen, ist natürlich auch aristokratische Gesinnung häufig. Besonders "der sollen in dem Untcrofficiercorps aller Truppen sehr liberale Grundsätze herr¬ schen, und an eine Mitwirkung des Heeres, um etwa die jetzige höchst freisinnige Verfassung gewaltsam zu stürzen, gar nicht zu deuten sein. Ueberhaupt scheint ^ mir, daß man in Kopenhagen fast durchgängig von sehr freisinniger Haltung ist, und die Reactionöpartei dort nur geringen Boden hat. Besonders gegen Rußland herrscht trotz aller directen wie indirecten Hilfe eine nicht geringe Ab- "eigung. denn man fürchtet, daß durch Hilfe russischer Kriegsschiffe und Truppen die Reactivnspartci in ihren Planen unterstützt werden könne. „Die Russen wären schon lange bei »us, wenn sie nicht so viele Furcht vor den Engländern hätten. Aber Lord Palmerston ist ein Mann, der würde es ihnen eintränken", solche und ähnliche Aeußerungen hörte ich ost in Kopenhagen. Der jetzige König ist seiner Gutmüthigkeit und rohen Ungezwungenheit we¬ gen bei den unteren Ständen und besonders den Matrosen sehr populär, in den gebildeten Kreisen bekümmert man sich gerade so viel um ihn, wie er um die Regie-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/267
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/267>, abgerufen am 07.05.2024.