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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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wirst, weil er verschiedene Componisten anerkennt, von denen doch jeder seine
eigene Schule hat, die nach Herzenslust die Nebenbuhler ihres Meisters verketzert,,
so muß er darauf erwidern, daß es gerade sein Stolz ist, keiner von diesen Cli¬
quen anzugehören, sondern, das Schöne hervorzuheben uno das Verkehrte aum-^
greifen, wo er es findet.

Was den zweiten Vorwurf betrifft, so haben wir das Gegentheil von dem
gethan, dessen wir beschuldigt werde"; wir haben Wagner uicht den Regierungen
als Demokraten denuncirt, sondern wir haben ihn, der von seinen ungeschickten
Anhängern in demokratischen Blättern als ein Opfer ihrer Sache ausgerufen
wird, und der sich selbst einredet, die Principien Feuerbach's auf die Musik zu
übertragen, als einen eingefleischter Arist o traten denuncirt. Aristokratisch ist seine
Musik sowol darum, weil sie ganz wie die Meyerbeer'sche, mit der wir sie in
dieser Beziehung in Parallele gestellt haben, zu ihrer Ausführung die Mit¬
tel einer Weltstadt erfordert, als auch darum, daß zu ihrem Verständniß eine
tiefere musikalische Bildung gehört, weil er entweder aus Absicht, oder ans einem
Mangel an Fähigkeit es verschmäht, durch Melodien und dergleichen, welche ins
Ohr fallen und das einzige Mittel sind, die Musik mit der Demokratie, d. d-
enn der Masse, zu vermitteln, das Publicum mit sich fortzureißen. Wir sind im
Gegentheil als Vertreter der gemäßigten Demokratie gegen den aristokratischen
Hochmuth der musikalischen Priesterschaft aufgetreten, und haben eine gewisse
Berücksichtigung des großem Publicums als ein Recht dem Künstler gegenüber
in Anspruch genommen, weil die Musik nach unsrer Ueberzeugung nicht blos für
die Musiker ist. Wir haben nachgewiesen, daß seine Theorie und die demvkra-
tistrenden Phrasen derselben mit seiner Praxis in einem schreienden Widerspruch
stehen, und zwar zum Heil der letztern, denn die Theorie ist absurd. Wenn man
nus zumuthet, daß wir begreisen sollen, was die neue Tanzkunst, die der heutigen
Tanzkunst entgegengesetzt sein soll, und was die neue Malerei, die nicht auf "be¬
pinselte Leinwand" herauskommt, eigentlich heißen soll, so können wir uns dieser
Zumuthung nicht unterziehe", eben so wenig, als wir begreifen, was Feuerbach's
Wesen des Christenthums mit der Musik zu thun hat, da die heftigen Angriffe
desselben gegen den bestehenden Glauben unsres Wissens den Generalbaß noch
nicht erschüttert haben; oder daß die Mitwirkung der Tanzkunst zum vollendeten
Kunstwerk erforderlich sei, da wir Don Juan, Fidelio, Figaro, den Barbier ^.
für vollkommen befriedigende Kunstwerke halten, obgleich in denselben kein Ballet
vorkommt; so wie wir es beiläufig für kein großes Unglück halten, wenn
in einer Hauptstadt, die einmal ein ausgebildetes Ballet besitzt, auch die Oper
dasselbe zu verwerthen sucht. Wir würden z. B., wenn im Uebrigen im Pro¬
pheten oder in den Hugenotten eine solide Musik wäre, uns durch die eingestreu¬
ten Ballette nicht stören lassen; wir würden höchstens unsre kleinen Theater auf¬
fordern, uns mit dergleichen Sprüngen zu verschonen. Was Wagner in der Kunst


wirst, weil er verschiedene Componisten anerkennt, von denen doch jeder seine
eigene Schule hat, die nach Herzenslust die Nebenbuhler ihres Meisters verketzert,,
so muß er darauf erwidern, daß es gerade sein Stolz ist, keiner von diesen Cli¬
quen anzugehören, sondern, das Schöne hervorzuheben uno das Verkehrte aum-^
greifen, wo er es findet.

Was den zweiten Vorwurf betrifft, so haben wir das Gegentheil von dem
gethan, dessen wir beschuldigt werde»; wir haben Wagner uicht den Regierungen
als Demokraten denuncirt, sondern wir haben ihn, der von seinen ungeschickten
Anhängern in demokratischen Blättern als ein Opfer ihrer Sache ausgerufen
wird, und der sich selbst einredet, die Principien Feuerbach's auf die Musik zu
übertragen, als einen eingefleischter Arist o traten denuncirt. Aristokratisch ist seine
Musik sowol darum, weil sie ganz wie die Meyerbeer'sche, mit der wir sie in
dieser Beziehung in Parallele gestellt haben, zu ihrer Ausführung die Mit¬
tel einer Weltstadt erfordert, als auch darum, daß zu ihrem Verständniß eine
tiefere musikalische Bildung gehört, weil er entweder aus Absicht, oder ans einem
Mangel an Fähigkeit es verschmäht, durch Melodien und dergleichen, welche ins
Ohr fallen und das einzige Mittel sind, die Musik mit der Demokratie, d. d-
enn der Masse, zu vermitteln, das Publicum mit sich fortzureißen. Wir sind im
Gegentheil als Vertreter der gemäßigten Demokratie gegen den aristokratischen
Hochmuth der musikalischen Priesterschaft aufgetreten, und haben eine gewisse
Berücksichtigung des großem Publicums als ein Recht dem Künstler gegenüber
in Anspruch genommen, weil die Musik nach unsrer Ueberzeugung nicht blos für
die Musiker ist. Wir haben nachgewiesen, daß seine Theorie und die demvkra-
tistrenden Phrasen derselben mit seiner Praxis in einem schreienden Widerspruch
stehen, und zwar zum Heil der letztern, denn die Theorie ist absurd. Wenn man
nus zumuthet, daß wir begreisen sollen, was die neue Tanzkunst, die der heutigen
Tanzkunst entgegengesetzt sein soll, und was die neue Malerei, die nicht auf „be¬
pinselte Leinwand" herauskommt, eigentlich heißen soll, so können wir uns dieser
Zumuthung nicht unterziehe», eben so wenig, als wir begreifen, was Feuerbach's
Wesen des Christenthums mit der Musik zu thun hat, da die heftigen Angriffe
desselben gegen den bestehenden Glauben unsres Wissens den Generalbaß noch
nicht erschüttert haben; oder daß die Mitwirkung der Tanzkunst zum vollendeten
Kunstwerk erforderlich sei, da wir Don Juan, Fidelio, Figaro, den Barbier ^.
für vollkommen befriedigende Kunstwerke halten, obgleich in denselben kein Ballet
vorkommt; so wie wir es beiläufig für kein großes Unglück halten, wenn
in einer Hauptstadt, die einmal ein ausgebildetes Ballet besitzt, auch die Oper
dasselbe zu verwerthen sucht. Wir würden z. B., wenn im Uebrigen im Pro¬
pheten oder in den Hugenotten eine solide Musik wäre, uns durch die eingestreu¬
ten Ballette nicht stören lassen; wir würden höchstens unsre kleinen Theater auf¬
fordern, uns mit dergleichen Sprüngen zu verschonen. Was Wagner in der Kunst


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[0306] wirst, weil er verschiedene Componisten anerkennt, von denen doch jeder seine eigene Schule hat, die nach Herzenslust die Nebenbuhler ihres Meisters verketzert,, so muß er darauf erwidern, daß es gerade sein Stolz ist, keiner von diesen Cli¬ quen anzugehören, sondern, das Schöne hervorzuheben uno das Verkehrte aum-^ greifen, wo er es findet. Was den zweiten Vorwurf betrifft, so haben wir das Gegentheil von dem gethan, dessen wir beschuldigt werde»; wir haben Wagner uicht den Regierungen als Demokraten denuncirt, sondern wir haben ihn, der von seinen ungeschickten Anhängern in demokratischen Blättern als ein Opfer ihrer Sache ausgerufen wird, und der sich selbst einredet, die Principien Feuerbach's auf die Musik zu übertragen, als einen eingefleischter Arist o traten denuncirt. Aristokratisch ist seine Musik sowol darum, weil sie ganz wie die Meyerbeer'sche, mit der wir sie in dieser Beziehung in Parallele gestellt haben, zu ihrer Ausführung die Mit¬ tel einer Weltstadt erfordert, als auch darum, daß zu ihrem Verständniß eine tiefere musikalische Bildung gehört, weil er entweder aus Absicht, oder ans einem Mangel an Fähigkeit es verschmäht, durch Melodien und dergleichen, welche ins Ohr fallen und das einzige Mittel sind, die Musik mit der Demokratie, d. d- enn der Masse, zu vermitteln, das Publicum mit sich fortzureißen. Wir sind im Gegentheil als Vertreter der gemäßigten Demokratie gegen den aristokratischen Hochmuth der musikalischen Priesterschaft aufgetreten, und haben eine gewisse Berücksichtigung des großem Publicums als ein Recht dem Künstler gegenüber in Anspruch genommen, weil die Musik nach unsrer Ueberzeugung nicht blos für die Musiker ist. Wir haben nachgewiesen, daß seine Theorie und die demvkra- tistrenden Phrasen derselben mit seiner Praxis in einem schreienden Widerspruch stehen, und zwar zum Heil der letztern, denn die Theorie ist absurd. Wenn man nus zumuthet, daß wir begreisen sollen, was die neue Tanzkunst, die der heutigen Tanzkunst entgegengesetzt sein soll, und was die neue Malerei, die nicht auf „be¬ pinselte Leinwand" herauskommt, eigentlich heißen soll, so können wir uns dieser Zumuthung nicht unterziehe», eben so wenig, als wir begreifen, was Feuerbach's Wesen des Christenthums mit der Musik zu thun hat, da die heftigen Angriffe desselben gegen den bestehenden Glauben unsres Wissens den Generalbaß noch nicht erschüttert haben; oder daß die Mitwirkung der Tanzkunst zum vollendeten Kunstwerk erforderlich sei, da wir Don Juan, Fidelio, Figaro, den Barbier ^. für vollkommen befriedigende Kunstwerke halten, obgleich in denselben kein Ballet vorkommt; so wie wir es beiläufig für kein großes Unglück halten, wenn in einer Hauptstadt, die einmal ein ausgebildetes Ballet besitzt, auch die Oper dasselbe zu verwerthen sucht. Wir würden z. B., wenn im Uebrigen im Pro¬ pheten oder in den Hugenotten eine solide Musik wäre, uns durch die eingestreu¬ ten Ballette nicht stören lassen; wir würden höchstens unsre kleinen Theater auf¬ fordern, uns mit dergleichen Sprüngen zu verschonen. Was Wagner in der Kunst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/306>, abgerufen am 29.04.2024.