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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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suchte das Seltsame zu häufen, mochte es zusammenpassen oder nicht, und an
eiuen bestimmten Plan der Anlagen war nicht zu denken. Daher überall die
regelmäßigen Grotten von Tuffsteinen oder Schlacken, mit natürlichen und künst-
lichen Muscheln, seltsamen Figuren und Ungeheuern; die Steinhaufen und
Schueckcuberge, welche den stolzen Namen Paruassus oder Olympus führten; die
ganzen Götter des Alterthums, Nymphen, Schäfer, Schäferinnen mit Herden
von Holz, Stein oder Metall, welche Wasser speien und sich drehen mußten; die
Darstellung des Himmels und der Holle; die überall angebrachten Vexirwasser, -
wo das Wasser aus dem Fußboden, von der Decke, aus den Wänden, Thür¬
griffen u. s. w. auf die erschrockene" Besucher spritzte; die Thiere aus Buchsbaum,
Taxus und Fichten; die Labyrinthe, kurz alle die berüchtigten Spielereien. So
stand es bis zum Zeitalter Ludwig XIV.

Als der glänzende König den Ban vou Versailles 1680 vollendet hatte,
wollte er Gärten, die an Pracht alle bestehenden übertreffen sollten. Dazu wurde
ihm der Architekt Le Notre, empfohlen, welcher den Garten des Vicomte L c
Vaux bei Melun nach einem großartigen, durch geometrische Genauigkeit und
regelmäßige Schönheit ausgezeichneten Plane angelegt hatte. Le Notre löste
die neue Aufgabe zur Zufriedenheit des Königs und zur Bewunderung der
Welt, und mit der Anlage von Versailles war der neue Styl der sogenannte"
französischen Gärten geschaffen. Le Notre legte darauf viele neue Gärten
an, veränderte die bestehenden nach seiner Weise, und dehnte seine Wirksamkeit
fast über ganz Europa ans, indem er Pläne entwarf und zum Theil selbst aus¬
führtet)

Im Grunde waren die neuen französischen Garde" nichts Anderes als ver¬
vollkommnete italienische oder römische, mit größerer architektonischer Regelmäßigkeit
und in größeren: Maßstabe. Dem mit dem 'edlern italienischen Styl wenig
bekannten Norden erschienen Le Notre's Schöpfungen freilich völlig neu. Sie
sind wahre Städte von Land und Grün, bis auf die Salons und Zimmer der
Gebäude nachgeahmt. Die offenen Parterre stellten freie Plätze, die Alleen und
die von Hecken eingefaßten Wege, so wie die Canäle Straßen vor. Die Ael)"-
lichkeit mit Gebäuden wurde durch Thore, Triumphbogen, Kuppeln, Thürme, Fenster¬
öffnungen und offene Hallen hervorgebracht. Andere Abtheilungen eines solchen Gar¬
tens hatten große regelmäßige Baumpflanzungen (architektonische Haine), oder bestan¬
den a"s natürlichem Wald, von Alleen durchschnitte" und durch regelmäßige Platze,



*) Seine wichtigsten Werke sind: der Garten des Prinzen Conto in Chantilly, die kö¬
niglichen Gärten von Marly (wo die Wasserwerke, welche Marly und Versailles durch de"
großen Aquäduct versehe", allem 8 Millionen Franken kosteten) Meudon, Saint C tout.
Sceaux. die Champs Elyseös, die Villa Pamfili und Lndovi si bei Rom, Green-
wich, JameSvark und Hamptvneo urd in England, Aranjuez nud die Gärten deS,
Escurial in Spanien, der An garder bei Kassel und wahrscheinlich mehrere andere Gärten
in Deutschland, so wie ein Garten bei Stockholm.

suchte das Seltsame zu häufen, mochte es zusammenpassen oder nicht, und an
eiuen bestimmten Plan der Anlagen war nicht zu denken. Daher überall die
regelmäßigen Grotten von Tuffsteinen oder Schlacken, mit natürlichen und künst-
lichen Muscheln, seltsamen Figuren und Ungeheuern; die Steinhaufen und
Schueckcuberge, welche den stolzen Namen Paruassus oder Olympus führten; die
ganzen Götter des Alterthums, Nymphen, Schäfer, Schäferinnen mit Herden
von Holz, Stein oder Metall, welche Wasser speien und sich drehen mußten; die
Darstellung des Himmels und der Holle; die überall angebrachten Vexirwasser, -
wo das Wasser aus dem Fußboden, von der Decke, aus den Wänden, Thür¬
griffen u. s. w. auf die erschrockene» Besucher spritzte; die Thiere aus Buchsbaum,
Taxus und Fichten; die Labyrinthe, kurz alle die berüchtigten Spielereien. So
stand es bis zum Zeitalter Ludwig XIV.

Als der glänzende König den Ban vou Versailles 1680 vollendet hatte,
wollte er Gärten, die an Pracht alle bestehenden übertreffen sollten. Dazu wurde
ihm der Architekt Le Notre, empfohlen, welcher den Garten des Vicomte L c
Vaux bei Melun nach einem großartigen, durch geometrische Genauigkeit und
regelmäßige Schönheit ausgezeichneten Plane angelegt hatte. Le Notre löste
die neue Aufgabe zur Zufriedenheit des Königs und zur Bewunderung der
Welt, und mit der Anlage von Versailles war der neue Styl der sogenannte»
französischen Gärten geschaffen. Le Notre legte darauf viele neue Gärten
an, veränderte die bestehenden nach seiner Weise, und dehnte seine Wirksamkeit
fast über ganz Europa ans, indem er Pläne entwarf und zum Theil selbst aus¬
führtet)

Im Grunde waren die neuen französischen Garde» nichts Anderes als ver¬
vollkommnete italienische oder römische, mit größerer architektonischer Regelmäßigkeit
und in größeren: Maßstabe. Dem mit dem 'edlern italienischen Styl wenig
bekannten Norden erschienen Le Notre's Schöpfungen freilich völlig neu. Sie
sind wahre Städte von Land und Grün, bis auf die Salons und Zimmer der
Gebäude nachgeahmt. Die offenen Parterre stellten freie Plätze, die Alleen und
die von Hecken eingefaßten Wege, so wie die Canäle Straßen vor. Die Ael)»-
lichkeit mit Gebäuden wurde durch Thore, Triumphbogen, Kuppeln, Thürme, Fenster¬
öffnungen und offene Hallen hervorgebracht. Andere Abtheilungen eines solchen Gar¬
tens hatten große regelmäßige Baumpflanzungen (architektonische Haine), oder bestan¬
den a»s natürlichem Wald, von Alleen durchschnitte» und durch regelmäßige Platze,



*) Seine wichtigsten Werke sind: der Garten des Prinzen Conto in Chantilly, die kö¬
niglichen Gärten von Marly (wo die Wasserwerke, welche Marly und Versailles durch de»
großen Aquäduct versehe», allem 8 Millionen Franken kosteten) Meudon, Saint C tout.
Sceaux. die Champs Elyseös, die Villa Pamfili und Lndovi si bei Rom, Green-
wich, JameSvark und Hamptvneo urd in England, Aranjuez nud die Gärten deS,
Escurial in Spanien, der An garder bei Kassel und wahrscheinlich mehrere andere Gärten
in Deutschland, so wie ein Garten bei Stockholm.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/330>, abgerufen am 07.05.2024.