Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.stitution und seinen Eid ehrlich zu nehmen, keinen Ausweg nennt. Wenn Louis Buo¬ Louis Buonaparte scheint aber doch nicht zu viel Vertrauen in seine Popularität stitution und seinen Eid ehrlich zu nehmen, keinen Ausweg nennt. Wenn Louis Buo¬ Louis Buonaparte scheint aber doch nicht zu viel Vertrauen in seine Popularität <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281099"/> <p xml:id="ID_1367" prev="#ID_1366"> stitution und seinen Eid ehrlich zu nehmen, keinen Ausweg nennt. Wenn Louis Buo¬<lb/> naparte bleiben wollte, mußte er sich mit Gewalt in seiner Stellung behaupten: dies<lb/> ist die Entschuldigung, die seine Anhänger vorzubringen haben. Mit anderen Worten<lb/> heißt das: Louis Bnonaparte, der im Jahre 1848 von sechs Millionen gewählt<lb/> wurde, hat so weise regiert, er hat trotz Unterdrückung der republikanischen Presse, trotz<lb/> der Propaganda seiner süufhundcrttauscnd Beamten solche Fortschritte in der Gunst<lb/> des Landes gemacht, daß er nicht minder gewählt worden wäre. Ja, er wäre wieder<lb/> gewählt worden, allein die Konstitution hätte diese Wiedererwählung verboten, und<lb/> Louis Buonaparte ersparte dem Volke einen Staatsstreich gegen die Konstitution, indem<lb/> er ihn selber machte. Das ist tout bonnkinönt eine Lüge, denn einmal war das letzte<lb/> Wort über die Revision nicht gesprochen, und seit Louis Buonaparte das allgemeine Stimm¬<lb/> recht herzustellen versprach, hat sich ein Theil der gemäßigten Republikaner der Revision<lb/> nicht unbedingt feindselig gezeigt, und von den Mitgliedern der Rechten war es be¬<lb/> kannt, daß sie nur zu geneigt gewesen wären, mit dem Presidenten Frieden zu machen.<lb/> Setzen wir aber auch den Fall, daß die Revision nicht durchgegangen wäre, so blieb<lb/> der Aufruf an die Urne noch immer unbenommen, und wenn sich die alten UrWähler wieder<lb/> eingefunden hätten, so würde auch Niemand eingefallen sein, die Revision des H.<lb/> in der Urne zu beanstanden, vorausgesetzt, daß das Volk wirklich dieselbe im Sinne<lb/> gehabt hätte, und zur Durchführung bringen wollte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1368" next="#ID_1369"> Louis Buonaparte scheint aber doch nicht zu viel Vertrauen in seine Popularität<lb/> gesetzt zu haben, und er zog es vor, sich zuerst die Gewalt zu sichern und erst später,<lb/> wenn der Belagerungszustand und die Wirthschaft der Ausnahmegesetze seine Gegner<lb/> stumm gemacht oder aus dem Wege geräumt haben wird, an Wicdercrwerbung seiner<lb/> Popularität zu denken. Wir haben Barricadcn gehabt, wir haben noch einzelne Auf¬<lb/> stände in den Provinzen, kein Mensch ist zufrieden, selbst die hohe Börse nicht, trotz ihres<lb/> lügenhaften Vertrauens, das ihr va bsnyug sein soll, die Bourgeoisie nicht, weil sie fühlt,<lb/> daß der große Handel unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo Alles, was Frank¬<lb/> reich an Notabilitäten-besitzt, alle hohen Klassen tief niedergedrückt sind und das C«<<lb/> pital eben nicht viel Veranlassung hat, sich viel zu zeigen, kaum zu sich kommen könne.<lb/> Die Stabilitätsfrcunde sehen im Staatsstreiche nur einen Anfang einer neuen Revolu¬<lb/> tion und die Ncvolutiouairc die Unterdrückung und Beschämung der Revolution zu Gun¬<lb/> sten einer das Land entehrenden Militairconspiration. Es giebt keine Partei, keine<lb/> Klasse in Frankreich, welche sich diesem Zustande der Dinge ganz anschlösse, und selbst<lb/> von der Armee läßt sich das nicht mit Zuversicht behaupten. Es wird sich nicht immer<lb/> um eine Ueberraschung handeln, die Soldaten werden zu sich kommen, und Louis Buo¬<lb/> naparte, der sie alle braucht, wird ihnen den Rhein schwerlich zu erobern geben, ob¬<lb/> gleich man jetzt schon derlei kaiserliche Kriegsgelüste des zehnjährigen Konsuls und des<lb/> künftigen Imperators auszusprengen sucht. Die socialistischen Reformen, welche Louis<lb/> Buonaparte dem Arbeiterthume durch dessen Vertreter in höchst eigener Person verspro¬<lb/> chen hat — einige Tage vor Ausführung des Staatsstreiches müssen an seiner noth¬<lb/> wendigen Freundschaft mit dem Ultramontanismus und mit der hohen Finanz scheitern-<lb/> Die Wahlen werden kaum vorüber und das unfehlbare Resultat kaum bekannt<lb/> sein, als Frankreich bereits mit einer neuen Stcucrzulage sich überrascht sehen muß,<lb/> Der Präsident wird den Dornenpfad der i-8 Centimes betreten, wie die provisorische<lb/> Regierung auch, er wird es blos langsamer machen und verschiedene Male anklopfen.<lb/> Nichts Schlimmeres hätte Frankreich widerfahren können, in keinem Falle, selbst ti<lb/> rothe Republik wäre nicht mit solchem Gewaltstreiche aufgetreten, als mir jetzt zu er¬<lb/> tragen haben und noch in Aussicht gestellt wissen. Die rothe Republik hat keine Wurzel<lb/> im Lande, ein jeder hätte sich selber vertheidigt, und man würde in den ersten Pa»<lb/> Stunden gesehen haben, daß die theoretischen Epigonen von 1793 tu bedeutungslos<lb/> Minorität sich befinden. Und nun fragt man, was denn sonst für ein Ausweg vor¬<lb/> handen gewesen? Hätten sich im gegebenen Augenblicke nicht alle ehrlich gesinnten Männer</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
stitution und seinen Eid ehrlich zu nehmen, keinen Ausweg nennt. Wenn Louis Buo¬
naparte bleiben wollte, mußte er sich mit Gewalt in seiner Stellung behaupten: dies
ist die Entschuldigung, die seine Anhänger vorzubringen haben. Mit anderen Worten
heißt das: Louis Bnonaparte, der im Jahre 1848 von sechs Millionen gewählt
wurde, hat so weise regiert, er hat trotz Unterdrückung der republikanischen Presse, trotz
der Propaganda seiner süufhundcrttauscnd Beamten solche Fortschritte in der Gunst
des Landes gemacht, daß er nicht minder gewählt worden wäre. Ja, er wäre wieder
gewählt worden, allein die Konstitution hätte diese Wiedererwählung verboten, und
Louis Buonaparte ersparte dem Volke einen Staatsstreich gegen die Konstitution, indem
er ihn selber machte. Das ist tout bonnkinönt eine Lüge, denn einmal war das letzte
Wort über die Revision nicht gesprochen, und seit Louis Buonaparte das allgemeine Stimm¬
recht herzustellen versprach, hat sich ein Theil der gemäßigten Republikaner der Revision
nicht unbedingt feindselig gezeigt, und von den Mitgliedern der Rechten war es be¬
kannt, daß sie nur zu geneigt gewesen wären, mit dem Presidenten Frieden zu machen.
Setzen wir aber auch den Fall, daß die Revision nicht durchgegangen wäre, so blieb
der Aufruf an die Urne noch immer unbenommen, und wenn sich die alten UrWähler wieder
eingefunden hätten, so würde auch Niemand eingefallen sein, die Revision des H.
in der Urne zu beanstanden, vorausgesetzt, daß das Volk wirklich dieselbe im Sinne
gehabt hätte, und zur Durchführung bringen wollte.
Louis Buonaparte scheint aber doch nicht zu viel Vertrauen in seine Popularität
gesetzt zu haben, und er zog es vor, sich zuerst die Gewalt zu sichern und erst später,
wenn der Belagerungszustand und die Wirthschaft der Ausnahmegesetze seine Gegner
stumm gemacht oder aus dem Wege geräumt haben wird, an Wicdercrwerbung seiner
Popularität zu denken. Wir haben Barricadcn gehabt, wir haben noch einzelne Auf¬
stände in den Provinzen, kein Mensch ist zufrieden, selbst die hohe Börse nicht, trotz ihres
lügenhaften Vertrauens, das ihr va bsnyug sein soll, die Bourgeoisie nicht, weil sie fühlt,
daß der große Handel unter den gegenwärtigen Verhältnissen, wo Alles, was Frank¬
reich an Notabilitäten-besitzt, alle hohen Klassen tief niedergedrückt sind und das C«<
pital eben nicht viel Veranlassung hat, sich viel zu zeigen, kaum zu sich kommen könne.
Die Stabilitätsfrcunde sehen im Staatsstreiche nur einen Anfang einer neuen Revolu¬
tion und die Ncvolutiouairc die Unterdrückung und Beschämung der Revolution zu Gun¬
sten einer das Land entehrenden Militairconspiration. Es giebt keine Partei, keine
Klasse in Frankreich, welche sich diesem Zustande der Dinge ganz anschlösse, und selbst
von der Armee läßt sich das nicht mit Zuversicht behaupten. Es wird sich nicht immer
um eine Ueberraschung handeln, die Soldaten werden zu sich kommen, und Louis Buo¬
naparte, der sie alle braucht, wird ihnen den Rhein schwerlich zu erobern geben, ob¬
gleich man jetzt schon derlei kaiserliche Kriegsgelüste des zehnjährigen Konsuls und des
künftigen Imperators auszusprengen sucht. Die socialistischen Reformen, welche Louis
Buonaparte dem Arbeiterthume durch dessen Vertreter in höchst eigener Person verspro¬
chen hat — einige Tage vor Ausführung des Staatsstreiches müssen an seiner noth¬
wendigen Freundschaft mit dem Ultramontanismus und mit der hohen Finanz scheitern-
Die Wahlen werden kaum vorüber und das unfehlbare Resultat kaum bekannt
sein, als Frankreich bereits mit einer neuen Stcucrzulage sich überrascht sehen muß,
Der Präsident wird den Dornenpfad der i-8 Centimes betreten, wie die provisorische
Regierung auch, er wird es blos langsamer machen und verschiedene Male anklopfen.
Nichts Schlimmeres hätte Frankreich widerfahren können, in keinem Falle, selbst ti
rothe Republik wäre nicht mit solchem Gewaltstreiche aufgetreten, als mir jetzt zu er¬
tragen haben und noch in Aussicht gestellt wissen. Die rothe Republik hat keine Wurzel
im Lande, ein jeder hätte sich selber vertheidigt, und man würde in den ersten Pa»
Stunden gesehen haben, daß die theoretischen Epigonen von 1793 tu bedeutungslos
Minorität sich befinden. Und nun fragt man, was denn sonst für ein Ausweg vor¬
handen gewesen? Hätten sich im gegebenen Augenblicke nicht alle ehrlich gesinnten Männer
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