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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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Söhne Albions einen Geistlichen der Episcopalkirche bestellt, -- dieselbe Hand
verschreibt auch auf den Wunsch dieser frommen Gäste die Priesterinnen der
Venus Vnlgivaga. Alle heiligen und profanen Mittel werden mit gleicher Bereit¬
willigkeit in Thätigkeit gesetzt, wenn sie nur zur Forderung des großen Zweckes,
>n in"K<z more^, geeignet sind. Alle vermeintlichen oder angebliche" Opfer sind
nichts Anderes, als wohlberechnete Anlage werdender Capitalien zu möglichst
hohen Zinsen. Um ihren Vortheil noch besser und bequemer wahrnehmen zu
können, haben sich die Herren Blanc in neueren Zeiten hinter die Firma einer
angeblichen Actiengesellschaft zurückgezogen, welche das Publicum, weil man über den
Personalstand derselben nichts Näheres erfährt, die "anonyme Gesellschaft" nennt.

Um sich einen Begriff von dem Leben und Treiben in Homburg zu machen,
welches selbst in der Winterzeit ein belebteres Bild darbietet, als viele namhafte
Bäder während der Sommer-Saison, mag es genügen, auf die erstaunliche Fre¬
quenz des Verkehrs mit Frankfurt hinzuweisen, dessen Vorstadt Homburg gewisser¬
maßen geworden ist. Von Homburg mich Bonamös, zum Anschluß an die Main-
Weser-Bahn nach und vou Frankfurt, fahren täglich viermal, beziehungsweise
achtmal Omnibus. Als diese Fahrten zuerst eingerichtet wurden, mußten die
Herren Blaue deu Omnibusbesitzern eine gewisse tägliche Einnahme garantiren;
bald aber erwies sich diese Garantie als überflüssig. Vielmehr erzeugte das Be¬
dürfniß noch weitere Communicationsmittel. Die directen täglichen Postfahrten
zwischen Frankfurt und Homburg mußten bis anf sechs (resp, zwölf) vermehrt
werden, und außerdem findet eine eben so häufige directe Omnibnsfahrt zwischen
beiden genannten Orten auch noch ihre Rechnung. Ja die Spielpächter gehen
jetzt fogar ernstlich mit dem Plane um, eine Zweigbahn nach Bonamös zu bauen,
und halten dies für um so nöthiger, da auch Soden durch einen Schienenweg
mit Frankfurt verbunden ist. Es freut fast, daß mau im Cursaal fast nur Eng¬
lisch und Französisch sprechen Hort, selbst von Deutschen. Schämen diese sich ihrer
Muttersprache, wie das deutsche Volk sich ihrer schämt? Auch legt sich in Hom¬
burg Alles, nicht blos die sogenannten gebildeten Stände, sondern auch die Gewerb-
treibenden, mit großem Eifer auf Erlernung dieser fremden Sprachen, um den
reichen Fremdlingen ihre Goldvvgcl desto bequemer ablocken zu können. Daher
lassen viele speculative Aeltern ihre Kinder in den benachbarte", von religions¬
flüchtigen Waldensern und Franzosen angelegten Kolonien Dornholzhausen
und Friedrichsdorf eine Zeit lang conditionircn, damit sie dnrch Umgang
Fertigkeit im Französtschsprechcn sich aneignen.

Bei dem einstmaligen Tode des jetzt regierenden Landgrafen fällt Homburg
an Darmstadt zurück, uuter dessen Hoheit es schon von 1806 bis 1816 dnrch
Napoleon gestellt war. Alsdann wird die Karte von Deutschland eine Farbe
weniger auszuweisen haben. Ob wir aber darum der ersehnten Einheit Deutsch¬
lands und der Aufhebung der Spielbanken näher gerückt sein werden?!




Söhne Albions einen Geistlichen der Episcopalkirche bestellt, — dieselbe Hand
verschreibt auch auf den Wunsch dieser frommen Gäste die Priesterinnen der
Venus Vnlgivaga. Alle heiligen und profanen Mittel werden mit gleicher Bereit¬
willigkeit in Thätigkeit gesetzt, wenn sie nur zur Forderung des großen Zweckes,
>n in»K<z more^, geeignet sind. Alle vermeintlichen oder angebliche» Opfer sind
nichts Anderes, als wohlberechnete Anlage werdender Capitalien zu möglichst
hohen Zinsen. Um ihren Vortheil noch besser und bequemer wahrnehmen zu
können, haben sich die Herren Blanc in neueren Zeiten hinter die Firma einer
angeblichen Actiengesellschaft zurückgezogen, welche das Publicum, weil man über den
Personalstand derselben nichts Näheres erfährt, die „anonyme Gesellschaft" nennt.

Um sich einen Begriff von dem Leben und Treiben in Homburg zu machen,
welches selbst in der Winterzeit ein belebteres Bild darbietet, als viele namhafte
Bäder während der Sommer-Saison, mag es genügen, auf die erstaunliche Fre¬
quenz des Verkehrs mit Frankfurt hinzuweisen, dessen Vorstadt Homburg gewisser¬
maßen geworden ist. Von Homburg mich Bonamös, zum Anschluß an die Main-
Weser-Bahn nach und vou Frankfurt, fahren täglich viermal, beziehungsweise
achtmal Omnibus. Als diese Fahrten zuerst eingerichtet wurden, mußten die
Herren Blaue deu Omnibusbesitzern eine gewisse tägliche Einnahme garantiren;
bald aber erwies sich diese Garantie als überflüssig. Vielmehr erzeugte das Be¬
dürfniß noch weitere Communicationsmittel. Die directen täglichen Postfahrten
zwischen Frankfurt und Homburg mußten bis anf sechs (resp, zwölf) vermehrt
werden, und außerdem findet eine eben so häufige directe Omnibnsfahrt zwischen
beiden genannten Orten auch noch ihre Rechnung. Ja die Spielpächter gehen
jetzt fogar ernstlich mit dem Plane um, eine Zweigbahn nach Bonamös zu bauen,
und halten dies für um so nöthiger, da auch Soden durch einen Schienenweg
mit Frankfurt verbunden ist. Es freut fast, daß mau im Cursaal fast nur Eng¬
lisch und Französisch sprechen Hort, selbst von Deutschen. Schämen diese sich ihrer
Muttersprache, wie das deutsche Volk sich ihrer schämt? Auch legt sich in Hom¬
burg Alles, nicht blos die sogenannten gebildeten Stände, sondern auch die Gewerb-
treibenden, mit großem Eifer auf Erlernung dieser fremden Sprachen, um den
reichen Fremdlingen ihre Goldvvgcl desto bequemer ablocken zu können. Daher
lassen viele speculative Aeltern ihre Kinder in den benachbarte», von religions¬
flüchtigen Waldensern und Franzosen angelegten Kolonien Dornholzhausen
und Friedrichsdorf eine Zeit lang conditionircn, damit sie dnrch Umgang
Fertigkeit im Französtschsprechcn sich aneignen.

Bei dem einstmaligen Tode des jetzt regierenden Landgrafen fällt Homburg
an Darmstadt zurück, uuter dessen Hoheit es schon von 1806 bis 1816 dnrch
Napoleon gestellt war. Alsdann wird die Karte von Deutschland eine Farbe
weniger auszuweisen haben. Ob wir aber darum der ersehnten Einheit Deutsch¬
lands und der Aufhebung der Spielbanken näher gerückt sein werden?!




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[0510] Söhne Albions einen Geistlichen der Episcopalkirche bestellt, — dieselbe Hand verschreibt auch auf den Wunsch dieser frommen Gäste die Priesterinnen der Venus Vnlgivaga. Alle heiligen und profanen Mittel werden mit gleicher Bereit¬ willigkeit in Thätigkeit gesetzt, wenn sie nur zur Forderung des großen Zweckes, >n in»K<z more^, geeignet sind. Alle vermeintlichen oder angebliche» Opfer sind nichts Anderes, als wohlberechnete Anlage werdender Capitalien zu möglichst hohen Zinsen. Um ihren Vortheil noch besser und bequemer wahrnehmen zu können, haben sich die Herren Blanc in neueren Zeiten hinter die Firma einer angeblichen Actiengesellschaft zurückgezogen, welche das Publicum, weil man über den Personalstand derselben nichts Näheres erfährt, die „anonyme Gesellschaft" nennt. Um sich einen Begriff von dem Leben und Treiben in Homburg zu machen, welches selbst in der Winterzeit ein belebteres Bild darbietet, als viele namhafte Bäder während der Sommer-Saison, mag es genügen, auf die erstaunliche Fre¬ quenz des Verkehrs mit Frankfurt hinzuweisen, dessen Vorstadt Homburg gewisser¬ maßen geworden ist. Von Homburg mich Bonamös, zum Anschluß an die Main- Weser-Bahn nach und vou Frankfurt, fahren täglich viermal, beziehungsweise achtmal Omnibus. Als diese Fahrten zuerst eingerichtet wurden, mußten die Herren Blaue deu Omnibusbesitzern eine gewisse tägliche Einnahme garantiren; bald aber erwies sich diese Garantie als überflüssig. Vielmehr erzeugte das Be¬ dürfniß noch weitere Communicationsmittel. Die directen täglichen Postfahrten zwischen Frankfurt und Homburg mußten bis anf sechs (resp, zwölf) vermehrt werden, und außerdem findet eine eben so häufige directe Omnibnsfahrt zwischen beiden genannten Orten auch noch ihre Rechnung. Ja die Spielpächter gehen jetzt fogar ernstlich mit dem Plane um, eine Zweigbahn nach Bonamös zu bauen, und halten dies für um so nöthiger, da auch Soden durch einen Schienenweg mit Frankfurt verbunden ist. Es freut fast, daß mau im Cursaal fast nur Eng¬ lisch und Französisch sprechen Hort, selbst von Deutschen. Schämen diese sich ihrer Muttersprache, wie das deutsche Volk sich ihrer schämt? Auch legt sich in Hom¬ burg Alles, nicht blos die sogenannten gebildeten Stände, sondern auch die Gewerb- treibenden, mit großem Eifer auf Erlernung dieser fremden Sprachen, um den reichen Fremdlingen ihre Goldvvgcl desto bequemer ablocken zu können. Daher lassen viele speculative Aeltern ihre Kinder in den benachbarte», von religions¬ flüchtigen Waldensern und Franzosen angelegten Kolonien Dornholzhausen und Friedrichsdorf eine Zeit lang conditionircn, damit sie dnrch Umgang Fertigkeit im Französtschsprechcn sich aneignen. Bei dem einstmaligen Tode des jetzt regierenden Landgrafen fällt Homburg an Darmstadt zurück, uuter dessen Hoheit es schon von 1806 bis 1816 dnrch Napoleon gestellt war. Alsdann wird die Karte von Deutschland eine Farbe weniger auszuweisen haben. Ob wir aber darum der ersehnten Einheit Deutsch¬ lands und der Aufhebung der Spielbanken näher gerückt sein werden?!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/510>, abgerufen am 29.04.2024.