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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band.

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strahlte von Juwelen und Edelsteinen. Es war von weiblichem Geschlecht, und wegen
seines blendenden Glanzes und seiner unglaublichen Schnelligkeit Al Borak oder der
Blitz genannt.

Mohammed wollte diese übernatürliche Stute besteigen, als er aber die Hand darnach
ausstreckte, wich sie zurück und bäumte sich.

"Sei still, Borak," sagte Gabriel, "ehre den Propheten Gottes; noch nie bist du
von einem Sterblichen bestiegen worden, den Allah höher ehrte."

"O Gabriel/' antwortete Al Bornk, der wunderbarer Weise mit der Kraft der
Rede begabt war, "hat mich nicht vor Alters Abraham, der Freund Gottes, bestiegen,
als er seinen Sohn Ismael besuchte? o Gabriel, ist dies nicht der Vermittler, der Ur¬
heber des Glaubens?"

"So ist es, Borak, dies ist Mohammed Ihr Abdallah, aus einem der Stämme des
glücklichen Arabiens, und ein Mann von wahrem Glauben. Er ist der Erste der Sohne
Adams, der Größte der göttlichen Gesandten, das Siegel der Propheten. Alle Geschöpfe
müssen seine Vermittelung erlangen, ehe sie in das Paradies treten können; zu seiner
Rechten ist der Himmel als Belohnung Derjenigen, welche an ihn glauben; zu seiner
Linke" ist das Feuer der Dscheheunam, in welches Alle, welche sich seinen Lehren wider¬
ten, geworfen werden sollen."

"O Gabriel,".flehte Al Borak, "bei dem Glauben, der zwischen Dir und ihm ist,
bewege ihn am Tage der Auferstehung, für mich zu bitten."

"Sei überzeugt, Borak," rief Mohammed, "daß Du durch meine Vermittelung in
das Paradies kommen wirst."

Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sich ihm auch das Pferd näherte
"ud ihn aufsteigen ließ, worauf es sich, mit Mohammed auf seinem Rücken, hoch über
die Berge von Mekka emporschwang.

Als sie wie der Blitz zwischen dem Himmel und der Erde dahinsuhrcn, rief Ga-
°riet laut: "Halt''ein, o Mohammed, steige zur Erde herab und sprich das Gebet mit
be" zwei Verbeugungen."

Sie stiegen zur Erde nieder, und nachdem Mohammed das Gebet gesprochen, sagte er:

"O Freund und Geliebter meiner Seele, warum gebietest Du mir an diesem Orte
Zu beten?"

"Weil es der Berg Sinai ist, aus welchem Gott mit Moses gesprochen hat."

Wieder emporschwebend flogen sie von Neuem schnell zwischen Himmel und Erde
v'">. bis Gabriel zum zweiten Male rief:

"Halt an, Mohammed, steige ab, und sprich das Gebet mit zwei Verbeugungen."

Sie stiegen herab, Mohammed betete und fragte wieder:

"Warum hast Du mir geboten, an diesem Orte zu beten?"

"Weil es Bethlehem ist, wo Jesus, der Sohn Maria's, geboren wurde."

Sie setzten ihren Flug durch die Luft fort, bis eine Stimme zur Rechten ver¬
nehmbar wurde und rief:

..O Mohammed, verweile einen Augenblick, damit ich mit Dir sprechen kann; von
^e>l erschaffenen Wesen bin ich Dir am Meisten ergeben."

^ Aber Borak eilte vorwärts, und Mohammed enthielt sich zu säumen, denn er fühlte,
es nicht ihm zustand, seinem Lause Einhalt zu thun, sondern Gott dem Allmächtigen
""° Herrlichen.


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strahlte von Juwelen und Edelsteinen. Es war von weiblichem Geschlecht, und wegen
seines blendenden Glanzes und seiner unglaublichen Schnelligkeit Al Borak oder der
Blitz genannt.

Mohammed wollte diese übernatürliche Stute besteigen, als er aber die Hand darnach
ausstreckte, wich sie zurück und bäumte sich.

„Sei still, Borak," sagte Gabriel, „ehre den Propheten Gottes; noch nie bist du
von einem Sterblichen bestiegen worden, den Allah höher ehrte."

„O Gabriel/' antwortete Al Bornk, der wunderbarer Weise mit der Kraft der
Rede begabt war, „hat mich nicht vor Alters Abraham, der Freund Gottes, bestiegen,
als er seinen Sohn Ismael besuchte? o Gabriel, ist dies nicht der Vermittler, der Ur¬
heber des Glaubens?"

„So ist es, Borak, dies ist Mohammed Ihr Abdallah, aus einem der Stämme des
glücklichen Arabiens, und ein Mann von wahrem Glauben. Er ist der Erste der Sohne
Adams, der Größte der göttlichen Gesandten, das Siegel der Propheten. Alle Geschöpfe
müssen seine Vermittelung erlangen, ehe sie in das Paradies treten können; zu seiner
Rechten ist der Himmel als Belohnung Derjenigen, welche an ihn glauben; zu seiner
Linke» ist das Feuer der Dscheheunam, in welches Alle, welche sich seinen Lehren wider¬
ten, geworfen werden sollen."

„O Gabriel,".flehte Al Borak, „bei dem Glauben, der zwischen Dir und ihm ist,
bewege ihn am Tage der Auferstehung, für mich zu bitten."

„Sei überzeugt, Borak," rief Mohammed, „daß Du durch meine Vermittelung in
das Paradies kommen wirst."

Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als sich ihm auch das Pferd näherte
"ud ihn aufsteigen ließ, worauf es sich, mit Mohammed auf seinem Rücken, hoch über
die Berge von Mekka emporschwang.

Als sie wie der Blitz zwischen dem Himmel und der Erde dahinsuhrcn, rief Ga-
°riet laut: „Halt''ein, o Mohammed, steige zur Erde herab und sprich das Gebet mit
be» zwei Verbeugungen."

Sie stiegen zur Erde nieder, und nachdem Mohammed das Gebet gesprochen, sagte er:

"O Freund und Geliebter meiner Seele, warum gebietest Du mir an diesem Orte
Zu beten?"

„Weil es der Berg Sinai ist, aus welchem Gott mit Moses gesprochen hat."

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"Halt an, Mohammed, steige ab, und sprich das Gebet mit zwei Verbeugungen."

Sie stiegen herab, Mohammed betete und fragte wieder:

»Warum hast Du mir geboten, an diesem Orte zu beten?"

"Weil es Bethlehem ist, wo Jesus, der Sohn Maria's, geboren wurde."

Sie setzten ihren Flug durch die Luft fort, bis eine Stimme zur Rechten ver¬
nehmbar wurde und rief:

..O Mohammed, verweile einen Augenblick, damit ich mit Dir sprechen kann; von
^e>l erschaffenen Wesen bin ich Dir am Meisten ergeben."

^ Aber Borak eilte vorwärts, und Mohammed enthielt sich zu säumen, denn er fühlte,
es nicht ihm zustand, seinem Lause Einhalt zu thun, sondern Gott dem Allmächtigen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_280616/79>, abgerufen am 27.04.2024.