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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Berühmtheit gemacht. Die Güte des polnischen Weizens liegt theils in der Größe
der Körner, theils in der Dichtheit und Zähigkeit der Mehlmasse. Der Teig
zieht sich wie Gummi zum Entzücken aller Bäcker, denn das Gebäck ans ihm
wird ungewöhnlich locker und schön. Zum Theil mag das daher kommen, daß
er in ungedüngtem Boden erwächst, denn mit dem Düngen macht sich der polnische
Edelmann nicht gern viel zu schaffen. Erstens besitzt er wenig Dünger, weil sein
Vieh, Rinder, Schafe, Schweine, Pferde, und selbst das Federvieh, nicht im
Stalle gefüttert, sondern geweidet wird; und zweitens hat er nicht Lust, den
Dünger weit transportiren zu lassen; die Weizenfelder können aber nicht allemal
gleich hinter den Scheunen liegen. Man pflegt daher für den Weizenban ein
mehrjähriges Brandland zu verwenden. Ein Feldstück bleibt nämlich oft 6 bis
1V Jahr liegen, nicht, damit es für eine gewisse Frucht oder Frnchtfolge Kraft
schöpfe, soudern weil man eben zufällig einmal andere Flächen bebaut, und für
diese Arbeitskraft und Arbeitslust nicht zureichen. Unterdeß weidet das Vieh
daraus, und tritt in der Reihe von Jahren den Boden zusammen, daß die
Wiederbearbeitung selbst nach polnischen Begriffen ein mindestens zweimaliges Ackern
und Eggen nöthig macht. Ja, ist der Boden sehr thonhaltig, so wird sogar im
Herbste des vorletzten Brachjahres einmal gestürzt und das Vieh bei trockenem
Wetter häufig über die Fläche getrieben werden, damit die Schollen in Trümmer
gehen und sich Krume bilde; die Walze kennt man in Polen fast gar nicht, sie
wird durch die Füße des Rindviehes und der Pferde ersetzt. Das Aus- und
Abtreiben der Heerden im geackerten Lande gewährt einen wunderlichen Anblick.

Durch den Weizen der deutschen Colomen hat in jüngerer Zeit der glän¬
zende Ruf des polnischen Weizens einige Einbuße erlitten. Der Colonienweizen
ist nicht so gut als der von den polnischen Grundherrschaften, und es kann dies
nur daher kommen, daß die deutschen Kolonisten ihre Felder nicht durch eine
Reihe von Jahren müssig liegen lassen, sondern die Fruchterzeugung nach deut¬
scher Weise durch Dünger forciren.

Mit dem Roggen macht man so wenige Umstände als nur möglich. Der,
meint man, wachse doch. Und in der That gedeiht er trotz der fahrlässigen und
bequemen Bodenbehandlnng immer herrlich. Zwar pflegt er -- und das ist die
Folge der schlechten Bodenbehandlung -- etwas dünn zu stehen, doch treibt er
ein langes kräftiges Stroh und strotzende Aehren. Die Feldfläche freilich gibt
viel weniger schonte als in Deutschland.

Dem Hafer gibt man im zweiten Jahr fast durchgängig das beste Land,
weil er als Handelsartikel in Polen wichtiger als die Gerste ist. Die Grütze
vom Hafer ist durch ganz Polen beliebter als die der Gerste. Das Haferbier
geht dem Polen nach dem Wein und Branntwein über jedes andere Getränk,
und er genießt es gern in starkem Maße. Es hat dasselbe Ansehen wie bei uns
das Lagerbier, gleicht aber im Geschmack Schalen Weißbier, moussirt und be-


Berühmtheit gemacht. Die Güte des polnischen Weizens liegt theils in der Größe
der Körner, theils in der Dichtheit und Zähigkeit der Mehlmasse. Der Teig
zieht sich wie Gummi zum Entzücken aller Bäcker, denn das Gebäck ans ihm
wird ungewöhnlich locker und schön. Zum Theil mag das daher kommen, daß
er in ungedüngtem Boden erwächst, denn mit dem Düngen macht sich der polnische
Edelmann nicht gern viel zu schaffen. Erstens besitzt er wenig Dünger, weil sein
Vieh, Rinder, Schafe, Schweine, Pferde, und selbst das Federvieh, nicht im
Stalle gefüttert, sondern geweidet wird; und zweitens hat er nicht Lust, den
Dünger weit transportiren zu lassen; die Weizenfelder können aber nicht allemal
gleich hinter den Scheunen liegen. Man pflegt daher für den Weizenban ein
mehrjähriges Brandland zu verwenden. Ein Feldstück bleibt nämlich oft 6 bis
1V Jahr liegen, nicht, damit es für eine gewisse Frucht oder Frnchtfolge Kraft
schöpfe, soudern weil man eben zufällig einmal andere Flächen bebaut, und für
diese Arbeitskraft und Arbeitslust nicht zureichen. Unterdeß weidet das Vieh
daraus, und tritt in der Reihe von Jahren den Boden zusammen, daß die
Wiederbearbeitung selbst nach polnischen Begriffen ein mindestens zweimaliges Ackern
und Eggen nöthig macht. Ja, ist der Boden sehr thonhaltig, so wird sogar im
Herbste des vorletzten Brachjahres einmal gestürzt und das Vieh bei trockenem
Wetter häufig über die Fläche getrieben werden, damit die Schollen in Trümmer
gehen und sich Krume bilde; die Walze kennt man in Polen fast gar nicht, sie
wird durch die Füße des Rindviehes und der Pferde ersetzt. Das Aus- und
Abtreiben der Heerden im geackerten Lande gewährt einen wunderlichen Anblick.

Durch den Weizen der deutschen Colomen hat in jüngerer Zeit der glän¬
zende Ruf des polnischen Weizens einige Einbuße erlitten. Der Colonienweizen
ist nicht so gut als der von den polnischen Grundherrschaften, und es kann dies
nur daher kommen, daß die deutschen Kolonisten ihre Felder nicht durch eine
Reihe von Jahren müssig liegen lassen, sondern die Fruchterzeugung nach deut¬
scher Weise durch Dünger forciren.

Mit dem Roggen macht man so wenige Umstände als nur möglich. Der,
meint man, wachse doch. Und in der That gedeiht er trotz der fahrlässigen und
bequemen Bodenbehandlnng immer herrlich. Zwar pflegt er — und das ist die
Folge der schlechten Bodenbehandlung — etwas dünn zu stehen, doch treibt er
ein langes kräftiges Stroh und strotzende Aehren. Die Feldfläche freilich gibt
viel weniger schonte als in Deutschland.

Dem Hafer gibt man im zweiten Jahr fast durchgängig das beste Land,
weil er als Handelsartikel in Polen wichtiger als die Gerste ist. Die Grütze
vom Hafer ist durch ganz Polen beliebter als die der Gerste. Das Haferbier
geht dem Polen nach dem Wein und Branntwein über jedes andere Getränk,
und er genießt es gern in starkem Maße. Es hat dasselbe Ansehen wie bei uns
das Lagerbier, gleicht aber im Geschmack Schalen Weißbier, moussirt und be-


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[0154] Berühmtheit gemacht. Die Güte des polnischen Weizens liegt theils in der Größe der Körner, theils in der Dichtheit und Zähigkeit der Mehlmasse. Der Teig zieht sich wie Gummi zum Entzücken aller Bäcker, denn das Gebäck ans ihm wird ungewöhnlich locker und schön. Zum Theil mag das daher kommen, daß er in ungedüngtem Boden erwächst, denn mit dem Düngen macht sich der polnische Edelmann nicht gern viel zu schaffen. Erstens besitzt er wenig Dünger, weil sein Vieh, Rinder, Schafe, Schweine, Pferde, und selbst das Federvieh, nicht im Stalle gefüttert, sondern geweidet wird; und zweitens hat er nicht Lust, den Dünger weit transportiren zu lassen; die Weizenfelder können aber nicht allemal gleich hinter den Scheunen liegen. Man pflegt daher für den Weizenban ein mehrjähriges Brandland zu verwenden. Ein Feldstück bleibt nämlich oft 6 bis 1V Jahr liegen, nicht, damit es für eine gewisse Frucht oder Frnchtfolge Kraft schöpfe, soudern weil man eben zufällig einmal andere Flächen bebaut, und für diese Arbeitskraft und Arbeitslust nicht zureichen. Unterdeß weidet das Vieh daraus, und tritt in der Reihe von Jahren den Boden zusammen, daß die Wiederbearbeitung selbst nach polnischen Begriffen ein mindestens zweimaliges Ackern und Eggen nöthig macht. Ja, ist der Boden sehr thonhaltig, so wird sogar im Herbste des vorletzten Brachjahres einmal gestürzt und das Vieh bei trockenem Wetter häufig über die Fläche getrieben werden, damit die Schollen in Trümmer gehen und sich Krume bilde; die Walze kennt man in Polen fast gar nicht, sie wird durch die Füße des Rindviehes und der Pferde ersetzt. Das Aus- und Abtreiben der Heerden im geackerten Lande gewährt einen wunderlichen Anblick. Durch den Weizen der deutschen Colomen hat in jüngerer Zeit der glän¬ zende Ruf des polnischen Weizens einige Einbuße erlitten. Der Colonienweizen ist nicht so gut als der von den polnischen Grundherrschaften, und es kann dies nur daher kommen, daß die deutschen Kolonisten ihre Felder nicht durch eine Reihe von Jahren müssig liegen lassen, sondern die Fruchterzeugung nach deut¬ scher Weise durch Dünger forciren. Mit dem Roggen macht man so wenige Umstände als nur möglich. Der, meint man, wachse doch. Und in der That gedeiht er trotz der fahrlässigen und bequemen Bodenbehandlnng immer herrlich. Zwar pflegt er — und das ist die Folge der schlechten Bodenbehandlung — etwas dünn zu stehen, doch treibt er ein langes kräftiges Stroh und strotzende Aehren. Die Feldfläche freilich gibt viel weniger schonte als in Deutschland. Dem Hafer gibt man im zweiten Jahr fast durchgängig das beste Land, weil er als Handelsartikel in Polen wichtiger als die Gerste ist. Die Grütze vom Hafer ist durch ganz Polen beliebter als die der Gerste. Das Haferbier geht dem Polen nach dem Wein und Branntwein über jedes andere Getränk, und er genießt es gern in starkem Maße. Es hat dasselbe Ansehen wie bei uns das Lagerbier, gleicht aber im Geschmack Schalen Weißbier, moussirt und be-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/154>, abgerufen am 31.05.2024.