Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

erhalten, an dem letzten Feldzug gegen Napoleon Theil genommen, hat sich dann
1818 noch als Officier zuerst auf die Universität Würzburg, dann nach Erlangen
begeben, mit großem Fleiß die alten, neuen und orientalischen Sprachen getrieben
und ist seit 1820 vorzugsweise durch Schelling angeregt worden, welche Anregung
aber sich in einigen Sonetten an den berühmten Philosophen vollständig erschöpft
zu haben scheint. 1821 hat er seine ersten Gedichte, die Ghaselen, herausgegeben,
hat König Ludwig's Thronbesteigung -1825 in einer begeisterten Ode besungen,
in Folge dessen von Demselben Urlaub erhalten und sich 1826--1832 in Italien
ausgehalten. Im Jahre 1828 hat man ihn zum Mitglied der Königl. Akademie
der Wissenschaften erhoben und durch ein Jahrgehalt seine änßere Stellung
gesichert. Nach dem Tode seines Vaters (1832) ist er nach München zurückgekehrt,
aber mir bis 1831, wo er wieder nach Italien reiste. Dort ist er im Jahre
1833 in Sicilien gestorben, und man hat ihm folgende Grabschrift gesetzt: ille
Med ^.ug'ustas oomes as ?1adelt, poetarum 7'kutonienrum prlllesxs,
inKenio 6ermarm8< korma, Kmveas, poetellarum terror, novissimrrm posteri-
tatis exemplam. Durch die Cotta'sche Ausgabe seiner Werke in fünf Bänden
(18i3) ist er unter die deutschen Klassiker anfgenonnnen. -- In seinem Leben finden
wir über die Art seiner Dichtung wenig Aufschluß; nur so viel, daß er sich im
Wesentlichen einsam gehalten hat, und daß seine Thätigkeit sich mehr auf Sehn¬
sucht und Verdruß concentrirte, als auf ein reales Streben. Abgesehen von
einzelnen Eindrücken, die er in Italien aufgenommen und in seinen Gedichten
wiedergegeben hat, Eindrücke, welche übrigens Goethe's Elegien und Reisebilder
ihm erst vermitteln mußten, ist es immer eine literarische Beziehung, die sein
Schaffen bedingt; er wird von irgend einer neu auftauchenden Richtung, oder
auch von einer, die bereits verjährt ist, wie z. B. das phantastische Drama der
Tieck'schen Schule, mit fortgerissen, bildet dieselbe ^u ihrem Extrem ans und
wundert sich dann, daß er keine Anerkennung findet. Er findet sie nicht, eben
weil er zu spät kommt. Bei jedem neue" Werk erklärt er zuerst in Versen und
in Prosa, es sei etwas Gewaltiges, das auch seine Neider und Feinde zur
Bewunderung zwinge" müsse; dann wird er aber wieder durch einen neuen
Eindruck mißtrauisch gemacht, und er modificirt seinen Ausspruch dahin, er habe
bis jetzt mit seiner Kraft nur gespielt, aber jetzt wolle er dem Strom seiner
Poesie alle Schleusen öffnen, anch wenn die Welt davon verschlungen würde.
Das wiederholt sich vou Jahr zu Jahr bis zu seinem Tode. Dazwischen fort¬
während die Versicherung, seine Poesie sei etwas Herrliches, und nur die Dumm¬
heit oder die Bosheit könne sie verkennen; eine Versicherung, mit der er eigentlich
nur seine eigene Unsicherheit zu übertäuben suchte. In allen seinen Poesien
bezieht er sich fortdauernd auf sich selbst und auf seiue Recensenten. Es ist nicht
Liebe zu seinen Stoffen, sondern abstracte Sehnsucht nach Ruhm, was ihn beseelt,
nicht Freude am objective" Schaffen, sondern das Gefühl einer innern Leere,


erhalten, an dem letzten Feldzug gegen Napoleon Theil genommen, hat sich dann
1818 noch als Officier zuerst auf die Universität Würzburg, dann nach Erlangen
begeben, mit großem Fleiß die alten, neuen und orientalischen Sprachen getrieben
und ist seit 1820 vorzugsweise durch Schelling angeregt worden, welche Anregung
aber sich in einigen Sonetten an den berühmten Philosophen vollständig erschöpft
zu haben scheint. 1821 hat er seine ersten Gedichte, die Ghaselen, herausgegeben,
hat König Ludwig's Thronbesteigung -1825 in einer begeisterten Ode besungen,
in Folge dessen von Demselben Urlaub erhalten und sich 1826—1832 in Italien
ausgehalten. Im Jahre 1828 hat man ihn zum Mitglied der Königl. Akademie
der Wissenschaften erhoben und durch ein Jahrgehalt seine änßere Stellung
gesichert. Nach dem Tode seines Vaters (1832) ist er nach München zurückgekehrt,
aber mir bis 1831, wo er wieder nach Italien reiste. Dort ist er im Jahre
1833 in Sicilien gestorben, und man hat ihm folgende Grabschrift gesetzt: ille
Med ^.ug'ustas oomes as ?1adelt, poetarum 7'kutonienrum prlllesxs,
inKenio 6ermarm8< korma, Kmveas, poetellarum terror, novissimrrm posteri-
tatis exemplam. Durch die Cotta'sche Ausgabe seiner Werke in fünf Bänden
(18i3) ist er unter die deutschen Klassiker anfgenonnnen. — In seinem Leben finden
wir über die Art seiner Dichtung wenig Aufschluß; nur so viel, daß er sich im
Wesentlichen einsam gehalten hat, und daß seine Thätigkeit sich mehr auf Sehn¬
sucht und Verdruß concentrirte, als auf ein reales Streben. Abgesehen von
einzelnen Eindrücken, die er in Italien aufgenommen und in seinen Gedichten
wiedergegeben hat, Eindrücke, welche übrigens Goethe's Elegien und Reisebilder
ihm erst vermitteln mußten, ist es immer eine literarische Beziehung, die sein
Schaffen bedingt; er wird von irgend einer neu auftauchenden Richtung, oder
auch von einer, die bereits verjährt ist, wie z. B. das phantastische Drama der
Tieck'schen Schule, mit fortgerissen, bildet dieselbe ^u ihrem Extrem ans und
wundert sich dann, daß er keine Anerkennung findet. Er findet sie nicht, eben
weil er zu spät kommt. Bei jedem neue» Werk erklärt er zuerst in Versen und
in Prosa, es sei etwas Gewaltiges, das auch seine Neider und Feinde zur
Bewunderung zwinge» müsse; dann wird er aber wieder durch einen neuen
Eindruck mißtrauisch gemacht, und er modificirt seinen Ausspruch dahin, er habe
bis jetzt mit seiner Kraft nur gespielt, aber jetzt wolle er dem Strom seiner
Poesie alle Schleusen öffnen, anch wenn die Welt davon verschlungen würde.
Das wiederholt sich vou Jahr zu Jahr bis zu seinem Tode. Dazwischen fort¬
während die Versicherung, seine Poesie sei etwas Herrliches, und nur die Dumm¬
heit oder die Bosheit könne sie verkennen; eine Versicherung, mit der er eigentlich
nur seine eigene Unsicherheit zu übertäuben suchte. In allen seinen Poesien
bezieht er sich fortdauernd auf sich selbst und auf seiue Recensenten. Es ist nicht
Liebe zu seinen Stoffen, sondern abstracte Sehnsucht nach Ruhm, was ihn beseelt,
nicht Freude am objective» Schaffen, sondern das Gefühl einer innern Leere,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91407"/>
          <p xml:id="ID_590" prev="#ID_589" next="#ID_591"> erhalten, an dem letzten Feldzug gegen Napoleon Theil genommen, hat sich dann<lb/>
1818 noch als Officier zuerst auf die Universität Würzburg, dann nach Erlangen<lb/>
begeben, mit großem Fleiß die alten, neuen und orientalischen Sprachen getrieben<lb/>
und ist seit 1820 vorzugsweise durch Schelling angeregt worden, welche Anregung<lb/>
aber sich in einigen Sonetten an den berühmten Philosophen vollständig erschöpft<lb/>
zu haben scheint. 1821 hat er seine ersten Gedichte, die Ghaselen, herausgegeben,<lb/>
hat König Ludwig's Thronbesteigung -1825 in einer begeisterten Ode besungen,<lb/>
in Folge dessen von Demselben Urlaub erhalten und sich 1826&#x2014;1832 in Italien<lb/>
ausgehalten. Im Jahre 1828 hat man ihn zum Mitglied der Königl. Akademie<lb/>
der Wissenschaften erhoben und durch ein Jahrgehalt seine änßere Stellung<lb/>
gesichert. Nach dem Tode seines Vaters (1832) ist er nach München zurückgekehrt,<lb/>
aber mir bis 1831, wo er wieder nach Italien reiste. Dort ist er im Jahre<lb/>
1833 in Sicilien gestorben, und man hat ihm folgende Grabschrift gesetzt: ille<lb/>
Med ^.ug'ustas oomes as ?1adelt, poetarum 7'kutonienrum prlllesxs,<lb/>
inKenio 6ermarm8&lt; korma, Kmveas, poetellarum terror, novissimrrm posteri-<lb/>
tatis exemplam. Durch die Cotta'sche Ausgabe seiner Werke in fünf Bänden<lb/>
(18i3) ist er unter die deutschen Klassiker anfgenonnnen. &#x2014; In seinem Leben finden<lb/>
wir über die Art seiner Dichtung wenig Aufschluß; nur so viel, daß er sich im<lb/>
Wesentlichen einsam gehalten hat, und daß seine Thätigkeit sich mehr auf Sehn¬<lb/>
sucht und Verdruß concentrirte, als auf ein reales Streben. Abgesehen von<lb/>
einzelnen Eindrücken, die er in Italien aufgenommen und in seinen Gedichten<lb/>
wiedergegeben hat, Eindrücke, welche übrigens Goethe's Elegien und Reisebilder<lb/>
ihm erst vermitteln mußten, ist es immer eine literarische Beziehung, die sein<lb/>
Schaffen bedingt; er wird von irgend einer neu auftauchenden Richtung, oder<lb/>
auch von einer, die bereits verjährt ist, wie z. B. das phantastische Drama der<lb/>
Tieck'schen Schule, mit fortgerissen, bildet dieselbe ^u ihrem Extrem ans und<lb/>
wundert sich dann, daß er keine Anerkennung findet. Er findet sie nicht, eben<lb/>
weil er zu spät kommt. Bei jedem neue» Werk erklärt er zuerst in Versen und<lb/>
in Prosa, es sei etwas Gewaltiges, das auch seine Neider und Feinde zur<lb/>
Bewunderung zwinge» müsse; dann wird er aber wieder durch einen neuen<lb/>
Eindruck mißtrauisch gemacht, und er modificirt seinen Ausspruch dahin, er habe<lb/>
bis jetzt mit seiner Kraft nur gespielt, aber jetzt wolle er dem Strom seiner<lb/>
Poesie alle Schleusen öffnen, anch wenn die Welt davon verschlungen würde.<lb/>
Das wiederholt sich vou Jahr zu Jahr bis zu seinem Tode. Dazwischen fort¬<lb/>
während die Versicherung, seine Poesie sei etwas Herrliches, und nur die Dumm¬<lb/>
heit oder die Bosheit könne sie verkennen; eine Versicherung, mit der er eigentlich<lb/>
nur seine eigene Unsicherheit zu übertäuben suchte. In allen seinen Poesien<lb/>
bezieht er sich fortdauernd auf sich selbst und auf seiue Recensenten. Es ist nicht<lb/>
Liebe zu seinen Stoffen, sondern abstracte Sehnsucht nach Ruhm, was ihn beseelt,<lb/>
nicht Freude am objective» Schaffen, sondern das Gefühl einer innern Leere,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] erhalten, an dem letzten Feldzug gegen Napoleon Theil genommen, hat sich dann 1818 noch als Officier zuerst auf die Universität Würzburg, dann nach Erlangen begeben, mit großem Fleiß die alten, neuen und orientalischen Sprachen getrieben und ist seit 1820 vorzugsweise durch Schelling angeregt worden, welche Anregung aber sich in einigen Sonetten an den berühmten Philosophen vollständig erschöpft zu haben scheint. 1821 hat er seine ersten Gedichte, die Ghaselen, herausgegeben, hat König Ludwig's Thronbesteigung -1825 in einer begeisterten Ode besungen, in Folge dessen von Demselben Urlaub erhalten und sich 1826—1832 in Italien ausgehalten. Im Jahre 1828 hat man ihn zum Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften erhoben und durch ein Jahrgehalt seine änßere Stellung gesichert. Nach dem Tode seines Vaters (1832) ist er nach München zurückgekehrt, aber mir bis 1831, wo er wieder nach Italien reiste. Dort ist er im Jahre 1833 in Sicilien gestorben, und man hat ihm folgende Grabschrift gesetzt: ille Med ^.ug'ustas oomes as ?1adelt, poetarum 7'kutonienrum prlllesxs, inKenio 6ermarm8< korma, Kmveas, poetellarum terror, novissimrrm posteri- tatis exemplam. Durch die Cotta'sche Ausgabe seiner Werke in fünf Bänden (18i3) ist er unter die deutschen Klassiker anfgenonnnen. — In seinem Leben finden wir über die Art seiner Dichtung wenig Aufschluß; nur so viel, daß er sich im Wesentlichen einsam gehalten hat, und daß seine Thätigkeit sich mehr auf Sehn¬ sucht und Verdruß concentrirte, als auf ein reales Streben. Abgesehen von einzelnen Eindrücken, die er in Italien aufgenommen und in seinen Gedichten wiedergegeben hat, Eindrücke, welche übrigens Goethe's Elegien und Reisebilder ihm erst vermitteln mußten, ist es immer eine literarische Beziehung, die sein Schaffen bedingt; er wird von irgend einer neu auftauchenden Richtung, oder auch von einer, die bereits verjährt ist, wie z. B. das phantastische Drama der Tieck'schen Schule, mit fortgerissen, bildet dieselbe ^u ihrem Extrem ans und wundert sich dann, daß er keine Anerkennung findet. Er findet sie nicht, eben weil er zu spät kommt. Bei jedem neue» Werk erklärt er zuerst in Versen und in Prosa, es sei etwas Gewaltiges, das auch seine Neider und Feinde zur Bewunderung zwinge» müsse; dann wird er aber wieder durch einen neuen Eindruck mißtrauisch gemacht, und er modificirt seinen Ausspruch dahin, er habe bis jetzt mit seiner Kraft nur gespielt, aber jetzt wolle er dem Strom seiner Poesie alle Schleusen öffnen, anch wenn die Welt davon verschlungen würde. Das wiederholt sich vou Jahr zu Jahr bis zu seinem Tode. Dazwischen fort¬ während die Versicherung, seine Poesie sei etwas Herrliches, und nur die Dumm¬ heit oder die Bosheit könne sie verkennen; eine Versicherung, mit der er eigentlich nur seine eigene Unsicherheit zu übertäuben suchte. In allen seinen Poesien bezieht er sich fortdauernd auf sich selbst und auf seiue Recensenten. Es ist nicht Liebe zu seinen Stoffen, sondern abstracte Sehnsucht nach Ruhm, was ihn beseelt, nicht Freude am objective» Schaffen, sondern das Gefühl einer innern Leere,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/214>, abgerufen am 13.05.2024.