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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Kugeln, die von allen Seiten in die Batterie einschlugen und die Erde
derselben so aufwühlten, daß es am andern Morgen noch aussah, als wenn der
Boden mit einem schlecht geführten Pflug durchzogen wäre, auch nicht das Min¬
deste an, hatte "Hans-Peter" den ganzen Morgen bei seinem Geschütz den
Dienst verrichtet. Jede kleine Pause, die bisweilen nöthig wurde, um die wenigen
Kauonen nicht zu sehr zu erhitzen, hatte er benutzt, um sich aus seinem Butter-
topf, den er vorsorglich in eine Ecke gestellt hatte, ein mächtiges Butterbrod zu
schmieren. Da traf endlich eine verhängnißvolle feindliche Kugel den Wischer in
Hans-Peters Hand, zerschmetterte ihm denselben, so daß er selbst dabei zu Boden
stürzte, und fuhr dann -- in den Buttertopf, denselben in tausend Stücke zer¬
schmetternd. Der erste Blick des Getroffenen, als er sich wieder aufgerichtet
hatte, sah auf diese Verwüstungen, und jetzt wäre auch seine bis dahin so uner¬
schütterliche Ruhe fast in Zorn gerathen. Ein grimmiges "Den verfluchten
Himmelhnnden von Dänen, mir meinen schonen Boddertopp mit twee Punt frisch
saltenen Bodder intwei to scheelen, nu fall se cet det Dunnerwädder hoalen,"
kam über seine Lippen, und dabei richtete er so sicher das Geschütz, daß die Ku¬
gel desselben mit einem Kernschuß das Dänische Linienschiff traf.

Als nun das Gefecht über die Mittagszeit fortdauerte, ist Haus-Peter
sehr erbost gewesen und hat gemeint: "So vol Tieb kürr doch dahie aber Sinn,
dat man ordentlich hier Mittagsbrod äten kürr." Auch die furchtbare Explosion
des Christian VIII. hat ihn nicht im Mindesten erschüttert, und seine Kame¬
raden behaupteten, er habe sein Stück Brod, das er in der Ermangelung von
Butter trocken verzehrte, während all dem Gekrache des Ausfliegens nicht aus der
Hand genommen.

Wie ich Hans-Peter am Morgen nach der Explosion zuerst sah, saß er
aus einer zerschossenen Lafette in der zerwühlten Batterie und verzehrte ruhig
wie immer ein riesiges Stück Butterbrod. Gar seiue Herren und schöne Frauen
in Menge waren aus Kiel und andern umliegenden Orten nach Eckernförde ge¬
eilt, die heldenmütigen Batterien zu besichtigen. So war auch "Hans-Peter"
von einer Gruppe schöner, eleganter Damen umringt, die ihm Artigkeiten über
Artigkeiten sagten und mit einer Menge neugieriger Fragen überschütteten. Er
schien aber gar nicht sehr davon erbaut zu sein, daß er so ein Gegenstand der
öffentlichen Aufmerksamkeit geworden, schob ruhig ungeheure Bissen Butterbrod
in seinen kauenden Mund und begnügte sich nur baun und wann ein kurzes "Ja"
oder "Nein" aus vollen Backen hervorzugrunzen, dabei seine schönen Bewun-
derinnen mit ziemlich verächtliche" Mienen anstierend. Mir nun mußte er zwar
halb gezwungen, halb freiwillig Rede und Antwort geben, doch merkte ich aus
seinem ganzen Wesen wol, daß ich ihm einen großen Gefallen thun würde, wenn
ich ihn nicht mit allzuviel Fragen belästigte. Als ich ihn frug, ob er denn gar keine
Furcht gehabt hätte? fragte er gleichsam ganz erstaunt wieder: "Wat sull ick


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Kugeln, die von allen Seiten in die Batterie einschlugen und die Erde
derselben so aufwühlten, daß es am andern Morgen noch aussah, als wenn der
Boden mit einem schlecht geführten Pflug durchzogen wäre, auch nicht das Min¬
deste an, hatte „Hans-Peter" den ganzen Morgen bei seinem Geschütz den
Dienst verrichtet. Jede kleine Pause, die bisweilen nöthig wurde, um die wenigen
Kauonen nicht zu sehr zu erhitzen, hatte er benutzt, um sich aus seinem Butter-
topf, den er vorsorglich in eine Ecke gestellt hatte, ein mächtiges Butterbrod zu
schmieren. Da traf endlich eine verhängnißvolle feindliche Kugel den Wischer in
Hans-Peters Hand, zerschmetterte ihm denselben, so daß er selbst dabei zu Boden
stürzte, und fuhr dann — in den Buttertopf, denselben in tausend Stücke zer¬
schmetternd. Der erste Blick des Getroffenen, als er sich wieder aufgerichtet
hatte, sah auf diese Verwüstungen, und jetzt wäre auch seine bis dahin so uner¬
schütterliche Ruhe fast in Zorn gerathen. Ein grimmiges „Den verfluchten
Himmelhnnden von Dänen, mir meinen schonen Boddertopp mit twee Punt frisch
saltenen Bodder intwei to scheelen, nu fall se cet det Dunnerwädder hoalen,"
kam über seine Lippen, und dabei richtete er so sicher das Geschütz, daß die Ku¬
gel desselben mit einem Kernschuß das Dänische Linienschiff traf.

Als nun das Gefecht über die Mittagszeit fortdauerte, ist Haus-Peter
sehr erbost gewesen und hat gemeint: „So vol Tieb kürr doch dahie aber Sinn,
dat man ordentlich hier Mittagsbrod äten kürr." Auch die furchtbare Explosion
des Christian VIII. hat ihn nicht im Mindesten erschüttert, und seine Kame¬
raden behaupteten, er habe sein Stück Brod, das er in der Ermangelung von
Butter trocken verzehrte, während all dem Gekrache des Ausfliegens nicht aus der
Hand genommen.

Wie ich Hans-Peter am Morgen nach der Explosion zuerst sah, saß er
aus einer zerschossenen Lafette in der zerwühlten Batterie und verzehrte ruhig
wie immer ein riesiges Stück Butterbrod. Gar seiue Herren und schöne Frauen
in Menge waren aus Kiel und andern umliegenden Orten nach Eckernförde ge¬
eilt, die heldenmütigen Batterien zu besichtigen. So war auch „Hans-Peter"
von einer Gruppe schöner, eleganter Damen umringt, die ihm Artigkeiten über
Artigkeiten sagten und mit einer Menge neugieriger Fragen überschütteten. Er
schien aber gar nicht sehr davon erbaut zu sein, daß er so ein Gegenstand der
öffentlichen Aufmerksamkeit geworden, schob ruhig ungeheure Bissen Butterbrod
in seinen kauenden Mund und begnügte sich nur baun und wann ein kurzes „Ja"
oder „Nein" aus vollen Backen hervorzugrunzen, dabei seine schönen Bewun-
derinnen mit ziemlich verächtliche» Mienen anstierend. Mir nun mußte er zwar
halb gezwungen, halb freiwillig Rede und Antwort geben, doch merkte ich aus
seinem ganzen Wesen wol, daß ich ihm einen großen Gefallen thun würde, wenn
ich ihn nicht mit allzuviel Fragen belästigte. Als ich ihn frug, ob er denn gar keine
Furcht gehabt hätte? fragte er gleichsam ganz erstaunt wieder: „Wat sull ick


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/239>, abgerufen am 15.05.2024.