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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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bei seiner Batterie eingetreten. Die blutige Schlacht bei Jdstedt bot ihm wieder
so recht Gelegenheit, seine unerschütterliche Ruhe zu beweisen. Seine Batterie
hatte lange im heftigsten Feuer gestanden, und gerade von der Kanone, bei der
er zugetheilt war, fiel über die Hälfte der ganzen Mannschaft. Ruhig und fest,
mit denselben gleichen Tempos, als stände er ans dem Paradeplatz, hatte er
seinen Dienst verrichtet. Ein Kamerad war neben ihm erschossen, so daß das
Blut sein Gesicht überspritzte; er hatte sich ruhig mit dem Aermel dasselbe wieder
abgewischt, dabei gemeint "so een Blootwurst will ick nich", und fort und sort
angefeuert. Sein unzertrennliches Butterbrod hatte er neben sich gelegt, und
jeden freien Augenblick dazu benutzt, einen Bissen abzubeißen, so daß er meist
mit kauenden Backen sein blutiges Geschäft verrichtete. Einmal ist ihm ein Stück
einer abgeschossenen Lafette so stark an die Brust geflogen, daß er davon zu
Boden geschmettert wurde und seine Kameraden ihn schon für todt hielten.
Hanns-Peter hatte aber Knochen, die konnten schon einen Puff vertragen. Er
stand bald wieder auf, rief, "dat die dat Dunnerwedder", nahm einen Schluck
Branntwein aus der Feldflasche und machte sich wieder an sein Geschütz. "süsst
Du Hcchnemann das Brüüden geil um" (das Necken geht um) hat er bald dar"
auf ausgerufen, wie seine Batterie den Dänen einen vollen Pulverkarren in Brand
schoß, so daß dieser mit gewaltigem Gekrach in die Luft flog.
'

Nach der Schlacht bei Jdstedt war Hans-Peter gewaltig brummig, denn
es wollte ihm gar nicht in den Kopf, daß die Schleswig-Holsteiner damals
hätten zurück müssen. "Narrerie, nichts wie Narrerie", hat er stets gesagt, wenn
andere Kameraden ihm die Nothwendigkeit dieses Rückzuges aus strategischen
Gründen beweisen wollten. "Man noch so een twintig tüchtige Schüsse mit den
lÄPünderbatterien mang den Hahnemcmns gebahr, un wir können nu uns
Fleesch in Flensborg verkehren." Davon wollte er sich nicht abbringen lassen.

Was auch jetzt eine Quelle beständigen Aergers für unsern Hans-Peter
wurde, war, daß ein Paar lustige, windige Berliner als Freiwillige bei seiner
Batterie eingetreten waren. Die ewige Beweglichkeit und Zungenfertigkeit Dieser
konnte er auf den Tod nicht leiden, obschon er sonst ihrem Muthe und ihrer
militärischen Tüchtigkeit volle Gerechtigkeit widerfahre" ließ. "Wie dee Gosse
schmalere dat dem ganzen Dag und weet nich, dat dee teco Herrgott dat Muri
tum Acten un nich tum Schranken makt hät" sagte er mir einst ganz entrüstet.
Einst hatte er ein Schläfchen gehalten, denn wenn er nicht im Dienst beschäftigt
war, oder Etwas zu essen hatte, so liebte er es sehr zu schlafen, da machten diese
beiden Berliner sich den Spaß, ihm mit einer Holzkohle einen riesigen schwarzen
Schnurrbart in sein rothes, rundes Gesicht zu malen. Das Lachen derselben bei
seinem Erwachen belehrt ihn, daß ihm ein Streich gespielt sein müsse, er besieht
sein Gesicht in dem kleinen Spiegel des Bauernhauses, in dem er in Quartier
lag, und entdeckt den Schnurrbart. Ihr Lachen zeigte ihm die Thäter. Ruhig


bei seiner Batterie eingetreten. Die blutige Schlacht bei Jdstedt bot ihm wieder
so recht Gelegenheit, seine unerschütterliche Ruhe zu beweisen. Seine Batterie
hatte lange im heftigsten Feuer gestanden, und gerade von der Kanone, bei der
er zugetheilt war, fiel über die Hälfte der ganzen Mannschaft. Ruhig und fest,
mit denselben gleichen Tempos, als stände er ans dem Paradeplatz, hatte er
seinen Dienst verrichtet. Ein Kamerad war neben ihm erschossen, so daß das
Blut sein Gesicht überspritzte; er hatte sich ruhig mit dem Aermel dasselbe wieder
abgewischt, dabei gemeint „so een Blootwurst will ick nich", und fort und sort
angefeuert. Sein unzertrennliches Butterbrod hatte er neben sich gelegt, und
jeden freien Augenblick dazu benutzt, einen Bissen abzubeißen, so daß er meist
mit kauenden Backen sein blutiges Geschäft verrichtete. Einmal ist ihm ein Stück
einer abgeschossenen Lafette so stark an die Brust geflogen, daß er davon zu
Boden geschmettert wurde und seine Kameraden ihn schon für todt hielten.
Hanns-Peter hatte aber Knochen, die konnten schon einen Puff vertragen. Er
stand bald wieder auf, rief, „dat die dat Dunnerwedder", nahm einen Schluck
Branntwein aus der Feldflasche und machte sich wieder an sein Geschütz. „süsst
Du Hcchnemann das Brüüden geil um" (das Necken geht um) hat er bald dar«
auf ausgerufen, wie seine Batterie den Dänen einen vollen Pulverkarren in Brand
schoß, so daß dieser mit gewaltigem Gekrach in die Luft flog.
'

Nach der Schlacht bei Jdstedt war Hans-Peter gewaltig brummig, denn
es wollte ihm gar nicht in den Kopf, daß die Schleswig-Holsteiner damals
hätten zurück müssen. „Narrerie, nichts wie Narrerie", hat er stets gesagt, wenn
andere Kameraden ihm die Nothwendigkeit dieses Rückzuges aus strategischen
Gründen beweisen wollten. „Man noch so een twintig tüchtige Schüsse mit den
lÄPünderbatterien mang den Hahnemcmns gebahr, un wir können nu uns
Fleesch in Flensborg verkehren." Davon wollte er sich nicht abbringen lassen.

Was auch jetzt eine Quelle beständigen Aergers für unsern Hans-Peter
wurde, war, daß ein Paar lustige, windige Berliner als Freiwillige bei seiner
Batterie eingetreten waren. Die ewige Beweglichkeit und Zungenfertigkeit Dieser
konnte er auf den Tod nicht leiden, obschon er sonst ihrem Muthe und ihrer
militärischen Tüchtigkeit volle Gerechtigkeit widerfahre» ließ. „Wie dee Gosse
schmalere dat dem ganzen Dag und weet nich, dat dee teco Herrgott dat Muri
tum Acten un nich tum Schranken makt hät" sagte er mir einst ganz entrüstet.
Einst hatte er ein Schläfchen gehalten, denn wenn er nicht im Dienst beschäftigt
war, oder Etwas zu essen hatte, so liebte er es sehr zu schlafen, da machten diese
beiden Berliner sich den Spaß, ihm mit einer Holzkohle einen riesigen schwarzen
Schnurrbart in sein rothes, rundes Gesicht zu malen. Das Lachen derselben bei
seinem Erwachen belehrt ihn, daß ihm ein Streich gespielt sein müsse, er besieht
sein Gesicht in dem kleinen Spiegel des Bauernhauses, in dem er in Quartier
lag, und entdeckt den Schnurrbart. Ihr Lachen zeigte ihm die Thäter. Ruhig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/242>, abgerufen am 14.05.2024.