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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Ungarn als Freiwillige in dasselbe aufgenommen. So war im Frühling 1850
ein alter Pole als Unterofficier in einem Infanterie-Bataillon angestellt worden.
Er war eine eigenthümliche Erscheinung, der mir gleich vom ersten Augenblick
an, daß ich ihn sah, lebhaftes Interesse abgewonnen hatte. Schon sein Aeußeres
mußte für ihn einnehmen. Ein langer weißgrauer Schnurr - und Knebelbart
hing von seinem hagern scharfgezcichnetcn Gesicht herab, in dem ein Paar feurige
graublaue Augen blitzten. Wie Leder so zähe nud braun war die Gesichtshaut
znsammcngetrvcknet, und mau sah es ihm an, daß gar mancher Sonnenbrand und
manches Bivouac bei Sturm und Regen dazu gehört hatten, ihm dieses Aussehen
zu geben. Eine furchtbare Narbe Hog sich von der Stirn an mit dunkelrothen
Streif über die Nase bis an den Mundwinkel und theilte das Gesicht in zwei
schräggeschnittene Hälften, die Stirn war hoch und frei, und nur spärliche eisen¬
graue Haare, kamen unter dem Sturmbaud der Pickelhaube hervor. Die Gestalt
schien rio Ms Sehnen und Muskeln zu bestehen, 'dürr, zusammcngetrocknet und
dabei Hoch wieder kräftig °und elastisch. Nur mit dein Arten Fuß zog er in Folge
einer Wunde etwas nach, wie Hin auch in der linken Hand der eine Mittelfinger
fehlte; die Haltung war stets gerade und echt militärisch, und mochte die Jnlisonne
auch noch so heiß brennen, er trug nach zwölfstündigem Marsche den vollgepackten
Tornister und das schwere Gewehr noch mit einer Leichtigkeit, als sei er damit
gleich auf die Welt gekommen. Sein Anzug war trotz se"MKer Märsche und
regnichter Bivonacs stets ausfallend rein und gut erhalten, und seine Waffen
immer in einem Zustande, als wären sie von der besten Solinger Fabrik so eben
erst abgeliefert. Das Bild eines alten Veteranen der Napoleonischen Kaisergarde
vervollständigte das Krenz -der Ehrenlegion und ein Spanischer Orden. Als Soldat
war er von seltener Pflichttreue, großer Kenntniß des Dienstes und dem ruhigsten
Muthe. Mau merkte es ihm an, daß schon auf gar manchem blutigen Schlacht¬
felde mitgöfochtcn Hatte. Gerade an dem heißen Tage bei Jdstedt hatte er in
hohem Grade sich ausgezeichnet. Ruhig, als kümmerte ihn das Pfeifen der Dänische"
Epitzkugeln oder das dumpfe Brummen der KanvneNkngM nicht im Mindesten,
so war er -im Feuer gestanden. Die Leute seiner Korporalschaft behaupteten, er
habe einst gesagt, "er würde nie einen Dänischen Soldaten erschießen, wenn es nicht
ans Nothwehr sei, sondern stets nur nach Offneren zielen", und sie tragen sich mit
der Sage, Her Obergeneral 'des feindlichen Heeres, Schleppegrell, sei von seiner
Kugel getödtet worden; daß er übrigens noch auf dem Rückzüge bei Jdstedt zwei
Dänische Officiere niedergeschossen hatte, war von vielen Augenzeugen gesehen
worden.

.In seinem übrigen Benehmen zeichnete sich M. durch düstere Schweigsamkeit
aus. Obwol der Deutschen Sprache, wenn auch mit fremdartigem Accent, ziem¬
lich mächtig, sprach -er doch nie ein Wort, wenn er nicht mußte ; nie hat man bei
den Schwanken am Bivouacfcucr das mindeste Lächeln in seinen Zügen gesehen.


Grenzboten. N. t"5I. 33

Ungarn als Freiwillige in dasselbe aufgenommen. So war im Frühling 1850
ein alter Pole als Unterofficier in einem Infanterie-Bataillon angestellt worden.
Er war eine eigenthümliche Erscheinung, der mir gleich vom ersten Augenblick
an, daß ich ihn sah, lebhaftes Interesse abgewonnen hatte. Schon sein Aeußeres
mußte für ihn einnehmen. Ein langer weißgrauer Schnurr - und Knebelbart
hing von seinem hagern scharfgezcichnetcn Gesicht herab, in dem ein Paar feurige
graublaue Augen blitzten. Wie Leder so zähe nud braun war die Gesichtshaut
znsammcngetrvcknet, und mau sah es ihm an, daß gar mancher Sonnenbrand und
manches Bivouac bei Sturm und Regen dazu gehört hatten, ihm dieses Aussehen
zu geben. Eine furchtbare Narbe Hog sich von der Stirn an mit dunkelrothen
Streif über die Nase bis an den Mundwinkel und theilte das Gesicht in zwei
schräggeschnittene Hälften, die Stirn war hoch und frei, und nur spärliche eisen¬
graue Haare, kamen unter dem Sturmbaud der Pickelhaube hervor. Die Gestalt
schien rio Ms Sehnen und Muskeln zu bestehen, 'dürr, zusammcngetrocknet und
dabei Hoch wieder kräftig °und elastisch. Nur mit dein Arten Fuß zog er in Folge
einer Wunde etwas nach, wie Hin auch in der linken Hand der eine Mittelfinger
fehlte; die Haltung war stets gerade und echt militärisch, und mochte die Jnlisonne
auch noch so heiß brennen, er trug nach zwölfstündigem Marsche den vollgepackten
Tornister und das schwere Gewehr noch mit einer Leichtigkeit, als sei er damit
gleich auf die Welt gekommen. Sein Anzug war trotz se«MKer Märsche und
regnichter Bivonacs stets ausfallend rein und gut erhalten, und seine Waffen
immer in einem Zustande, als wären sie von der besten Solinger Fabrik so eben
erst abgeliefert. Das Bild eines alten Veteranen der Napoleonischen Kaisergarde
vervollständigte das Krenz -der Ehrenlegion und ein Spanischer Orden. Als Soldat
war er von seltener Pflichttreue, großer Kenntniß des Dienstes und dem ruhigsten
Muthe. Mau merkte es ihm an, daß schon auf gar manchem blutigen Schlacht¬
felde mitgöfochtcn Hatte. Gerade an dem heißen Tage bei Jdstedt hatte er in
hohem Grade sich ausgezeichnet. Ruhig, als kümmerte ihn das Pfeifen der Dänische»
Epitzkugeln oder das dumpfe Brummen der KanvneNkngM nicht im Mindesten,
so war er -im Feuer gestanden. Die Leute seiner Korporalschaft behaupteten, er
habe einst gesagt, „er würde nie einen Dänischen Soldaten erschießen, wenn es nicht
ans Nothwehr sei, sondern stets nur nach Offneren zielen", und sie tragen sich mit
der Sage, Her Obergeneral 'des feindlichen Heeres, Schleppegrell, sei von seiner
Kugel getödtet worden; daß er übrigens noch auf dem Rückzüge bei Jdstedt zwei
Dänische Officiere niedergeschossen hatte, war von vielen Augenzeugen gesehen
worden.

.In seinem übrigen Benehmen zeichnete sich M. durch düstere Schweigsamkeit
aus. Obwol der Deutschen Sprache, wenn auch mit fremdartigem Accent, ziem¬
lich mächtig, sprach -er doch nie ein Wort, wenn er nicht mußte ; nie hat man bei
den Schwanken am Bivouacfcucr das mindeste Lächeln in seinen Zügen gesehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/269>, abgerufen am 14.05.2024.