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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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das Streben der liberalen Partei zu verunglimpfen, hat das Deutsche Publicum
zur Genüge mit den Mißbräuchen bekannt gemacht, welche bei diesen constitutio-
nellen Versammlungen stattfanden, obwol es eben die liberale Partei war, welche
diese Mißbräuche auf die einzig mögliche Weise, nämlich dnrch die Ausdehnung
der politischen Rechte auf alle Einwohner des Landes, zu beseitigen suchte. Unter
den verschiedenen Lockmitteln, welcher sich die Parteien bedienten, um den un¬
wissenden Bauernadel zu ködern, spielte die Musik eine sehr bedeutende Rolle,
"ud nicht selten hing das Gelingen eines politischen Vorhabens von dem Um¬
stände ab, ob die zu Gebote stehenden Musikbanden, welche die "meines urakal,"
-- adeligen Herren -- unterhalten sollten, mit den Banden der Gegenpartei
die Concurrenz bestehen konnten. -- Zur Zeit einer Beamten- oder Deputirteu-
wahl waren die Zigeunermnsikbanden des betreffenden Cvmitatö fast nie hin¬
reichend, und es wanderten aus den benachbarten Comitaten gaisze Truppe" dieser
Musensöhne herbei, um den Mangel zu ersetzen. Herr Jgnatz Nagy, der in
seinein Lustspiel ,,Il8?tuMis" -- Beamteurcstanration -- ein treffendes Bild des
Wesens und Unwesens dieser constitutionellen Function gab, hat auch dieses
Moment vortrefflich dargestellt, und ich habe in meinem Comitate selbst nicht selten
das Beispiel erlebt, wo ein geschickter "livrtvsvLxvr" -- Anwerber und Anführer
des BaueruadelS für eine gewisse Partei -- noch in der letzten Nacht vor dem
Wahltage seine besten Zigennerbanden zu einer mächtigen Capelle vereinigte, und
vor der "I-ni^a" -- gewöhnlich ein Mayerhof, oder ein anderes herrschaftliches
Wirthschaftsgebäude, wo die Herren nsinsssk ohne Hosen einquartiert waren und
bewirthet wurden -- der Gegenpartei die beliebtesten Mnsikpiöcen aufführen ließ,
worauf die Reihen dieser Partei so gelichtet wurden, daß sie am folgenden Tage
nicht daran denken konnten, eine Majorität bei der Abstimmung zu erhalten, und
den Gegnern ohne Kampf den Sieg überließ. Ueber das Wohlbefinden der Ton-
künstler bei diesen constitutionellen Fötes dürste kaum Etwas gesagt werden. --
Aber auch außer diesen goldenen Tagen gab es noch viele andere, die mehr
Silber in den Beutel des Czigäny wandern ließen, als man heutzutage in der
Kasse manches Wiener Kaufmanns finden dürste. Die häufigen Comitats-
bälle, wo der ganze höhere Adel des Comitats und ans der Nachbarschaft zusam¬
menströmte, und wo fast nur Zigeunermnsik beliebt war, die Konferenzen der
Parteien mit den diesen folgenden Zweckessen, die GeburtS- und Namensfeste
reicher Magnaten und adeliger Personen, die Gratulationsfeste bei erhaltenen
hohen Aemtern, die Installationen neucrnanuter Obergespane, waren eben so
viele kleinere und große Quellen, die dem Zigeuner Geld, Wein und Braten zu¬
fließen ließen, und selbst der Bürger, Bauer und Jude mußten dem Künstler im
Fasching (Fastnacht), bei Hochzeiten und andern Familienfesten ihren Tribut
zahlen.

Schließlich will ich noch eines Umstandes erwähnen, der aus das Leben und


Grenzboten. II. 18S1. 49

das Streben der liberalen Partei zu verunglimpfen, hat das Deutsche Publicum
zur Genüge mit den Mißbräuchen bekannt gemacht, welche bei diesen constitutio-
nellen Versammlungen stattfanden, obwol es eben die liberale Partei war, welche
diese Mißbräuche auf die einzig mögliche Weise, nämlich dnrch die Ausdehnung
der politischen Rechte auf alle Einwohner des Landes, zu beseitigen suchte. Unter
den verschiedenen Lockmitteln, welcher sich die Parteien bedienten, um den un¬
wissenden Bauernadel zu ködern, spielte die Musik eine sehr bedeutende Rolle,
»ud nicht selten hing das Gelingen eines politischen Vorhabens von dem Um¬
stände ab, ob die zu Gebote stehenden Musikbanden, welche die „meines urakal,"
— adeligen Herren — unterhalten sollten, mit den Banden der Gegenpartei
die Concurrenz bestehen konnten. — Zur Zeit einer Beamten- oder Deputirteu-
wahl waren die Zigeunermnsikbanden des betreffenden Cvmitatö fast nie hin¬
reichend, und es wanderten aus den benachbarten Comitaten gaisze Truppe» dieser
Musensöhne herbei, um den Mangel zu ersetzen. Herr Jgnatz Nagy, der in
seinein Lustspiel ,,Il8?tuMis" — Beamteurcstanration — ein treffendes Bild des
Wesens und Unwesens dieser constitutionellen Function gab, hat auch dieses
Moment vortrefflich dargestellt, und ich habe in meinem Comitate selbst nicht selten
das Beispiel erlebt, wo ein geschickter „livrtvsvLxvr" — Anwerber und Anführer
des BaueruadelS für eine gewisse Partei — noch in der letzten Nacht vor dem
Wahltage seine besten Zigennerbanden zu einer mächtigen Capelle vereinigte, und
vor der „I-ni^a" — gewöhnlich ein Mayerhof, oder ein anderes herrschaftliches
Wirthschaftsgebäude, wo die Herren nsinsssk ohne Hosen einquartiert waren und
bewirthet wurden — der Gegenpartei die beliebtesten Mnsikpiöcen aufführen ließ,
worauf die Reihen dieser Partei so gelichtet wurden, daß sie am folgenden Tage
nicht daran denken konnten, eine Majorität bei der Abstimmung zu erhalten, und
den Gegnern ohne Kampf den Sieg überließ. Ueber das Wohlbefinden der Ton-
künstler bei diesen constitutionellen Fötes dürste kaum Etwas gesagt werden. —
Aber auch außer diesen goldenen Tagen gab es noch viele andere, die mehr
Silber in den Beutel des Czigäny wandern ließen, als man heutzutage in der
Kasse manches Wiener Kaufmanns finden dürste. Die häufigen Comitats-
bälle, wo der ganze höhere Adel des Comitats und ans der Nachbarschaft zusam¬
menströmte, und wo fast nur Zigeunermnsik beliebt war, die Konferenzen der
Parteien mit den diesen folgenden Zweckessen, die GeburtS- und Namensfeste
reicher Magnaten und adeliger Personen, die Gratulationsfeste bei erhaltenen
hohen Aemtern, die Installationen neucrnanuter Obergespane, waren eben so
viele kleinere und große Quellen, die dem Zigeuner Geld, Wein und Braten zu¬
fließen ließen, und selbst der Bürger, Bauer und Jude mußten dem Künstler im
Fasching (Fastnacht), bei Hochzeiten und andern Familienfesten ihren Tribut
zahlen.

Schließlich will ich noch eines Umstandes erwähnen, der aus das Leben und


Grenzboten. II. 18S1. 49
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[0397] das Streben der liberalen Partei zu verunglimpfen, hat das Deutsche Publicum zur Genüge mit den Mißbräuchen bekannt gemacht, welche bei diesen constitutio- nellen Versammlungen stattfanden, obwol es eben die liberale Partei war, welche diese Mißbräuche auf die einzig mögliche Weise, nämlich dnrch die Ausdehnung der politischen Rechte auf alle Einwohner des Landes, zu beseitigen suchte. Unter den verschiedenen Lockmitteln, welcher sich die Parteien bedienten, um den un¬ wissenden Bauernadel zu ködern, spielte die Musik eine sehr bedeutende Rolle, »ud nicht selten hing das Gelingen eines politischen Vorhabens von dem Um¬ stände ab, ob die zu Gebote stehenden Musikbanden, welche die „meines urakal," — adeligen Herren — unterhalten sollten, mit den Banden der Gegenpartei die Concurrenz bestehen konnten. — Zur Zeit einer Beamten- oder Deputirteu- wahl waren die Zigeunermnsikbanden des betreffenden Cvmitatö fast nie hin¬ reichend, und es wanderten aus den benachbarten Comitaten gaisze Truppe» dieser Musensöhne herbei, um den Mangel zu ersetzen. Herr Jgnatz Nagy, der in seinein Lustspiel ,,Il8?tuMis" — Beamteurcstanration — ein treffendes Bild des Wesens und Unwesens dieser constitutionellen Function gab, hat auch dieses Moment vortrefflich dargestellt, und ich habe in meinem Comitate selbst nicht selten das Beispiel erlebt, wo ein geschickter „livrtvsvLxvr" — Anwerber und Anführer des BaueruadelS für eine gewisse Partei — noch in der letzten Nacht vor dem Wahltage seine besten Zigennerbanden zu einer mächtigen Capelle vereinigte, und vor der „I-ni^a" — gewöhnlich ein Mayerhof, oder ein anderes herrschaftliches Wirthschaftsgebäude, wo die Herren nsinsssk ohne Hosen einquartiert waren und bewirthet wurden — der Gegenpartei die beliebtesten Mnsikpiöcen aufführen ließ, worauf die Reihen dieser Partei so gelichtet wurden, daß sie am folgenden Tage nicht daran denken konnten, eine Majorität bei der Abstimmung zu erhalten, und den Gegnern ohne Kampf den Sieg überließ. Ueber das Wohlbefinden der Ton- künstler bei diesen constitutionellen Fötes dürste kaum Etwas gesagt werden. — Aber auch außer diesen goldenen Tagen gab es noch viele andere, die mehr Silber in den Beutel des Czigäny wandern ließen, als man heutzutage in der Kasse manches Wiener Kaufmanns finden dürste. Die häufigen Comitats- bälle, wo der ganze höhere Adel des Comitats und ans der Nachbarschaft zusam¬ menströmte, und wo fast nur Zigeunermnsik beliebt war, die Konferenzen der Parteien mit den diesen folgenden Zweckessen, die GeburtS- und Namensfeste reicher Magnaten und adeliger Personen, die Gratulationsfeste bei erhaltenen hohen Aemtern, die Installationen neucrnanuter Obergespane, waren eben so viele kleinere und große Quellen, die dem Zigeuner Geld, Wein und Braten zu¬ fließen ließen, und selbst der Bürger, Bauer und Jude mußten dem Künstler im Fasching (Fastnacht), bei Hochzeiten und andern Familienfesten ihren Tribut zahlen. Schließlich will ich noch eines Umstandes erwähnen, der aus das Leben und Grenzboten. II. 18S1. 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/397>, abgerufen am 16.05.2024.