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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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kampfcs verschont blieben, -- einige nördliche Grenzstriche ausgenommen, wo
Hnrban und das verknöcherte Philisterthum ihr Unwesen trieben -- die Sicherheit
der Person und des Eigenthums nirgend verletzt wurde. Unsere jetzige Regierung
ist nun auf dem besten Wege, uns mit Dampfkraft ein Proletariat zu erzengen,
welches gefährlicher als jedes audere in Europa zu werdeu droht, weil es ein
Bauernproletariat werden muß.

Ungarns gerühmter Prodnctenreichthnm bestand weniger in dem großen Ertrag
unserer Felder, -- deun dieser war in den meisten Gegenden durch den Mangel
an genügenden Händen und die Unvollkommenheit der Bearbeitung ein verhältni߬
mäßig geringer, -- sondern vielmehr in der Mannichfaltigkeit unserer Producte,
die den Landmann fast an Nichts Mangel leiden ließen, ihm die Gelegenheit bot,
die geringen Arbeitskräfte zweckmäßig und nutzbringend zu verwenden, und dem
verschiedenartigen Boden einen mannichfachen Segen abzugewinnen. Sobald die
erste Frühlingssonne den Schnee gelöst hatte, erschien der Winzer in seinem Wein¬
berg, "in die Rebe zu beschneiden; indessen hatte das Ackerfeld seine im Winter
eingesogenen Wassermassen ausgehaucht, die im Frühling ausgetretenen Ströme
waren wieder in ihr Bett zurückgekehrt, und die Flur nahm den Pflug oder das
Grabscheit auf. So wechselten serner, während das Kornfeld in volle Aehren
reifte, das Umgraben der Kartoffel und des Mais -- die sehr oft auch auf einem
Felde untereinander gebaut wurden -- mit dem Auflockern der Tabakspflanze ab,
bis endlich im Herbste die eigentliche Feldarbeit beendigt war und mit dem Fest
der Weinlese beschlossen wurde. Nun sind ans diesem Segensregister zwei große
Rubriken gestrichen worden. Die Tabakpflanzung wurde durch das eingeführte
Monopol verleidet, und der Weinban in vielen Gegenden unmöglich gemacht.
Ueber ersteres haben sich auswärtige und selbst unsere commandirten Organe zur
Genüge und bis zur Ermüdung ausgesprochen; über letztern haben wir nnr die
Bemerkung zu machen, daß nach der neuen Steuerordnung von jedem Eimer
Wein ein Gulden Münze zu entrichten ist, während in guten Weinjahreu bei uus
viele Weinsorten zu ^0--68 Kreuzer verkauft werdeu. Dazu kommt noch, daß
der größte Theil der neuen Verordnungen selbst für die Beamten unverständlich
ist, was bei uns bereits eine förmliche Stenerliteratur, eine Unzahl von Hand¬
büchern für Beamte und Nichtbeamte erzeugt, aber das büreaukratische Dunkel
nichts weniger als zerstreut hat. Die Folgen sind augenscheinlich; schon in diesem
Jahre werden -- wie selbst vfficiöse Blätter berichten -- viele Weingärten ent¬
wurzelt und zu Ackerfeldern umgestaltet, während"?der Tabakban noch größere Ver¬
luste erleidet.

Indessen gibt es noch Leute bei uus, die nichts Eifrigeres zu thun haben,
als neue Ehrendiplome zu erfinden und kostspielige Deputatiouswauderungen an¬
zustellen. So ist die Pesther Deputation kaum von Warschau zurückgekommen,
wo sie ein Ehrendiplom, dessen Kalligraphie allein 1200 Gulden Münze kostete,


kampfcs verschont blieben, — einige nördliche Grenzstriche ausgenommen, wo
Hnrban und das verknöcherte Philisterthum ihr Unwesen trieben — die Sicherheit
der Person und des Eigenthums nirgend verletzt wurde. Unsere jetzige Regierung
ist nun auf dem besten Wege, uns mit Dampfkraft ein Proletariat zu erzengen,
welches gefährlicher als jedes audere in Europa zu werdeu droht, weil es ein
Bauernproletariat werden muß.

Ungarns gerühmter Prodnctenreichthnm bestand weniger in dem großen Ertrag
unserer Felder, — deun dieser war in den meisten Gegenden durch den Mangel
an genügenden Händen und die Unvollkommenheit der Bearbeitung ein verhältni߬
mäßig geringer, — sondern vielmehr in der Mannichfaltigkeit unserer Producte,
die den Landmann fast an Nichts Mangel leiden ließen, ihm die Gelegenheit bot,
die geringen Arbeitskräfte zweckmäßig und nutzbringend zu verwenden, und dem
verschiedenartigen Boden einen mannichfachen Segen abzugewinnen. Sobald die
erste Frühlingssonne den Schnee gelöst hatte, erschien der Winzer in seinem Wein¬
berg, »in die Rebe zu beschneiden; indessen hatte das Ackerfeld seine im Winter
eingesogenen Wassermassen ausgehaucht, die im Frühling ausgetretenen Ströme
waren wieder in ihr Bett zurückgekehrt, und die Flur nahm den Pflug oder das
Grabscheit auf. So wechselten serner, während das Kornfeld in volle Aehren
reifte, das Umgraben der Kartoffel und des Mais — die sehr oft auch auf einem
Felde untereinander gebaut wurden — mit dem Auflockern der Tabakspflanze ab,
bis endlich im Herbste die eigentliche Feldarbeit beendigt war und mit dem Fest
der Weinlese beschlossen wurde. Nun sind ans diesem Segensregister zwei große
Rubriken gestrichen worden. Die Tabakpflanzung wurde durch das eingeführte
Monopol verleidet, und der Weinban in vielen Gegenden unmöglich gemacht.
Ueber ersteres haben sich auswärtige und selbst unsere commandirten Organe zur
Genüge und bis zur Ermüdung ausgesprochen; über letztern haben wir nnr die
Bemerkung zu machen, daß nach der neuen Steuerordnung von jedem Eimer
Wein ein Gulden Münze zu entrichten ist, während in guten Weinjahreu bei uus
viele Weinsorten zu ^0—68 Kreuzer verkauft werdeu. Dazu kommt noch, daß
der größte Theil der neuen Verordnungen selbst für die Beamten unverständlich
ist, was bei uns bereits eine förmliche Stenerliteratur, eine Unzahl von Hand¬
büchern für Beamte und Nichtbeamte erzeugt, aber das büreaukratische Dunkel
nichts weniger als zerstreut hat. Die Folgen sind augenscheinlich; schon in diesem
Jahre werden — wie selbst vfficiöse Blätter berichten — viele Weingärten ent¬
wurzelt und zu Ackerfeldern umgestaltet, während«?der Tabakban noch größere Ver¬
luste erleidet.

Indessen gibt es noch Leute bei uus, die nichts Eifrigeres zu thun haben,
als neue Ehrendiplome zu erfinden und kostspielige Deputatiouswauderungen an¬
zustellen. So ist die Pesther Deputation kaum von Warschau zurückgekommen,
wo sie ein Ehrendiplom, dessen Kalligraphie allein 1200 Gulden Münze kostete,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/42>, abgerufen am 15.05.2024.