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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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das Mädchen sich selbst decken will, und wird deshalb von seinem Bruder erschla¬
gen. Diesen schleppen die heidnischen Preußen mit sich fort, um ihn mit sammt
seinem Vater Waidewnth, dessen Religion ihnen unbequem geworden ist, zu opfern.
-- Dieser Inhalt ist aber die Nebensache; die eigentliche Hauptperson des Stücks
ist der Geist des heiligen Adelbert, der in der Gestalt eines Citherspielers dem
Deutschen Heere folgt und sowol eine Reihe von Wundern thut, als durch unver¬
ständliche Redensarten seinen Mitspielern und dem Publicum imponirt. Zuweilen
geschieht das auf eine etwas burleske Weise. Als er z. B. auf dem Marsch zurückbleibt,
fragt ihn einer der Ritter: "Nun, Spielmann, hinkt's?" worauf er antwortet: "Es
friert, gestrenger Herr," was natürlich symbolisch zu verstehen ist, denn er setzt
.gleich darauf hinzu: "Mich friert's so immer, wenn ich rundum das kalte Thun
und Treiben betrachte." Zuweilen wird aber seine UnVerständlichkeit auch tragisch;
so in einem Liede, welches er bei einem Bankett singt, und worin der geheimste
Gedanke dieser Tragödie ausgedrückt werden soll:

Wenn nachher einer von den zuhörenden Naturalisten bemerkt: "Mein Sau¬
hirt dudelt's wol besser noch", so möchte das in mancher Beziehung richtig sein.
Der heilige Adelbert ist sich seiner himmlischen Unverständlichkeit auch wohl bewußt;
wenn er eine lange Rede gehalten hat und man ihm darauf bemerkt, man könne
ihn nicht verstehen, so erwidert er jedesmal, es wäre auch nicht nöthig. Desto
unmittelbarer wirkt er auf die Sinne ein; namentlich wenn die Mitternachtsglocke
schlägt, so spricht er mit ernster, dröhnender Stimme, und geht mit starken, nach¬
hallenden Tritten ab. Wenn die Heiden ihn sehen, so macht der Anblick sie
wahnsinnig, und sie erkennen in ihm eher den Geist heraus, als die Christen, die
noch nicht ganz im Reinen mit sich sind. Der Bischof Christian wittert ihn ge¬
wissermaßen: "Ein überirdisch Wesen ist uns nahe, ich fühle wol sein Wehn in
meinem Innern, doch weiß ich nicht, von wannen, noch wohin." Ein Anderer,


das Mädchen sich selbst decken will, und wird deshalb von seinem Bruder erschla¬
gen. Diesen schleppen die heidnischen Preußen mit sich fort, um ihn mit sammt
seinem Vater Waidewnth, dessen Religion ihnen unbequem geworden ist, zu opfern.
— Dieser Inhalt ist aber die Nebensache; die eigentliche Hauptperson des Stücks
ist der Geist des heiligen Adelbert, der in der Gestalt eines Citherspielers dem
Deutschen Heere folgt und sowol eine Reihe von Wundern thut, als durch unver¬
ständliche Redensarten seinen Mitspielern und dem Publicum imponirt. Zuweilen
geschieht das auf eine etwas burleske Weise. Als er z. B. auf dem Marsch zurückbleibt,
fragt ihn einer der Ritter: „Nun, Spielmann, hinkt's?" worauf er antwortet: „Es
friert, gestrenger Herr," was natürlich symbolisch zu verstehen ist, denn er setzt
.gleich darauf hinzu: „Mich friert's so immer, wenn ich rundum das kalte Thun
und Treiben betrachte." Zuweilen wird aber seine UnVerständlichkeit auch tragisch;
so in einem Liede, welches er bei einem Bankett singt, und worin der geheimste
Gedanke dieser Tragödie ausgedrückt werden soll:

Wenn nachher einer von den zuhörenden Naturalisten bemerkt: „Mein Sau¬
hirt dudelt's wol besser noch", so möchte das in mancher Beziehung richtig sein.
Der heilige Adelbert ist sich seiner himmlischen Unverständlichkeit auch wohl bewußt;
wenn er eine lange Rede gehalten hat und man ihm darauf bemerkt, man könne
ihn nicht verstehen, so erwidert er jedesmal, es wäre auch nicht nöthig. Desto
unmittelbarer wirkt er auf die Sinne ein; namentlich wenn die Mitternachtsglocke
schlägt, so spricht er mit ernster, dröhnender Stimme, und geht mit starken, nach¬
hallenden Tritten ab. Wenn die Heiden ihn sehen, so macht der Anblick sie
wahnsinnig, und sie erkennen in ihm eher den Geist heraus, als die Christen, die
noch nicht ganz im Reinen mit sich sind. Der Bischof Christian wittert ihn ge¬
wissermaßen: „Ein überirdisch Wesen ist uns nahe, ich fühle wol sein Wehn in
meinem Innern, doch weiß ich nicht, von wannen, noch wohin." Ein Anderer,


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[0460] das Mädchen sich selbst decken will, und wird deshalb von seinem Bruder erschla¬ gen. Diesen schleppen die heidnischen Preußen mit sich fort, um ihn mit sammt seinem Vater Waidewnth, dessen Religion ihnen unbequem geworden ist, zu opfern. — Dieser Inhalt ist aber die Nebensache; die eigentliche Hauptperson des Stücks ist der Geist des heiligen Adelbert, der in der Gestalt eines Citherspielers dem Deutschen Heere folgt und sowol eine Reihe von Wundern thut, als durch unver¬ ständliche Redensarten seinen Mitspielern und dem Publicum imponirt. Zuweilen geschieht das auf eine etwas burleske Weise. Als er z. B. auf dem Marsch zurückbleibt, fragt ihn einer der Ritter: „Nun, Spielmann, hinkt's?" worauf er antwortet: „Es friert, gestrenger Herr," was natürlich symbolisch zu verstehen ist, denn er setzt .gleich darauf hinzu: „Mich friert's so immer, wenn ich rundum das kalte Thun und Treiben betrachte." Zuweilen wird aber seine UnVerständlichkeit auch tragisch; so in einem Liede, welches er bei einem Bankett singt, und worin der geheimste Gedanke dieser Tragödie ausgedrückt werden soll: Wenn nachher einer von den zuhörenden Naturalisten bemerkt: „Mein Sau¬ hirt dudelt's wol besser noch", so möchte das in mancher Beziehung richtig sein. Der heilige Adelbert ist sich seiner himmlischen Unverständlichkeit auch wohl bewußt; wenn er eine lange Rede gehalten hat und man ihm darauf bemerkt, man könne ihn nicht verstehen, so erwidert er jedesmal, es wäre auch nicht nöthig. Desto unmittelbarer wirkt er auf die Sinne ein; namentlich wenn die Mitternachtsglocke schlägt, so spricht er mit ernster, dröhnender Stimme, und geht mit starken, nach¬ hallenden Tritten ab. Wenn die Heiden ihn sehen, so macht der Anblick sie wahnsinnig, und sie erkennen in ihm eher den Geist heraus, als die Christen, die noch nicht ganz im Reinen mit sich sind. Der Bischof Christian wittert ihn ge¬ wissermaßen: „Ein überirdisch Wesen ist uns nahe, ich fühle wol sein Wehn in meinem Innern, doch weiß ich nicht, von wannen, noch wohin." Ein Anderer,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/460>, abgerufen am 05.06.2024.