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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Der Harz erhebt sich inselartig ans der Ebene. Mau kann ihn seinem
Aussehn nach einem Baum vergleichen, von dem der Brocken die Krone, der
Oberharz deu Stamm und alles Uebrige die weithin gestreckten Wurzeln bildet;
obgleich an seinem nördlichen schroffem AbHange die berühmtesten Punkte liegen,
ist doch der Gesammtaublick vou Süden her schöner. Er erscheint hier anmuthiger
und abgerundeter und die Höhen, von dunklen Forsten bekränzt, erheben sich
wellenförmig und allmälig bis zum Brockcngipfel. Sein Umfang ist schwer zu
bestimmen. Welche fabelhafte Ausdehnung der Hercynische*) Wald bei den Ge¬
schichtschreibern des Alterthums hat, ist bekannt. Historisch ist es sodann, daß
der alte Harzgau ungefähr bis zum Elm reichte, so daß die jetzige Magdeburg-
Braunschwciger Eisenbahn eine Strecke weit mitten dnrch ihn hinläuft. Am Meisten
will der Geognost den Umfang des Harzes beschränken, indem er ihn nach dem
Aufhören eiuer bestimmten specifisch Harzischen Gebirgsformation begrenzt, an einer
Stelle, wo das Gebirge selbst nicht eigentlich aufhört. Doch folgen wir dem
Sprachgebrauch, der das ganze Gebirge von Mannsfeld bis Osterode, von Ballen-
stedt, Wernigerode und Goslar bis Nordhausen und Roßla den Harz nennt.
Seine Grundfläche beträgt 36 Quadratmeilen; ans diesen zählt er 100,000 E.,
so daß er bereits übervölkert genannt werden muß. Fünf Sechstel des Harzes
nimmt das sogenannte Uebergangsgebirge, Thonschiefer und Grauwacke (letzteres ist
sein merkwürdigstes Fossil) ein. Man theilt ihn ein in den Ober-, Unter- und
Vorharz. Der Vorharz umfaßt die hügeligen und waldigen Aufläufe westwärts
mit den Städten Goslar, Gittelde, Seesen, Osterode und Herzberg. Der
Unterharz besteht ans den fünf Provinzen: Blankenburg, Anhalt-Harzgerode,
Stolberg-Stolberg, Stolberg-Wernigerode, und dem Braunschweigischen Amt
Walkenried. In 60 Dörfern und 7 Städten zählt er mehr als 30,000 Einw.
Er wird gebildet von Ganggebirge und Flötzgebirge. Ju dem metallreichen Ober¬
harz tritt der Granit zu Tage. Er besteht aus den sieben Bergstädten Claus¬
thal, Zellerfeld, Andreasberg, Alkman, Lautenthal, Wildemann und Grund, zählt
30,000 E. und bildet mit dem Brocken den nordwestlichen Theil des Harzes.
In gewöhnlicher Rede, doch ungenau, theilt man das ganze Gebirge nach seinen
beiden Stromgebieten meist nnr in den Ober- und Unterharz, so daß der west¬
liche Theil, dessen Flüsse zum Wesergebiet gehören, der Oberharz, und der östliche,
der seine Flüsse der Elbe zusendet, der Unterharz genannt wird.

Der Harz kann streng genommen weder als eine einzige fortlaufende Berg¬
kette, noch als ein einziges Hochland betrachtet werden, sondern besteht seiner
Bildung nach aus verschiedenen Bergplateaus oder Gruppen. In mineralogischer
Hinsicht sind anßer dem Oberharz, dem wir spater besondere Beachtung widmen



*) Noch jetzt heißt eine kleine Waldstrecke bei dem Bernburgischen Orte GüntherSbcrge die
Hercyne.

Der Harz erhebt sich inselartig ans der Ebene. Mau kann ihn seinem
Aussehn nach einem Baum vergleichen, von dem der Brocken die Krone, der
Oberharz deu Stamm und alles Uebrige die weithin gestreckten Wurzeln bildet;
obgleich an seinem nördlichen schroffem AbHange die berühmtesten Punkte liegen,
ist doch der Gesammtaublick vou Süden her schöner. Er erscheint hier anmuthiger
und abgerundeter und die Höhen, von dunklen Forsten bekränzt, erheben sich
wellenförmig und allmälig bis zum Brockcngipfel. Sein Umfang ist schwer zu
bestimmen. Welche fabelhafte Ausdehnung der Hercynische*) Wald bei den Ge¬
schichtschreibern des Alterthums hat, ist bekannt. Historisch ist es sodann, daß
der alte Harzgau ungefähr bis zum Elm reichte, so daß die jetzige Magdeburg-
Braunschwciger Eisenbahn eine Strecke weit mitten dnrch ihn hinläuft. Am Meisten
will der Geognost den Umfang des Harzes beschränken, indem er ihn nach dem
Aufhören eiuer bestimmten specifisch Harzischen Gebirgsformation begrenzt, an einer
Stelle, wo das Gebirge selbst nicht eigentlich aufhört. Doch folgen wir dem
Sprachgebrauch, der das ganze Gebirge von Mannsfeld bis Osterode, von Ballen-
stedt, Wernigerode und Goslar bis Nordhausen und Roßla den Harz nennt.
Seine Grundfläche beträgt 36 Quadratmeilen; ans diesen zählt er 100,000 E.,
so daß er bereits übervölkert genannt werden muß. Fünf Sechstel des Harzes
nimmt das sogenannte Uebergangsgebirge, Thonschiefer und Grauwacke (letzteres ist
sein merkwürdigstes Fossil) ein. Man theilt ihn ein in den Ober-, Unter- und
Vorharz. Der Vorharz umfaßt die hügeligen und waldigen Aufläufe westwärts
mit den Städten Goslar, Gittelde, Seesen, Osterode und Herzberg. Der
Unterharz besteht ans den fünf Provinzen: Blankenburg, Anhalt-Harzgerode,
Stolberg-Stolberg, Stolberg-Wernigerode, und dem Braunschweigischen Amt
Walkenried. In 60 Dörfern und 7 Städten zählt er mehr als 30,000 Einw.
Er wird gebildet von Ganggebirge und Flötzgebirge. Ju dem metallreichen Ober¬
harz tritt der Granit zu Tage. Er besteht aus den sieben Bergstädten Claus¬
thal, Zellerfeld, Andreasberg, Alkman, Lautenthal, Wildemann und Grund, zählt
30,000 E. und bildet mit dem Brocken den nordwestlichen Theil des Harzes.
In gewöhnlicher Rede, doch ungenau, theilt man das ganze Gebirge nach seinen
beiden Stromgebieten meist nnr in den Ober- und Unterharz, so daß der west¬
liche Theil, dessen Flüsse zum Wesergebiet gehören, der Oberharz, und der östliche,
der seine Flüsse der Elbe zusendet, der Unterharz genannt wird.

Der Harz kann streng genommen weder als eine einzige fortlaufende Berg¬
kette, noch als ein einziges Hochland betrachtet werden, sondern besteht seiner
Bildung nach aus verschiedenen Bergplateaus oder Gruppen. In mineralogischer
Hinsicht sind anßer dem Oberharz, dem wir spater besondere Beachtung widmen



*) Noch jetzt heißt eine kleine Waldstrecke bei dem Bernburgischen Orte GüntherSbcrge die
Hercyne.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/470>, abgerufen am 16.05.2024.