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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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Stande gekommen, und ein einseitiges Zurückgehen auf das Alte würde nicht
nur der Sache der Freiheit, sondern auch der Sache der Ordnung einen harten
Stoß versetzen. Außerdem hat die neue Verfassung den unberechenbaren Vorzug,
daß sie die Fiction aufhebt, als seien die Kammern nur die Vertreter von Sondcr-
interessen, während das Allgemeine des Staats lediglich in der Monarchie und
deren Organ, dem Beamtenthum, dargestellt sei. Diese Betrachtung schließt
aber keineswegs die Möglichkeit ans, ans dem Wege der neuen Verfassung sich
der alten insofern zu nähern, als die zweckmäßigen Einrichtungen derselben wieder
aufgenommen, die Uebelstände entfernt werden. Es ist diese Ansicht beiläufig der
Boden, auf dem wir uns den liberalen Elementen einer Partei nähern können,
die bis jetzt ihres Schwankens und ihrer Unentschiedenheit wegen gerechten Vor¬
würfen ausgesetzt war, ohne die aber doch an eine geordnete Reform des Staats
nicht zu denke" ist, nämlich der Partei, deren ungefähren Ausdruck wir in dem
Centrum der gegenwärtigen Kammern finden.

Es ist übrigens diese Frage anch wieder charakteristisch für das Ministerium,
das damit eben so wieder einen Kampf gegen seine eigene Vergangenheit unter-
nimmt, wie in der Deutschen Frage. In dieser benutzte es die Resultate der
Revolution, um Preußen unter dem Vorwand parlamentarischer Einrichtungen zu
vergrößern, und stand davon erst ab, als es sich beinahe mit seinen Freunden
darüber überwerfen, und sich in einen Krieg mit seinen Verbündeten eingelassen
hatte. Eben so hätte es in den innern Angelegenheiten gern die Altpreußische
Tendenz, bureaukratisch zu centralisiren, weiter verfolgt. Die Aufhebung der
Patrimonialgerichte, der ständischen Thätigkeit, die Ernennung der Landräthe von
Seiten der Regierung und dergleichen mußten ihm in diesem Sinne willkommen
sein; aber der Strom der Zeit trieb es vorwärts, ohne daß in diesem Fall seine
Umkehr durch ein äußeres Hinderniß motivirt gewesen wäre. Im engen Bund
mit der kirchlichen und Adelspartei, die ihm eben sowol an politischem Inhalt
überlegen war, wie in der Entschlossenheit, mit der es denselben vertrat, mußte
es eben so seine eigenen Errungenschaften aufgeben, wie die des Volks. Es wird
jetzt ein eben so treuer Bundesgenosse der Rechten sein, wie früher der Linken, --
d. h. ein unstäter und schwankender. Es wäre Nichts thörichter, als dadurch,
daß wir vou unsrer Seite bei ihm einen fast ausgeprägten Willen und eine ihres
Ziels bewußte Richtung voraussetzen, es in diese Richtung zu treiben.

Da sich in Oestreich wie in allen übrigen Deutschen Staaten ein ganz ähn¬
liches Schauspiel vorbereitet, so kommen wir noch einmal ausführlicher auf diese
-j- -Z- sissnawra temxoris zurück.




Stande gekommen, und ein einseitiges Zurückgehen auf das Alte würde nicht
nur der Sache der Freiheit, sondern auch der Sache der Ordnung einen harten
Stoß versetzen. Außerdem hat die neue Verfassung den unberechenbaren Vorzug,
daß sie die Fiction aufhebt, als seien die Kammern nur die Vertreter von Sondcr-
interessen, während das Allgemeine des Staats lediglich in der Monarchie und
deren Organ, dem Beamtenthum, dargestellt sei. Diese Betrachtung schließt
aber keineswegs die Möglichkeit ans, ans dem Wege der neuen Verfassung sich
der alten insofern zu nähern, als die zweckmäßigen Einrichtungen derselben wieder
aufgenommen, die Uebelstände entfernt werden. Es ist diese Ansicht beiläufig der
Boden, auf dem wir uns den liberalen Elementen einer Partei nähern können,
die bis jetzt ihres Schwankens und ihrer Unentschiedenheit wegen gerechten Vor¬
würfen ausgesetzt war, ohne die aber doch an eine geordnete Reform des Staats
nicht zu denke» ist, nämlich der Partei, deren ungefähren Ausdruck wir in dem
Centrum der gegenwärtigen Kammern finden.

Es ist übrigens diese Frage anch wieder charakteristisch für das Ministerium,
das damit eben so wieder einen Kampf gegen seine eigene Vergangenheit unter-
nimmt, wie in der Deutschen Frage. In dieser benutzte es die Resultate der
Revolution, um Preußen unter dem Vorwand parlamentarischer Einrichtungen zu
vergrößern, und stand davon erst ab, als es sich beinahe mit seinen Freunden
darüber überwerfen, und sich in einen Krieg mit seinen Verbündeten eingelassen
hatte. Eben so hätte es in den innern Angelegenheiten gern die Altpreußische
Tendenz, bureaukratisch zu centralisiren, weiter verfolgt. Die Aufhebung der
Patrimonialgerichte, der ständischen Thätigkeit, die Ernennung der Landräthe von
Seiten der Regierung und dergleichen mußten ihm in diesem Sinne willkommen
sein; aber der Strom der Zeit trieb es vorwärts, ohne daß in diesem Fall seine
Umkehr durch ein äußeres Hinderniß motivirt gewesen wäre. Im engen Bund
mit der kirchlichen und Adelspartei, die ihm eben sowol an politischem Inhalt
überlegen war, wie in der Entschlossenheit, mit der es denselben vertrat, mußte
es eben so seine eigenen Errungenschaften aufgeben, wie die des Volks. Es wird
jetzt ein eben so treuer Bundesgenosse der Rechten sein, wie früher der Linken, —
d. h. ein unstäter und schwankender. Es wäre Nichts thörichter, als dadurch,
daß wir vou unsrer Seite bei ihm einen fast ausgeprägten Willen und eine ihres
Ziels bewußte Richtung voraussetzen, es in diese Richtung zu treiben.

Da sich in Oestreich wie in allen übrigen Deutschen Staaten ein ganz ähn¬
liches Schauspiel vorbereitet, so kommen wir noch einmal ausführlicher auf diese
-j- -Z- sissnawra temxoris zurück.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/484>, abgerufen am 15.05.2024.