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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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mit ihren glänzenden Farben mir ein Product des Treibhauses war, und den
augenblicklichen Impuls uicht überdauern konnte, vorzugsweise in der natio¬
nalen Bewegung der Freiheitskriege geltend. So viel Uebertriebenes und Trübes
in der tropischen Hitze dieses Nationalgefühls vorhanden war, so war mit ihm
doch die richtige Grundlage gegeben, aus welcher eine spätere, beruhigte und ge¬
klärte Zeit einen dauerhaften Bau aufrichten konnte.

Es war nicht ein Zufall, daß gerade in England zuerst das Positive dieser
Romantik ans Licht trat. Das stolze Albion war durch den Sohn der Revolu¬
tion niemals überwunden worden; es hatte in dem Kampf gegen den gemeinsamen
Feind aller Volker die Fahne vorangetragen, es hatte den organischen Naturwnchs,
den man in Deutschland erst aus vergilbten Pergament heransklügeln mußte, in
seiner Geschichte und in seinem Staatsleben in lebendiger Gegenwart, es durfte
sich also nicht erst in die Begeisterung für eine der bisherigen Entwickelung eigentlich
fremde Anschauung hineinschwindeln. Sein Mittelalter war ihm in seiner Aristo¬
kratie, seinen Städten, seiner Verfassung, seinen Volksliedern gegenwärtig, ohne
den Schein einer imponirenden Fremdartigkeit, geläutert und aufgeklärt, es durfte
nur den französischen Firniß abwischen, um sich selbst wiederzufinden. Während
daher die Poesie der deutschen Romantiker das Eigenthum exclusiver Cirkel blieb,
bemächtigte sich der Hauptvertreter der englischen Romantik, Walter Scott, des
gesammten Volks.

Man verzeihe mir diese lange Einleitung; sie ist wesentlich, um die Bedeu¬
tung unsers Dichters für seiue Zeit zu verstehen, und nur durch die Feststellung dieses
historischen Verhältnisses wird der wahre Werth einer neuen poetischen Richtung
begründet. Ich gehe zunächst aus die erste Periode seiner Leistungen ein.

Geboren im Jahre 1771-, seit 1783 ans der Universität Edinburg erzogen
und schon seit 1792 als Sachwalter in der Hauptstadt seines Landes angestellt,
trat er zuerst 1796 mit der Uebersetzung der "Lenore" und des "wilden Jägers,"
1799 mit der Uebersetzung des "Götz von Berlichingen" hervor; 1801 gab er
seine ersten Balladen heraus und sammelte die historischen Volkslieder des wild¬
romantischen Grenzlandes, welches er in seinen vielfachen Ausflügen näher kennen
gelernt hatte, unter dem Titel: Ninstrelsz? ok ete SootlisK boräsr (1802) mit an¬
ziehenden historischen Anmerkungen; 1804 gab er den "Iristram des Thomas von
Ercildoune heraus. Der günstige Erfolg dieser Arbeiten und ein bequemes Amt
veranlaßten ihn, sich von jetzt an vorzugsweise der schriftstellerischen Thätigkeit
hinzugeben, woraus die Reihe seiner Gedichte hervorging: ?K<z ok last
Mnswsl (1805), neue Balladen (1806), Narmion, eine Erzählung aus der
Schlacht von Floddenfield (1808), Ids 1^ ok dirs late (1810), Ms vision
ok Oon KoÄsrielr (1811), UoKod? (1813), Ilrs tora ok >5ö islos (1814), endlich
anonym 1?Irv brlclal ot Iriorirmw und Karolä dei<z 6a,rotis88, Der Erfolg der
vier ersten Gedichte war ungeheuer. Noch mit dem I.ora ok tds islss konnte er,


mit ihren glänzenden Farben mir ein Product des Treibhauses war, und den
augenblicklichen Impuls uicht überdauern konnte, vorzugsweise in der natio¬
nalen Bewegung der Freiheitskriege geltend. So viel Uebertriebenes und Trübes
in der tropischen Hitze dieses Nationalgefühls vorhanden war, so war mit ihm
doch die richtige Grundlage gegeben, aus welcher eine spätere, beruhigte und ge¬
klärte Zeit einen dauerhaften Bau aufrichten konnte.

Es war nicht ein Zufall, daß gerade in England zuerst das Positive dieser
Romantik ans Licht trat. Das stolze Albion war durch den Sohn der Revolu¬
tion niemals überwunden worden; es hatte in dem Kampf gegen den gemeinsamen
Feind aller Volker die Fahne vorangetragen, es hatte den organischen Naturwnchs,
den man in Deutschland erst aus vergilbten Pergament heransklügeln mußte, in
seiner Geschichte und in seinem Staatsleben in lebendiger Gegenwart, es durfte
sich also nicht erst in die Begeisterung für eine der bisherigen Entwickelung eigentlich
fremde Anschauung hineinschwindeln. Sein Mittelalter war ihm in seiner Aristo¬
kratie, seinen Städten, seiner Verfassung, seinen Volksliedern gegenwärtig, ohne
den Schein einer imponirenden Fremdartigkeit, geläutert und aufgeklärt, es durfte
nur den französischen Firniß abwischen, um sich selbst wiederzufinden. Während
daher die Poesie der deutschen Romantiker das Eigenthum exclusiver Cirkel blieb,
bemächtigte sich der Hauptvertreter der englischen Romantik, Walter Scott, des
gesammten Volks.

Man verzeihe mir diese lange Einleitung; sie ist wesentlich, um die Bedeu¬
tung unsers Dichters für seiue Zeit zu verstehen, und nur durch die Feststellung dieses
historischen Verhältnisses wird der wahre Werth einer neuen poetischen Richtung
begründet. Ich gehe zunächst aus die erste Periode seiner Leistungen ein.

Geboren im Jahre 1771-, seit 1783 ans der Universität Edinburg erzogen
und schon seit 1792 als Sachwalter in der Hauptstadt seines Landes angestellt,
trat er zuerst 1796 mit der Uebersetzung der „Lenore" und des „wilden Jägers,"
1799 mit der Uebersetzung des „Götz von Berlichingen" hervor; 1801 gab er
seine ersten Balladen heraus und sammelte die historischen Volkslieder des wild¬
romantischen Grenzlandes, welches er in seinen vielfachen Ausflügen näher kennen
gelernt hatte, unter dem Titel: Ninstrelsz? ok ete SootlisK boräsr (1802) mit an¬
ziehenden historischen Anmerkungen; 1804 gab er den "Iristram des Thomas von
Ercildoune heraus. Der günstige Erfolg dieser Arbeiten und ein bequemes Amt
veranlaßten ihn, sich von jetzt an vorzugsweise der schriftstellerischen Thätigkeit
hinzugeben, woraus die Reihe seiner Gedichte hervorging: ?K<z ok last
Mnswsl (1805), neue Balladen (1806), Narmion, eine Erzählung aus der
Schlacht von Floddenfield (1808), Ids 1^ ok dirs late (1810), Ms vision
ok Oon KoÄsrielr (1811), UoKod? (1813), Ilrs tora ok >5ö islos (1814), endlich
anonym 1?Irv brlclal ot Iriorirmw und Karolä dei<z 6a,rotis88, Der Erfolg der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/57>, abgerufen am 05.06.2024.