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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

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vermöchte. So ging er als Freiwilliger nach Schleswig-Holstein. Vorher erließ
er ein "Abschiedswort an seine Wähler". "Die Partei," sagt er in demselben,
"welcher ich während der ganzen Dauer des Parlaments angehörte, hat immer
danach gestrebt, die revolutionairen Bestrebungen in die Bahnen der Reform hin¬
überzuleiten. Ich weiß wohl, daß es in Zeiten des Sturmes und Dranges nicht
gern gehört wird, wenn man ans diesen zwar langsamen, aber sicher zum Ziel
führenden Weg verweist; ich weiß, daß es für viele Männer etwas Angenehmeres
hat, sich an den langjährigen Unterdrückern der Freiheit und Größe des Vater¬
landes zu rächen und sie vor sich in den Staub zu werfen; ich weiß aber auch,
daß es zwar sehr wohlfeil und leicht ist, in eine Pulvertonne einen Funken zu
werfen, eine aufgeregte Masse zur bewaffneten Erhebung zu rufen, daß es aber
die frevelhafteste Gewissenlosigkeit ist, eine zick- und maßlose Bewegung zu ver¬
anlassen, welche Tausende in's Unglück stürzen, Familien- und Gemeindewohl zer¬
stören kann, ohne daß man die Mittel zur Durchführung der Bewegung übersehen
oder nur mit Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß dieselbe zu einem erfreulichen
Resultate führen werde. So sehr ich nun bereit bin, mich selbst sür des Vater¬
landes Wohl zum Opfer zu bringe", wo es noth thut, so halte ich es doch für
Unrecht, Leute zur Erhebung aufzufordern, welche vielleicht nicht erwägen und
überschauen, welche Opfer es ihnen kosten kann."

Dann legt er seinen Wählern zum Abschied drei Bitten an's Herz. Für's
Erste möchten sie, wenn von der Erhebung sür Durchführung der Reichsverfassung
die Rede sei, wohl zusehen, von wem dieser Ruf ergehe, und Denen mißtrauen,
die, nachdem sie das ganze Jahr über die Majorität der Nationalversammlung
geschmäht und alle ihre Beschlüsse herabgesetzt, jetzt sich den Anschein gäben, für
die Reichsverfassung und nur für diese zu kämpfen. Sodann sollen sie auf der
Bahn des Gesetzes beharren und glauben, daß jeder Schritt, welcher auf dieser
Bahn zum Ziele deutscher Einheit und Freiheit gelinge, niemals zurückgethan zu
werden brauche, jeder andere dagegen nur den Feinden dieser edlen Güter zur
Freude gereiche. Endlich aber bittet er sie, den Haß gegen das Vaterlands- und
freiheitsfeindliche Cabinet Brandenburg-Manteuffel nicht überzutragen auf das
preußische Volk; vielmehr möchten sie bedenken, "daß die Preußen für die spätere
Zeit ohne sie nud sie ohne die Preußen nichts sein und werden können."

"Schöne Hoffnungen," fährt er sort, "sehen wir nach langen treuen Kämpfen
scheitern, und wenn ich mir auch bewußt bin, consequent an deu Grundsätzen
gehalten zu haben, welche ich am Tage der Wahl vor Ihnen aussprach, so ist
mir doch schou der Gedanke gekommen: wäre es nicht besser gewesen, gleich vom
Anfang an kühn den Weg der Revolution einzuschlagen, die Throne zu stürzen
und auf neuen Grundlagen das deutsche Reich zu gründen? Wir hätten vielleicht
in der allgemeinen Erregung des vorigen Frühjahrs mit Erfolg so auftreten kön¬
nen, und doch spreche ich es offen aus: es gereicht dem deutschen Volke zur Ehre,


vermöchte. So ging er als Freiwilliger nach Schleswig-Holstein. Vorher erließ
er ein „Abschiedswort an seine Wähler". „Die Partei," sagt er in demselben,
„welcher ich während der ganzen Dauer des Parlaments angehörte, hat immer
danach gestrebt, die revolutionairen Bestrebungen in die Bahnen der Reform hin¬
überzuleiten. Ich weiß wohl, daß es in Zeiten des Sturmes und Dranges nicht
gern gehört wird, wenn man ans diesen zwar langsamen, aber sicher zum Ziel
führenden Weg verweist; ich weiß, daß es für viele Männer etwas Angenehmeres
hat, sich an den langjährigen Unterdrückern der Freiheit und Größe des Vater¬
landes zu rächen und sie vor sich in den Staub zu werfen; ich weiß aber auch,
daß es zwar sehr wohlfeil und leicht ist, in eine Pulvertonne einen Funken zu
werfen, eine aufgeregte Masse zur bewaffneten Erhebung zu rufen, daß es aber
die frevelhafteste Gewissenlosigkeit ist, eine zick- und maßlose Bewegung zu ver¬
anlassen, welche Tausende in's Unglück stürzen, Familien- und Gemeindewohl zer¬
stören kann, ohne daß man die Mittel zur Durchführung der Bewegung übersehen
oder nur mit Wahrscheinlichkeit annehmen kann, daß dieselbe zu einem erfreulichen
Resultate führen werde. So sehr ich nun bereit bin, mich selbst sür des Vater¬
landes Wohl zum Opfer zu bringe», wo es noth thut, so halte ich es doch für
Unrecht, Leute zur Erhebung aufzufordern, welche vielleicht nicht erwägen und
überschauen, welche Opfer es ihnen kosten kann."

Dann legt er seinen Wählern zum Abschied drei Bitten an's Herz. Für's
Erste möchten sie, wenn von der Erhebung sür Durchführung der Reichsverfassung
die Rede sei, wohl zusehen, von wem dieser Ruf ergehe, und Denen mißtrauen,
die, nachdem sie das ganze Jahr über die Majorität der Nationalversammlung
geschmäht und alle ihre Beschlüsse herabgesetzt, jetzt sich den Anschein gäben, für
die Reichsverfassung und nur für diese zu kämpfen. Sodann sollen sie auf der
Bahn des Gesetzes beharren und glauben, daß jeder Schritt, welcher auf dieser
Bahn zum Ziele deutscher Einheit und Freiheit gelinge, niemals zurückgethan zu
werden brauche, jeder andere dagegen nur den Feinden dieser edlen Güter zur
Freude gereiche. Endlich aber bittet er sie, den Haß gegen das Vaterlands- und
freiheitsfeindliche Cabinet Brandenburg-Manteuffel nicht überzutragen auf das
preußische Volk; vielmehr möchten sie bedenken, „daß die Preußen für die spätere
Zeit ohne sie nud sie ohne die Preußen nichts sein und werden können."

„Schöne Hoffnungen," fährt er sort, „sehen wir nach langen treuen Kämpfen
scheitern, und wenn ich mir auch bewußt bin, consequent an deu Grundsätzen
gehalten zu haben, welche ich am Tage der Wahl vor Ihnen aussprach, so ist
mir doch schou der Gedanke gekommen: wäre es nicht besser gewesen, gleich vom
Anfang an kühn den Weg der Revolution einzuschlagen, die Throne zu stürzen
und auf neuen Grundlagen das deutsche Reich zu gründen? Wir hätten vielleicht
in der allgemeinen Erregung des vorigen Frühjahrs mit Erfolg so auftreten kön¬
nen, und doch spreche ich es offen aus: es gereicht dem deutschen Volke zur Ehre,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/80>, abgerufen am 11.06.2024.