Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

züge zu zeigen. Wol nur wenige Officiere im ganzen Heere haben so viele
warme Freunde, und so äußerst wenige, ja wol gar keine Feinde gehabt, wie
der Verstorbene. Sein plötzlicher Tod wnd bei Allen, welche die Ehre
gehabt, in der kleinen, nun so schmählich aufgelösten Schleswig-holsteinischen
Armee gedient zu haben, die aufrichtigste Trauer erregen. Und doch war seine
Stellung keine leichte, sie erforderte, mancher eigenthümlichen Verhältnisse wegen,
die näher zu erörtern hier nicht der rechte Platz wäre, vielen Takt, und hätte
ihm sonst leicht gar manche Feinde zuziehen können. An der blutigen Schlacht
bei Jdstädt nahm Hans v. Raumer lebhaften Antheil, war wiederholt im heftig¬
sten feindlichen Feuer, und verlor ein Pferd dabei, das ihm unter dem Leibe so
schwer verwundet wurde, daß er es gleich erschießen mußte. Er hat gerade an
diesem Tage Gelegenheit gehabt, mehre sehr schwierige und gefährliche Aufträge
des Obergenerals mit großer Geschicklichkeit und besonderem Muthe auszurichten.

Der unglückliche Ausgang dieser Schlacht, und mehr noch der sich immer
düsterer umwölkende Horizont Deutschlands und Schleswig-Holsteins, zehrte im
Herbst 1850 ersichtlich immer mehr und mehr an der innern Lebenskraft des
Lieutenant v. Raumer. Seine sonst so kräftige Gesundheit konnte dem tiefen
Gram um das der Schande preisgegebene theure Vaterland nicht widerstehen.
Es war anfänglich seine Absicht gewesen, nach beendeten Kriege seinen Abschied
zu nehmen, um als Advocat in Schleswig-Holstein, dessen trefflichen, kernichtcn
Volksstamm er so recht achten und ehren gelernt hatte, sich niederzulassen, jetzt
mußte er, wie Alle im Heere, fühlen, daß das Geschick dieses armen Landes sich
immer mehr und mehr seinem finstern Verhängniß nahe.

Bei dem Sturme auf Missnnde war er ebenfalls als Adjutant des Generals
von Willisen dem feindlichen Feuer sehr ausgesetzt gewesen, und hatte später dabei
das Unglück, mit dem Pferde zu stürzen und sich uicht unerheblich zu verletzen.
Auch bei dem Sturme auf Friedrichstadt ist er theilweise als Theilnehmer gegen¬
wärtig gewesen.

Was sein Herz bei der gezwungenen Auflösung der Schleswig-holsteinischen
Armee im Januar d. I. gelitten haben muß, vermögen wir hier uicht auszu¬
drücken! Den Kern des Todes schon in seiner Brust tragend, nahm er im Ja¬
nuar d. I. seinen Abschied, um nicht mehr Zeuge der von deutschen Fürsten be¬
fohlenen Zertrümmerung der Schleswig-holsteinischen Truppen sein zu müssen und
reiste in die Heimath zurück. Nach kurzem Krankenlager starb er im Kreise seiner
Familie zu Erlangen. Wenn man ihm eine Grabschrift setzen will, so sei sie:


"Hier ruht ein deutscher Maun, ein Schleswig-holsteinischer
Soldat, dem der Schmerz um des Vaterlandes diesen Fall
das edle Herz gebrochen."

I. v. W.


Grenzboten. II. I8SI.10

züge zu zeigen. Wol nur wenige Officiere im ganzen Heere haben so viele
warme Freunde, und so äußerst wenige, ja wol gar keine Feinde gehabt, wie
der Verstorbene. Sein plötzlicher Tod wnd bei Allen, welche die Ehre
gehabt, in der kleinen, nun so schmählich aufgelösten Schleswig-holsteinischen
Armee gedient zu haben, die aufrichtigste Trauer erregen. Und doch war seine
Stellung keine leichte, sie erforderte, mancher eigenthümlichen Verhältnisse wegen,
die näher zu erörtern hier nicht der rechte Platz wäre, vielen Takt, und hätte
ihm sonst leicht gar manche Feinde zuziehen können. An der blutigen Schlacht
bei Jdstädt nahm Hans v. Raumer lebhaften Antheil, war wiederholt im heftig¬
sten feindlichen Feuer, und verlor ein Pferd dabei, das ihm unter dem Leibe so
schwer verwundet wurde, daß er es gleich erschießen mußte. Er hat gerade an
diesem Tage Gelegenheit gehabt, mehre sehr schwierige und gefährliche Aufträge
des Obergenerals mit großer Geschicklichkeit und besonderem Muthe auszurichten.

Der unglückliche Ausgang dieser Schlacht, und mehr noch der sich immer
düsterer umwölkende Horizont Deutschlands und Schleswig-Holsteins, zehrte im
Herbst 1850 ersichtlich immer mehr und mehr an der innern Lebenskraft des
Lieutenant v. Raumer. Seine sonst so kräftige Gesundheit konnte dem tiefen
Gram um das der Schande preisgegebene theure Vaterland nicht widerstehen.
Es war anfänglich seine Absicht gewesen, nach beendeten Kriege seinen Abschied
zu nehmen, um als Advocat in Schleswig-Holstein, dessen trefflichen, kernichtcn
Volksstamm er so recht achten und ehren gelernt hatte, sich niederzulassen, jetzt
mußte er, wie Alle im Heere, fühlen, daß das Geschick dieses armen Landes sich
immer mehr und mehr seinem finstern Verhängniß nahe.

Bei dem Sturme auf Missnnde war er ebenfalls als Adjutant des Generals
von Willisen dem feindlichen Feuer sehr ausgesetzt gewesen, und hatte später dabei
das Unglück, mit dem Pferde zu stürzen und sich uicht unerheblich zu verletzen.
Auch bei dem Sturme auf Friedrichstadt ist er theilweise als Theilnehmer gegen¬
wärtig gewesen.

Was sein Herz bei der gezwungenen Auflösung der Schleswig-holsteinischen
Armee im Januar d. I. gelitten haben muß, vermögen wir hier uicht auszu¬
drücken! Den Kern des Todes schon in seiner Brust tragend, nahm er im Ja¬
nuar d. I. seinen Abschied, um nicht mehr Zeuge der von deutschen Fürsten be¬
fohlenen Zertrümmerung der Schleswig-holsteinischen Truppen sein zu müssen und
reiste in die Heimath zurück. Nach kurzem Krankenlager starb er im Kreise seiner
Familie zu Erlangen. Wenn man ihm eine Grabschrift setzen will, so sei sie:


„Hier ruht ein deutscher Maun, ein Schleswig-holsteinischer
Soldat, dem der Schmerz um des Vaterlandes diesen Fall
das edle Herz gebrochen."

I. v. W.


Grenzboten. II. I8SI.10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91278"/>
          <p xml:id="ID_216" prev="#ID_215"> züge zu zeigen. Wol nur wenige Officiere im ganzen Heere haben so viele<lb/>
warme Freunde, und so äußerst wenige, ja wol gar keine Feinde gehabt, wie<lb/>
der Verstorbene. Sein plötzlicher Tod wnd bei Allen, welche die Ehre<lb/>
gehabt, in der kleinen, nun so schmählich aufgelösten Schleswig-holsteinischen<lb/>
Armee gedient zu haben, die aufrichtigste Trauer erregen. Und doch war seine<lb/>
Stellung keine leichte, sie erforderte, mancher eigenthümlichen Verhältnisse wegen,<lb/>
die näher zu erörtern hier nicht der rechte Platz wäre, vielen Takt, und hätte<lb/>
ihm sonst leicht gar manche Feinde zuziehen können. An der blutigen Schlacht<lb/>
bei Jdstädt nahm Hans v. Raumer lebhaften Antheil, war wiederholt im heftig¬<lb/>
sten feindlichen Feuer, und verlor ein Pferd dabei, das ihm unter dem Leibe so<lb/>
schwer verwundet wurde, daß er es gleich erschießen mußte. Er hat gerade an<lb/>
diesem Tage Gelegenheit gehabt, mehre sehr schwierige und gefährliche Aufträge<lb/>
des Obergenerals mit großer Geschicklichkeit und besonderem Muthe auszurichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_217"> Der unglückliche Ausgang dieser Schlacht, und mehr noch der sich immer<lb/>
düsterer umwölkende Horizont Deutschlands und Schleswig-Holsteins, zehrte im<lb/>
Herbst 1850 ersichtlich immer mehr und mehr an der innern Lebenskraft des<lb/>
Lieutenant v. Raumer. Seine sonst so kräftige Gesundheit konnte dem tiefen<lb/>
Gram um das der Schande preisgegebene theure Vaterland nicht widerstehen.<lb/>
Es war anfänglich seine Absicht gewesen, nach beendeten Kriege seinen Abschied<lb/>
zu nehmen, um als Advocat in Schleswig-Holstein, dessen trefflichen, kernichtcn<lb/>
Volksstamm er so recht achten und ehren gelernt hatte, sich niederzulassen, jetzt<lb/>
mußte er, wie Alle im Heere, fühlen, daß das Geschick dieses armen Landes sich<lb/>
immer mehr und mehr seinem finstern Verhängniß nahe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_218"> Bei dem Sturme auf Missnnde war er ebenfalls als Adjutant des Generals<lb/>
von Willisen dem feindlichen Feuer sehr ausgesetzt gewesen, und hatte später dabei<lb/>
das Unglück, mit dem Pferde zu stürzen und sich uicht unerheblich zu verletzen.<lb/>
Auch bei dem Sturme auf Friedrichstadt ist er theilweise als Theilnehmer gegen¬<lb/>
wärtig gewesen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_219"> Was sein Herz bei der gezwungenen Auflösung der Schleswig-holsteinischen<lb/>
Armee im Januar d. I. gelitten haben muß, vermögen wir hier uicht auszu¬<lb/>
drücken! Den Kern des Todes schon in seiner Brust tragend, nahm er im Ja¬<lb/>
nuar d. I. seinen Abschied, um nicht mehr Zeuge der von deutschen Fürsten be¬<lb/>
fohlenen Zertrümmerung der Schleswig-holsteinischen Truppen sein zu müssen und<lb/>
reiste in die Heimath zurück. Nach kurzem Krankenlager starb er im Kreise seiner<lb/>
Familie zu Erlangen. Wenn man ihm eine Grabschrift setzen will, so sei sie:</p><lb/>
          <quote> &#x201E;Hier ruht ein deutscher Maun, ein Schleswig-holsteinischer<lb/>
Soldat, dem der Schmerz um des Vaterlandes diesen Fall<lb/>
das edle Herz gebrochen."</quote><lb/>
          <note type="byline"> I. v. W.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. I8SI.10</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0085] züge zu zeigen. Wol nur wenige Officiere im ganzen Heere haben so viele warme Freunde, und so äußerst wenige, ja wol gar keine Feinde gehabt, wie der Verstorbene. Sein plötzlicher Tod wnd bei Allen, welche die Ehre gehabt, in der kleinen, nun so schmählich aufgelösten Schleswig-holsteinischen Armee gedient zu haben, die aufrichtigste Trauer erregen. Und doch war seine Stellung keine leichte, sie erforderte, mancher eigenthümlichen Verhältnisse wegen, die näher zu erörtern hier nicht der rechte Platz wäre, vielen Takt, und hätte ihm sonst leicht gar manche Feinde zuziehen können. An der blutigen Schlacht bei Jdstädt nahm Hans v. Raumer lebhaften Antheil, war wiederholt im heftig¬ sten feindlichen Feuer, und verlor ein Pferd dabei, das ihm unter dem Leibe so schwer verwundet wurde, daß er es gleich erschießen mußte. Er hat gerade an diesem Tage Gelegenheit gehabt, mehre sehr schwierige und gefährliche Aufträge des Obergenerals mit großer Geschicklichkeit und besonderem Muthe auszurichten. Der unglückliche Ausgang dieser Schlacht, und mehr noch der sich immer düsterer umwölkende Horizont Deutschlands und Schleswig-Holsteins, zehrte im Herbst 1850 ersichtlich immer mehr und mehr an der innern Lebenskraft des Lieutenant v. Raumer. Seine sonst so kräftige Gesundheit konnte dem tiefen Gram um das der Schande preisgegebene theure Vaterland nicht widerstehen. Es war anfänglich seine Absicht gewesen, nach beendeten Kriege seinen Abschied zu nehmen, um als Advocat in Schleswig-Holstein, dessen trefflichen, kernichtcn Volksstamm er so recht achten und ehren gelernt hatte, sich niederzulassen, jetzt mußte er, wie Alle im Heere, fühlen, daß das Geschick dieses armen Landes sich immer mehr und mehr seinem finstern Verhängniß nahe. Bei dem Sturme auf Missnnde war er ebenfalls als Adjutant des Generals von Willisen dem feindlichen Feuer sehr ausgesetzt gewesen, und hatte später dabei das Unglück, mit dem Pferde zu stürzen und sich uicht unerheblich zu verletzen. Auch bei dem Sturme auf Friedrichstadt ist er theilweise als Theilnehmer gegen¬ wärtig gewesen. Was sein Herz bei der gezwungenen Auflösung der Schleswig-holsteinischen Armee im Januar d. I. gelitten haben muß, vermögen wir hier uicht auszu¬ drücken! Den Kern des Todes schon in seiner Brust tragend, nahm er im Ja¬ nuar d. I. seinen Abschied, um nicht mehr Zeuge der von deutschen Fürsten be¬ fohlenen Zertrümmerung der Schleswig-holsteinischen Truppen sein zu müssen und reiste in die Heimath zurück. Nach kurzem Krankenlager starb er im Kreise seiner Familie zu Erlangen. Wenn man ihm eine Grabschrift setzen will, so sei sie: „Hier ruht ein deutscher Maun, ein Schleswig-holsteinischer Soldat, dem der Schmerz um des Vaterlandes diesen Fall das edle Herz gebrochen." I. v. W. Grenzboten. II. I8SI.10

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/85
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345603/85>, abgerufen am 15.05.2024.