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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Jahre später fuhr wieder eine Flotte von fremden Schiffen durch die Bocche,
das Krenz der Templer am Maste, gefüllt mit den Banden der kriegerischen
Mönche, welche aus Palästina vertrieben waren; die serbische Fahne, der weiße,
doppelköpfige Adler ans rother Seide, wurde heruntergerissen von den Zinnen der
Burg, und das große. Banner der Templer flatterte trotzig im Morgenwind, der
von den Bergen kam. Im Jahre 1312 wurde das Banner verbrannt dnrch die
Vornehmsten der Christenheit, und wieder herrschte der Serbe; als aber Stephan
Urosch der Serbenkönig erblich und die serbische Macht in Trümmer fiel, da
sandten die Männer von Cattaro zum großen Uugarköuig Ludwig und baten um
sein Zeichen und seinen Schutz. So kam das schräge Doppeltkrenz Ungarns
auf die Mauern der Burg. Nur ans wenige Jahr. Im Jahre 1378 überfielen
die schwarzen Barken der Venetianer die Stadt und die ungarische Besatzung;
die Edlen von Venedig hatten die Bedeutung des Hafens erkannt, und der ge¬
flügelte Löwe des heiligen Markus wies der Stadt seine Krallen. Wieder kam
der Ungar, nach dem Ungarn der Bosnier. Die Stadt aber rüstete selbst ihre
Schiffe aus und kämpfte gegen die Nachbarrepublik Ragusa lauge, blutige Kämpfe,
öfter besiegt, als Siegerin. Dann im Jahre 1419, als Ragusa furchtbar wurde
und türkische Flotten vor dem Eingang zum Hafen kreuzten, ergab sich Cattaro
aufs Neue den Venetianern.

Aber bis zur neuesten Zeit sollte das wilde Spiel der Starken um ihren
Besitz nicht aufhören. Im 16. und 17. Jahrhundert ward sie von türkischen
Flotten belagert und gepeinigt, und von den Seeräubern Dalmatiens, den Naren-
tinern und Uskokeu, wurden ihre Schiffe aufgesucht, ihre Bürger erschlagen.
Kriege mit den Türken, Kämpfe mit den Montenegrinern, Hader mit der schützenden
Republik füllten diese Zeit, und Menschenblut stand nicht hoch im Preise. Endlich
im Jahre 1797, als Venedig fiel, rückten östreichische Soldaten in das Schloß
ein, überwachten den Hasen und die Lectüre revolutionärer Schriften. Draußen
in der Welt flog indessen Napoleon von Sieg zu Sieg, und als er im Jahr 1806
Dalmatien an Frankreich band, und die Franzosen in Cattaro sich festsetzen wollten,
da kam ein russisches Corps und nahm das Schloß in Besitz. Schon damals
folgten die Russen ans die Oestreicher, damals erkannte das Ange der russischen
Staatsmänner zuerst die Bedeutung des Hafens und die Wichtigkeit seines Be¬
sitzes. Durch den Frieden von Tilsit aber erhielt der Adler Napoleons wieder
die Herrschaft über die weite Wasserfläche der sechs Einfahrten, zweitausend Jahre
nachdem der Adler römischer Legionen zuerst hineingeflogen war. Endlich im
Jahre 1813 sah der Bocchese von seinen Felsenvorsprüngen her in der See die
englische Commodorenflagge auf dem Amphion unter Capitän Höhle in die Bocche
dringen. Das Talent des Engländers wußte schweres Geschütz auf die Höhen
zu schaffen, welche das Schloß beherrschten; nach zehn Tagen war Cattaro mit
Verlust eiues einzigen Mannes von den Engländern und Montenegrinern erobert;


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Jahre später fuhr wieder eine Flotte von fremden Schiffen durch die Bocche,
das Krenz der Templer am Maste, gefüllt mit den Banden der kriegerischen
Mönche, welche aus Palästina vertrieben waren; die serbische Fahne, der weiße,
doppelköpfige Adler ans rother Seide, wurde heruntergerissen von den Zinnen der
Burg, und das große. Banner der Templer flatterte trotzig im Morgenwind, der
von den Bergen kam. Im Jahre 1312 wurde das Banner verbrannt dnrch die
Vornehmsten der Christenheit, und wieder herrschte der Serbe; als aber Stephan
Urosch der Serbenkönig erblich und die serbische Macht in Trümmer fiel, da
sandten die Männer von Cattaro zum großen Uugarköuig Ludwig und baten um
sein Zeichen und seinen Schutz. So kam das schräge Doppeltkrenz Ungarns
auf die Mauern der Burg. Nur ans wenige Jahr. Im Jahre 1378 überfielen
die schwarzen Barken der Venetianer die Stadt und die ungarische Besatzung;
die Edlen von Venedig hatten die Bedeutung des Hafens erkannt, und der ge¬
flügelte Löwe des heiligen Markus wies der Stadt seine Krallen. Wieder kam
der Ungar, nach dem Ungarn der Bosnier. Die Stadt aber rüstete selbst ihre
Schiffe aus und kämpfte gegen die Nachbarrepublik Ragusa lauge, blutige Kämpfe,
öfter besiegt, als Siegerin. Dann im Jahre 1419, als Ragusa furchtbar wurde
und türkische Flotten vor dem Eingang zum Hafen kreuzten, ergab sich Cattaro
aufs Neue den Venetianern.

Aber bis zur neuesten Zeit sollte das wilde Spiel der Starken um ihren
Besitz nicht aufhören. Im 16. und 17. Jahrhundert ward sie von türkischen
Flotten belagert und gepeinigt, und von den Seeräubern Dalmatiens, den Naren-
tinern und Uskokeu, wurden ihre Schiffe aufgesucht, ihre Bürger erschlagen.
Kriege mit den Türken, Kämpfe mit den Montenegrinern, Hader mit der schützenden
Republik füllten diese Zeit, und Menschenblut stand nicht hoch im Preise. Endlich
im Jahre 1797, als Venedig fiel, rückten östreichische Soldaten in das Schloß
ein, überwachten den Hasen und die Lectüre revolutionärer Schriften. Draußen
in der Welt flog indessen Napoleon von Sieg zu Sieg, und als er im Jahr 1806
Dalmatien an Frankreich band, und die Franzosen in Cattaro sich festsetzen wollten,
da kam ein russisches Corps und nahm das Schloß in Besitz. Schon damals
folgten die Russen ans die Oestreicher, damals erkannte das Ange der russischen
Staatsmänner zuerst die Bedeutung des Hafens und die Wichtigkeit seines Be¬
sitzes. Durch den Frieden von Tilsit aber erhielt der Adler Napoleons wieder
die Herrschaft über die weite Wasserfläche der sechs Einfahrten, zweitausend Jahre
nachdem der Adler römischer Legionen zuerst hineingeflogen war. Endlich im
Jahre 1813 sah der Bocchese von seinen Felsenvorsprüngen her in der See die
englische Commodorenflagge auf dem Amphion unter Capitän Höhle in die Bocche
dringen. Das Talent des Engländers wußte schweres Geschütz auf die Höhen
zu schaffen, welche das Schloß beherrschten; nach zehn Tagen war Cattaro mit
Verlust eiues einzigen Mannes von den Engländern und Montenegrinern erobert;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/150>, abgerufen am 16.06.2024.