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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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von einem Weibe konnte schwimmen! Sie rettete sich, suchte mich den folgenden
Teig wieder auf, verführerischer als jemals, und ließ mich die Lection in der
Schwimmkunst, die ich ihr gegeben hatte, theuer bezahlen."

1800 kehrte die Grassini nach Mailand zurück, wo sie der General Buona-
parte zum ersten Mal hörte. Dem Sieger Italiens schien es nicht rathsam, eine so
verführerische Stimme den Feinden Frankreichs zu überlassen; er ließ sie nach Paris
kommen, wo sie zuerst im Tempel des Mars zur Jahresfeier der Einnahme der
Bastille auftrat. Sie erregte allgemeinen Enthusiasmus, und verdrängte ihre
Nebenbuhlerin, die Bauli, eine berühmte Sängerin des vorigen Jahrhunderts,
deren Geschichte ein wahrer Roman ist.

Noch hatte Bnonaparte nicht Zeit, an die Wiederherstellung eines so monarchi¬
schen Instituts wie die italienische Oper zu denken. Die Grassini ging daher im fol¬
genden Jahre uach Berlin, 1802 nach London. Ihr erstes Auftreten im Theater
von Haymarket hatte nicht den gewöhnlichen glänzenden Erfolg. Um sich das Pu-
blicum geneigt zu machen, veranlaßte sie Madame Billington^), damals die be¬
rühmteste Sängerin Englands, mit ihr gemeinschaftlich in ihrem Benefiz auszutre¬
ten. Dies geschah in einer zu dieser Gelegenheit componirter Oper von Winter:
it Katlo al ?ro8sri>Ilia. Die beiden Sängerinnen waren in einem ernsthaften
Kampf begriffen; wie Raketen schlenderte die Eine mörderische Rouladen und
vergiftete Triller aus die Andere. Der Sieg entschied sich sür die Grassini; sie
wurde die Mode des Tages. Sie wurde von den Damen vom höchsten Range
mit großer Auszeichnung aufgenommen und empfing die Huldigung der vornehmsten
Herren, worunter sich auch ihr alter Freund, der Herzog von Sussex, wieder
vorfand, dessen Eifersucht die Zeit gemildert hatte. Der Wettstreit zwischen den
beiden Rivalinnen dauerte übrigens fort. Die Billington, die einen sehr bieg¬
samen und glänzenden Sopran hatte, suchte mit aller Gewalt in das Bereich ihrer
Gegnerin, den Contrakt, einzudringen, während die Grassini ihre Stimme in die
Höhe schraubte. Ms sie eines Abends wieder zusammen auftraten, die Grassini
eine Volatine in die Lust schleuderte, die sich in deu höchste" Aether verlor, und
die Billington mit unterirdischen Alttönen antwortete, rief der. erschrockene Im-
pressario einer Freundin zu: "Sie sehen, diese beiden Vipern wollen meinen Ruin.
Wenn ich des Morgens zu ihnen gehe, so finde ich die Eine, wie sie sich die



*) Geboren -1763, gestorben -I8-I8; schon seit ihrem 14. Jahre ein Liebling der Bühne.
Als Haydn 1794 in London war, componirte er für sie die Cantate von der verlassenen
Ariadne. Er befand sich eines Tages bei der Sängerin, gerade als Josua Reynolds ihr
Portrait vollendete, in welchem sie als heilige Cäcilia dargestellt war, die Augen zum Himmel
erhoben und einem Engelchor lauschend. Sie fragte Haydn, was er von dem Portrait dächte.
"Es ist ähnlich," antwortete er, >,aber es hat einen großen Fehler. Der Maler hat Sie
dargestellt, wie Sie der Musir der Engel zuhören, er hätte sie im Gegentheil von Ihrer
Stimme entzückt darstellen sollen." -- Entzückt über ein solches Kompliment flog die schöne
Sängerin dem edlen Greis um deu Hals und küßte ihn.

von einem Weibe konnte schwimmen! Sie rettete sich, suchte mich den folgenden
Teig wieder auf, verführerischer als jemals, und ließ mich die Lection in der
Schwimmkunst, die ich ihr gegeben hatte, theuer bezahlen."

1800 kehrte die Grassini nach Mailand zurück, wo sie der General Buona-
parte zum ersten Mal hörte. Dem Sieger Italiens schien es nicht rathsam, eine so
verführerische Stimme den Feinden Frankreichs zu überlassen; er ließ sie nach Paris
kommen, wo sie zuerst im Tempel des Mars zur Jahresfeier der Einnahme der
Bastille auftrat. Sie erregte allgemeinen Enthusiasmus, und verdrängte ihre
Nebenbuhlerin, die Bauli, eine berühmte Sängerin des vorigen Jahrhunderts,
deren Geschichte ein wahrer Roman ist.

Noch hatte Bnonaparte nicht Zeit, an die Wiederherstellung eines so monarchi¬
schen Instituts wie die italienische Oper zu denken. Die Grassini ging daher im fol¬
genden Jahre uach Berlin, 1802 nach London. Ihr erstes Auftreten im Theater
von Haymarket hatte nicht den gewöhnlichen glänzenden Erfolg. Um sich das Pu-
blicum geneigt zu machen, veranlaßte sie Madame Billington^), damals die be¬
rühmteste Sängerin Englands, mit ihr gemeinschaftlich in ihrem Benefiz auszutre¬
ten. Dies geschah in einer zu dieser Gelegenheit componirter Oper von Winter:
it Katlo al ?ro8sri>Ilia. Die beiden Sängerinnen waren in einem ernsthaften
Kampf begriffen; wie Raketen schlenderte die Eine mörderische Rouladen und
vergiftete Triller aus die Andere. Der Sieg entschied sich sür die Grassini; sie
wurde die Mode des Tages. Sie wurde von den Damen vom höchsten Range
mit großer Auszeichnung aufgenommen und empfing die Huldigung der vornehmsten
Herren, worunter sich auch ihr alter Freund, der Herzog von Sussex, wieder
vorfand, dessen Eifersucht die Zeit gemildert hatte. Der Wettstreit zwischen den
beiden Rivalinnen dauerte übrigens fort. Die Billington, die einen sehr bieg¬
samen und glänzenden Sopran hatte, suchte mit aller Gewalt in das Bereich ihrer
Gegnerin, den Contrakt, einzudringen, während die Grassini ihre Stimme in die
Höhe schraubte. Ms sie eines Abends wieder zusammen auftraten, die Grassini
eine Volatine in die Lust schleuderte, die sich in deu höchste» Aether verlor, und
die Billington mit unterirdischen Alttönen antwortete, rief der. erschrockene Im-
pressario einer Freundin zu: „Sie sehen, diese beiden Vipern wollen meinen Ruin.
Wenn ich des Morgens zu ihnen gehe, so finde ich die Eine, wie sie sich die



*) Geboren -1763, gestorben -I8-I8; schon seit ihrem 14. Jahre ein Liebling der Bühne.
Als Haydn 1794 in London war, componirte er für sie die Cantate von der verlassenen
Ariadne. Er befand sich eines Tages bei der Sängerin, gerade als Josua Reynolds ihr
Portrait vollendete, in welchem sie als heilige Cäcilia dargestellt war, die Augen zum Himmel
erhoben und einem Engelchor lauschend. Sie fragte Haydn, was er von dem Portrait dächte.
„Es ist ähnlich," antwortete er, >,aber es hat einen großen Fehler. Der Maler hat Sie
dargestellt, wie Sie der Musir der Engel zuhören, er hätte sie im Gegentheil von Ihrer
Stimme entzückt darstellen sollen." — Entzückt über ein solches Kompliment flog die schöne
Sängerin dem edlen Greis um deu Hals und küßte ihn.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/231>, abgerufen am 12.05.2024.