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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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sein, welche durch fixirten Familiengrnndbesitz fortgepflanzt wird, beider Minder¬
zahl mag man sich gefallen lassen, daß nicht die Person, sondern die für immer
bestimmte Staatswnrde zum Mitglied der I. Kammer macht. Auch hier ist
dasselbe Princip der Erblichkeit vorhanden: die Personen wechseln, aber das Amt
bleibt Pair. Diese Stabilität giebt allein einem solchen Institut Würde und
Sicherheit, ihm gegenüber erscheinen alle Deputirte von ritterschaftlichen Corpora-
tionen, Provinzen u. s. w. als ein fortschreitendes, veränderliches, von den
Stimnulngen und Launen des Tages abhängiges Element, welches in die
Volkskammer gehört, gleichviel - welchen Bruchtheil der nationalen Interessen
dasselbe vertritt.

Man ist in Versuchung -- und wie es scheint, hat sich in Preußen keiner
der gemachten Vorschläge von dem Irrthum freigehalten das conservative
Element, welches der größere ländliche Grundbesitz vorzugsweise repräsentirt, mit
dem stabilen Element, welches die erste Kammer darstellen soll, zu verwechseln.
Der große Grundbesitzer ist in der Negel sehr conservativ, weil seine gemüthlichen
und praktischen Interessen ihn so erhalten. Er ist aber mehr oder weniger'Geschäfts-
mann, dessen Ausgabe ist, durch sein angelegtes Capital und durch seine leitende
Thätigkeit das productive Vermögen des Staates zu vermehren. Selbst wenn
ein Theil seines Besitzthums durch Familieubestimmungen oder Hausgesetze fidei-
cominissarisch fixirt ist, ändert sich dieses Verhältniß nicht wesentlich, denn solche
Familienverträge können vor der preußischen Gesetzgebung in der Negel nur den
Charakter von Privatverträgen haben, über welche die Regierung sich die Ober¬
aufsicht vorbehalten hat, und diese Verträge können demnach durch Familienbe-
schlnß (Einwilligung der Agnaten, Conseils der Regierung) wieder aufgehoben
werden. Das Pairthum dagegen ist ans ein, für alle Zeiten durch das Staats¬
grundgesetz fixirtes, aus der Wandelbarkeit menschlicher Verhältnisse gewissermaßen
herausgehobenes Besttzthum begründet. Seine Stabilität beruht Mf der Ver¬
fassung, deren integrirender Theil es ist. Dadurch wird uicht uur die staat¬
liche Stellung des Pairs und des gleichvermögenden großen Grundbesitzers eine
ganz verschiedene, sondern auch ihre Interessen können zuweilen ganz verschieden
sein. Sie werden es z. B. in Preußen gleich in Bezug auf die Verfassung selbst
werden. Der große Grundbesitzer wird noch lange die ständische Vertretung, gegen¬
über der constitutionellen, im Herzen tragen. Der erbliche Pair wird ein Ver¬
treter und Vertheidiger der Verfassung sein müssen, von welcher seine höchste
Würde ein Theil ist. Eine Pairskammer wird bei einzelnen Fragen des mate¬
riellen Interesses, z. B. bei Grundsteuersragen, Handelsverträgen u. s. w. von
ihrer gesicherten Stellung aus zuweilen viel liberaler sein, als andern großen
Grundbesitzern ihre Interessen erlauben, ja vielleicht liberaler als eine zweite Kam¬
mer. Es würde demnach die erste preußische Kammer mit Recht zusammengesetzt
werden aus den Prinzen des königlichen Hauses und den früheren reichsunmittel-


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sein, welche durch fixirten Familiengrnndbesitz fortgepflanzt wird, beider Minder¬
zahl mag man sich gefallen lassen, daß nicht die Person, sondern die für immer
bestimmte Staatswnrde zum Mitglied der I. Kammer macht. Auch hier ist
dasselbe Princip der Erblichkeit vorhanden: die Personen wechseln, aber das Amt
bleibt Pair. Diese Stabilität giebt allein einem solchen Institut Würde und
Sicherheit, ihm gegenüber erscheinen alle Deputirte von ritterschaftlichen Corpora-
tionen, Provinzen u. s. w. als ein fortschreitendes, veränderliches, von den
Stimnulngen und Launen des Tages abhängiges Element, welches in die
Volkskammer gehört, gleichviel - welchen Bruchtheil der nationalen Interessen
dasselbe vertritt.

Man ist in Versuchung — und wie es scheint, hat sich in Preußen keiner
der gemachten Vorschläge von dem Irrthum freigehalten das conservative
Element, welches der größere ländliche Grundbesitz vorzugsweise repräsentirt, mit
dem stabilen Element, welches die erste Kammer darstellen soll, zu verwechseln.
Der große Grundbesitzer ist in der Negel sehr conservativ, weil seine gemüthlichen
und praktischen Interessen ihn so erhalten. Er ist aber mehr oder weniger'Geschäfts-
mann, dessen Ausgabe ist, durch sein angelegtes Capital und durch seine leitende
Thätigkeit das productive Vermögen des Staates zu vermehren. Selbst wenn
ein Theil seines Besitzthums durch Familieubestimmungen oder Hausgesetze fidei-
cominissarisch fixirt ist, ändert sich dieses Verhältniß nicht wesentlich, denn solche
Familienverträge können vor der preußischen Gesetzgebung in der Negel nur den
Charakter von Privatverträgen haben, über welche die Regierung sich die Ober¬
aufsicht vorbehalten hat, und diese Verträge können demnach durch Familienbe-
schlnß (Einwilligung der Agnaten, Conseils der Regierung) wieder aufgehoben
werden. Das Pairthum dagegen ist ans ein, für alle Zeiten durch das Staats¬
grundgesetz fixirtes, aus der Wandelbarkeit menschlicher Verhältnisse gewissermaßen
herausgehobenes Besttzthum begründet. Seine Stabilität beruht Mf der Ver¬
fassung, deren integrirender Theil es ist. Dadurch wird uicht uur die staat¬
liche Stellung des Pairs und des gleichvermögenden großen Grundbesitzers eine
ganz verschiedene, sondern auch ihre Interessen können zuweilen ganz verschieden
sein. Sie werden es z. B. in Preußen gleich in Bezug auf die Verfassung selbst
werden. Der große Grundbesitzer wird noch lange die ständische Vertretung, gegen¬
über der constitutionellen, im Herzen tragen. Der erbliche Pair wird ein Ver¬
treter und Vertheidiger der Verfassung sein müssen, von welcher seine höchste
Würde ein Theil ist. Eine Pairskammer wird bei einzelnen Fragen des mate¬
riellen Interesses, z. B. bei Grundsteuersragen, Handelsverträgen u. s. w. von
ihrer gesicherten Stellung aus zuweilen viel liberaler sein, als andern großen
Grundbesitzern ihre Interessen erlauben, ja vielleicht liberaler als eine zweite Kam¬
mer. Es würde demnach die erste preußische Kammer mit Recht zusammengesetzt
werden aus den Prinzen des königlichen Hauses und den früheren reichsunmittel-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/293>, abgerufen am 26.05.2024.