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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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sollten mit kleinen Aesten und Zweigen ausgefüllt, und das Ganze dann, um
demselben eine Art von ebener Oberfläche zu ertheilen, mit Erde beworfen werden.
Bäume von der gehörigen Stärke waren bald ausgesucht, und wenige Minuten
darauf hallte der Wald von Axtschlägen. Möglichst tapfer schlug ich darauf los;
jeder Schlag kostete mir meine gesammte Körperkraft, und dabei erfolgten von
mir doppelt so viele Schläge, als der geübteste Holzhauer in derselben Zeit gethan
haben würde; war ich doch ein eifriger Anfänger in der Kunst des Holzhauens
und der Landwirthschaft, und wollte ich doch der neuen Welt beweisen, daß ich
uicht aus Arbeitsscheu die alt.e Welt verlassen hatte. "Neue Besen kehren gut,"
sagt das Sprichwort, aber leider'sind neue Besen auch bald abgekehrt. Nach
wenigen Minuten triefte ich von Schweiß und die Athemzüge folgten rasch auf
einander; kurze Zeit darauf rauschte es nicht weit von mir durch das Laub, und
Mit Krachen stürzte ein Baumstamm, das Opfer meines Schwagers, nieder. Ich
hätte vor Ermüdung und noch mehr vor Scham mit niedersinken mögen; mein
Baum stand ganz fest, und drei Viertel seines Umfanges warteten noch der Dinge,
die da kommen sollten. Ich hatte gesehen und gehört, wie meine Schläge schneller
und kräftiger erfolgten; ich hatte mit mathematischer Schärfe die Richtung eines
jeden Schwunges vorherbestimmt: wie kam es, daß meine Bemühungen
durch keinen günstigen Erfolg gekrönt wurden? Eine Vergleichung eigener Arbeit
mit der meines Schwagers brachte mich aus die Spur: mein Schwager hatte
gezielt und jedesmal getroffen, ich hatte gezielt und meist nicht getroffen; je
zwei und zwei Schläge standen bei ihm in gegenseitiger Beziehung, und alle
Paare bildeten am Ende ein Ganzes; von meinen Schlägen ging jeder seinen
eigenen Weg und kümmerte sich nicht um den vorhergehenden. Bis jetzt hatte'
ich gezeigt, daß meine Leistungen unbedeutend waren. "Wenigstens sollen
sie hier in Texas nicht sagen", dachte ich bei mir, "daß ich geglaubt hätte,
in Texas fliegen die gebratenen Tauben in den Mund; ich weiß recht wohl, daß
die Würze des Genusses in Arbeit besteht."

So schwang ich wieder, fast möchte ich sagen, mit innerm Trotz, meine Axt,
und sah und hörte endlich, als die Kräfte fast versagten, und die inneren Flächen
der Hände schon gewaltig brannten und anzuschwellen begannen, das Ziel meines
Eifers wanken, krachen und stürzen. Die Spitze und die Zweige des Baumes
waren bald von dem Hauptstamme getrennt, und das erste Log war fertig.
Einige Minuten der Ruhe waren jetzt Bedürfniß; mein aufsprossendes Farmer-
Ehrgefühl gestattete sie nicht. Abwechselung der Arbeit ist' auch Erholung; und
so suchte ich mir einen andern Baum, entkleidete ihn von den unteren Zweigen
und von dem ihn umgebenden Gebüsch und kleineren Bäumen, um Spielraum
sür die Axt zu erhalten, und begann nun wiederum, als die Athemzüge etwas
ruhiger und langsamer erfolgten, die Axt zu schwingen. Ein Fortschritt war
jetzt zu bemerken: der Baum stürzte wol in der Hälfte der Zeit, die ich zur


sollten mit kleinen Aesten und Zweigen ausgefüllt, und das Ganze dann, um
demselben eine Art von ebener Oberfläche zu ertheilen, mit Erde beworfen werden.
Bäume von der gehörigen Stärke waren bald ausgesucht, und wenige Minuten
darauf hallte der Wald von Axtschlägen. Möglichst tapfer schlug ich darauf los;
jeder Schlag kostete mir meine gesammte Körperkraft, und dabei erfolgten von
mir doppelt so viele Schläge, als der geübteste Holzhauer in derselben Zeit gethan
haben würde; war ich doch ein eifriger Anfänger in der Kunst des Holzhauens
und der Landwirthschaft, und wollte ich doch der neuen Welt beweisen, daß ich
uicht aus Arbeitsscheu die alt.e Welt verlassen hatte. „Neue Besen kehren gut,"
sagt das Sprichwort, aber leider'sind neue Besen auch bald abgekehrt. Nach
wenigen Minuten triefte ich von Schweiß und die Athemzüge folgten rasch auf
einander; kurze Zeit darauf rauschte es nicht weit von mir durch das Laub, und
Mit Krachen stürzte ein Baumstamm, das Opfer meines Schwagers, nieder. Ich
hätte vor Ermüdung und noch mehr vor Scham mit niedersinken mögen; mein
Baum stand ganz fest, und drei Viertel seines Umfanges warteten noch der Dinge,
die da kommen sollten. Ich hatte gesehen und gehört, wie meine Schläge schneller
und kräftiger erfolgten; ich hatte mit mathematischer Schärfe die Richtung eines
jeden Schwunges vorherbestimmt: wie kam es, daß meine Bemühungen
durch keinen günstigen Erfolg gekrönt wurden? Eine Vergleichung eigener Arbeit
mit der meines Schwagers brachte mich aus die Spur: mein Schwager hatte
gezielt und jedesmal getroffen, ich hatte gezielt und meist nicht getroffen; je
zwei und zwei Schläge standen bei ihm in gegenseitiger Beziehung, und alle
Paare bildeten am Ende ein Ganzes; von meinen Schlägen ging jeder seinen
eigenen Weg und kümmerte sich nicht um den vorhergehenden. Bis jetzt hatte'
ich gezeigt, daß meine Leistungen unbedeutend waren. „Wenigstens sollen
sie hier in Texas nicht sagen", dachte ich bei mir, „daß ich geglaubt hätte,
in Texas fliegen die gebratenen Tauben in den Mund; ich weiß recht wohl, daß
die Würze des Genusses in Arbeit besteht."

So schwang ich wieder, fast möchte ich sagen, mit innerm Trotz, meine Axt,
und sah und hörte endlich, als die Kräfte fast versagten, und die inneren Flächen
der Hände schon gewaltig brannten und anzuschwellen begannen, das Ziel meines
Eifers wanken, krachen und stürzen. Die Spitze und die Zweige des Baumes
waren bald von dem Hauptstamme getrennt, und das erste Log war fertig.
Einige Minuten der Ruhe waren jetzt Bedürfniß; mein aufsprossendes Farmer-
Ehrgefühl gestattete sie nicht. Abwechselung der Arbeit ist' auch Erholung; und
so suchte ich mir einen andern Baum, entkleidete ihn von den unteren Zweigen
und von dem ihn umgebenden Gebüsch und kleineren Bäumen, um Spielraum
sür die Axt zu erhalten, und begann nun wiederum, als die Athemzüge etwas
ruhiger und langsamer erfolgten, die Axt zu schwingen. Ein Fortschritt war
jetzt zu bemerken: der Baum stürzte wol in der Hälfte der Zeit, die ich zur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/33>, abgerufen am 12.05.2024.