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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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dahin gewendet wird, daß der Vater des Mädchens sich verpflichtet, ein prächtiges
Hans in Berlin bauen zu lassen, wofür dann der König in Gnaden geruht, der
Tochter die freie Wahl ihres Gemahls anheim zu geben. So hat man also in Berlin
Häuser gebaut. Sehr erbaulich ist die Geschichte nicht, und der Haupteffect ans eine
Scene berechnet, in welcher das junge Mädchen den Hofnarren, der zuerst mit aller
Brutalität eines königlichen Abgeordneten auftritt, zu gewinnen weiß, indem sie ihn
betrunken macht, mit ihm eine Pfeife raucht, und ihm einbildet, sie wäre in ihn ver¬
liebt. -- Das neue Lustspiel von Bencdix: "Der Ruf," hat im Ganzen gefallen.
Benedix versteht es, harmlose Schwänke ans eine unbefangene Weise auszuputzen. So ,
ist ihm hier namentlich die Schilderung einer reichen Judenfamilie gelungen. Die Idee
des Stücks, daß man durch das Gerücht, man sei ein reicher Mann geworden, zu
Ausehn kommt und wirkliche Reichthümer erwirbt, ist für das Lustspiel recht ange¬
messen, wenn auch nicht originell. Scribe hat es in seinem "Puff" bereits mit mehr
Geschick ausgeführt." Die ersten Scenen sind sehr komisch, aber in der Erfindung der
Fabel ist Benedix nicht glücklich. Jene Scene wiederholt sich mehrmals , und zuletzt
fällt Alles so aus einander, daß man mit dem Faden auch die Geduld verliert, bis er
endlich durch ein komisches Schlußtableau das Publicum wiedergewinnt. Da diese
Schwäche in der Erfindung bei unsren Lustspieldichtern ziemlich allgemein ist, so wäre
es gar nicht ein schlechtes Unternehmen, ältere Stücke, die in der Erfindung brauchbar,
in der Ausführung aber nicht mehr dem Geschmack unsrer Zeit angemessen sind, nach
unsren Bedürfnissen zu bearbeiten, wie es Kotzebue häufig gethan hat, und wie es die
Franzosen noch immer thun. Denn Kotzebue selbst wieder auf die Bühne zu bringen,
will nicht recht mehr gelingen. Die derartigen Versuche, die das Leipziger Theater in
neuester Zeit gemacht hat, sind gescheitert. Aber es findet sich in ihm so viel guter ko¬
mischer Fonds, daß eine Auffrischung vieler seiner Stücke durch einem "gescheidter Dichter
guten Erfolg haben müßte.

Das Leipziger Theater will die Messe zu mehreren ausgezeichneten Gastspielen be¬
nutzen. Eröffnet ist der Reigen durch Frau Anna de la Grange, verheirathete Gräfin
Stankowitsch; die den Leipzigern wohlbekannte Auguste von Stranz soll folgen, und
auch von Henriette Svntag ist die Rede. Die erstgenannte Sängerin ist bis jetzt als
Rosine, als Fides und als Lucia ausgetreten, und hat große Triumphe gefeiert. Ueber
dem bedeutenden Werth ihrer Leistungen hat man ihre Schattenseiten übersehen. Ihre
Vorzüge sind eine ans Fabelhafte grenzende Höhe, eine Kunstfertigkeit, die der
Pauline Garcia an die Seite zu stellen ist, und eine echt dramatische, von zweckmäßi¬
gem Spiel unterstützte Belebung des Gesanges. Dagegen ist ihre Aussprache schlecht,
sie ist zum Tremuliren geneigt, und die Grazie und Eleganz ihres colorirten Gesangs
bleibt bedentend hinter der Kühnheit desselben zurück, um so mehr, da sie nicht ganz
frei ist von der Neigung,, die Kontraste etwas greller wirken zu lassen, als es der gute
Geschmack billigen kann. Diese Bemerkungen sollen die hohe Bedeutung der Sän¬
gerin nicht antasten; sie waren nur nöthig, weil sie von manchen Seiten her über¬
schätzt ist, indem man sie in Beziehung auf Gesangskunst über die Sontag, in
Beziehung auf die Stimme über die Wagner gestellt hat. Solche zu hoch gespannte Vor¬
stellungen könnten später dem Ruf der Sängerin nur schaden. Daß sie eine^ nicht
gewöhnliche Künstlerin ist, beweist schon die Art, wie sie so ganz heterogene Partien,
wie die Fides und die Rosine, mit gleichem Erfolg zu bewältigen weiß. -- Frau Gundy,
deren schöne Stimme vor einigen Jahren in Leipzig so gerechten Beifall fand, ist ge¬
genwärtig in Frankfurt. -- In London werden diesmal in der Oper die Deutschen
a" der Spitze stehen. Der Kampf der beiden Entrepreneurs Lumlcy und Gye um
Johanna Wagner ist bekannt. Wir müssen gestehen, daß er uns nach keiner Seite
hin sehr erbaulich vorkommt. Er scheint jetzt dahin ausgeglichen zu sein, daß Fräulein
Wagner auf beiden Theatern singen wird. Neben ihr werden im Queens-Theater singen
Henriette Sontag und Sophie Cruvclli (beides Deutsche), ferner der Tenor Fraschini


dahin gewendet wird, daß der Vater des Mädchens sich verpflichtet, ein prächtiges
Hans in Berlin bauen zu lassen, wofür dann der König in Gnaden geruht, der
Tochter die freie Wahl ihres Gemahls anheim zu geben. So hat man also in Berlin
Häuser gebaut. Sehr erbaulich ist die Geschichte nicht, und der Haupteffect ans eine
Scene berechnet, in welcher das junge Mädchen den Hofnarren, der zuerst mit aller
Brutalität eines königlichen Abgeordneten auftritt, zu gewinnen weiß, indem sie ihn
betrunken macht, mit ihm eine Pfeife raucht, und ihm einbildet, sie wäre in ihn ver¬
liebt. — Das neue Lustspiel von Bencdix: „Der Ruf," hat im Ganzen gefallen.
Benedix versteht es, harmlose Schwänke ans eine unbefangene Weise auszuputzen. So ,
ist ihm hier namentlich die Schilderung einer reichen Judenfamilie gelungen. Die Idee
des Stücks, daß man durch das Gerücht, man sei ein reicher Mann geworden, zu
Ausehn kommt und wirkliche Reichthümer erwirbt, ist für das Lustspiel recht ange¬
messen, wenn auch nicht originell. Scribe hat es in seinem „Puff" bereits mit mehr
Geschick ausgeführt." Die ersten Scenen sind sehr komisch, aber in der Erfindung der
Fabel ist Benedix nicht glücklich. Jene Scene wiederholt sich mehrmals , und zuletzt
fällt Alles so aus einander, daß man mit dem Faden auch die Geduld verliert, bis er
endlich durch ein komisches Schlußtableau das Publicum wiedergewinnt. Da diese
Schwäche in der Erfindung bei unsren Lustspieldichtern ziemlich allgemein ist, so wäre
es gar nicht ein schlechtes Unternehmen, ältere Stücke, die in der Erfindung brauchbar,
in der Ausführung aber nicht mehr dem Geschmack unsrer Zeit angemessen sind, nach
unsren Bedürfnissen zu bearbeiten, wie es Kotzebue häufig gethan hat, und wie es die
Franzosen noch immer thun. Denn Kotzebue selbst wieder auf die Bühne zu bringen,
will nicht recht mehr gelingen. Die derartigen Versuche, die das Leipziger Theater in
neuester Zeit gemacht hat, sind gescheitert. Aber es findet sich in ihm so viel guter ko¬
mischer Fonds, daß eine Auffrischung vieler seiner Stücke durch einem "gescheidter Dichter
guten Erfolg haben müßte.

Das Leipziger Theater will die Messe zu mehreren ausgezeichneten Gastspielen be¬
nutzen. Eröffnet ist der Reigen durch Frau Anna de la Grange, verheirathete Gräfin
Stankowitsch; die den Leipzigern wohlbekannte Auguste von Stranz soll folgen, und
auch von Henriette Svntag ist die Rede. Die erstgenannte Sängerin ist bis jetzt als
Rosine, als Fides und als Lucia ausgetreten, und hat große Triumphe gefeiert. Ueber
dem bedeutenden Werth ihrer Leistungen hat man ihre Schattenseiten übersehen. Ihre
Vorzüge sind eine ans Fabelhafte grenzende Höhe, eine Kunstfertigkeit, die der
Pauline Garcia an die Seite zu stellen ist, und eine echt dramatische, von zweckmäßi¬
gem Spiel unterstützte Belebung des Gesanges. Dagegen ist ihre Aussprache schlecht,
sie ist zum Tremuliren geneigt, und die Grazie und Eleganz ihres colorirten Gesangs
bleibt bedentend hinter der Kühnheit desselben zurück, um so mehr, da sie nicht ganz
frei ist von der Neigung,, die Kontraste etwas greller wirken zu lassen, als es der gute
Geschmack billigen kann. Diese Bemerkungen sollen die hohe Bedeutung der Sän¬
gerin nicht antasten; sie waren nur nöthig, weil sie von manchen Seiten her über¬
schätzt ist, indem man sie in Beziehung auf Gesangskunst über die Sontag, in
Beziehung auf die Stimme über die Wagner gestellt hat. Solche zu hoch gespannte Vor¬
stellungen könnten später dem Ruf der Sängerin nur schaden. Daß sie eine^ nicht
gewöhnliche Künstlerin ist, beweist schon die Art, wie sie so ganz heterogene Partien,
wie die Fides und die Rosine, mit gleichem Erfolg zu bewältigen weiß. — Frau Gundy,
deren schöne Stimme vor einigen Jahren in Leipzig so gerechten Beifall fand, ist ge¬
genwärtig in Frankfurt. — In London werden diesmal in der Oper die Deutschen
a» der Spitze stehen. Der Kampf der beiden Entrepreneurs Lumlcy und Gye um
Johanna Wagner ist bekannt. Wir müssen gestehen, daß er uns nach keiner Seite
hin sehr erbaulich vorkommt. Er scheint jetzt dahin ausgeglichen zu sein, daß Fräulein
Wagner auf beiden Theatern singen wird. Neben ihr werden im Queens-Theater singen
Henriette Sontag und Sophie Cruvclli (beides Deutsche), ferner der Tenor Fraschini


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[0247] dahin gewendet wird, daß der Vater des Mädchens sich verpflichtet, ein prächtiges Hans in Berlin bauen zu lassen, wofür dann der König in Gnaden geruht, der Tochter die freie Wahl ihres Gemahls anheim zu geben. So hat man also in Berlin Häuser gebaut. Sehr erbaulich ist die Geschichte nicht, und der Haupteffect ans eine Scene berechnet, in welcher das junge Mädchen den Hofnarren, der zuerst mit aller Brutalität eines königlichen Abgeordneten auftritt, zu gewinnen weiß, indem sie ihn betrunken macht, mit ihm eine Pfeife raucht, und ihm einbildet, sie wäre in ihn ver¬ liebt. — Das neue Lustspiel von Bencdix: „Der Ruf," hat im Ganzen gefallen. Benedix versteht es, harmlose Schwänke ans eine unbefangene Weise auszuputzen. So , ist ihm hier namentlich die Schilderung einer reichen Judenfamilie gelungen. Die Idee des Stücks, daß man durch das Gerücht, man sei ein reicher Mann geworden, zu Ausehn kommt und wirkliche Reichthümer erwirbt, ist für das Lustspiel recht ange¬ messen, wenn auch nicht originell. Scribe hat es in seinem „Puff" bereits mit mehr Geschick ausgeführt." Die ersten Scenen sind sehr komisch, aber in der Erfindung der Fabel ist Benedix nicht glücklich. Jene Scene wiederholt sich mehrmals , und zuletzt fällt Alles so aus einander, daß man mit dem Faden auch die Geduld verliert, bis er endlich durch ein komisches Schlußtableau das Publicum wiedergewinnt. Da diese Schwäche in der Erfindung bei unsren Lustspieldichtern ziemlich allgemein ist, so wäre es gar nicht ein schlechtes Unternehmen, ältere Stücke, die in der Erfindung brauchbar, in der Ausführung aber nicht mehr dem Geschmack unsrer Zeit angemessen sind, nach unsren Bedürfnissen zu bearbeiten, wie es Kotzebue häufig gethan hat, und wie es die Franzosen noch immer thun. Denn Kotzebue selbst wieder auf die Bühne zu bringen, will nicht recht mehr gelingen. Die derartigen Versuche, die das Leipziger Theater in neuester Zeit gemacht hat, sind gescheitert. Aber es findet sich in ihm so viel guter ko¬ mischer Fonds, daß eine Auffrischung vieler seiner Stücke durch einem "gescheidter Dichter guten Erfolg haben müßte. Das Leipziger Theater will die Messe zu mehreren ausgezeichneten Gastspielen be¬ nutzen. Eröffnet ist der Reigen durch Frau Anna de la Grange, verheirathete Gräfin Stankowitsch; die den Leipzigern wohlbekannte Auguste von Stranz soll folgen, und auch von Henriette Svntag ist die Rede. Die erstgenannte Sängerin ist bis jetzt als Rosine, als Fides und als Lucia ausgetreten, und hat große Triumphe gefeiert. Ueber dem bedeutenden Werth ihrer Leistungen hat man ihre Schattenseiten übersehen. Ihre Vorzüge sind eine ans Fabelhafte grenzende Höhe, eine Kunstfertigkeit, die der Pauline Garcia an die Seite zu stellen ist, und eine echt dramatische, von zweckmäßi¬ gem Spiel unterstützte Belebung des Gesanges. Dagegen ist ihre Aussprache schlecht, sie ist zum Tremuliren geneigt, und die Grazie und Eleganz ihres colorirten Gesangs bleibt bedentend hinter der Kühnheit desselben zurück, um so mehr, da sie nicht ganz frei ist von der Neigung,, die Kontraste etwas greller wirken zu lassen, als es der gute Geschmack billigen kann. Diese Bemerkungen sollen die hohe Bedeutung der Sän¬ gerin nicht antasten; sie waren nur nöthig, weil sie von manchen Seiten her über¬ schätzt ist, indem man sie in Beziehung auf Gesangskunst über die Sontag, in Beziehung auf die Stimme über die Wagner gestellt hat. Solche zu hoch gespannte Vor¬ stellungen könnten später dem Ruf der Sängerin nur schaden. Daß sie eine^ nicht gewöhnliche Künstlerin ist, beweist schon die Art, wie sie so ganz heterogene Partien, wie die Fides und die Rosine, mit gleichem Erfolg zu bewältigen weiß. — Frau Gundy, deren schöne Stimme vor einigen Jahren in Leipzig so gerechten Beifall fand, ist ge¬ genwärtig in Frankfurt. — In London werden diesmal in der Oper die Deutschen a» der Spitze stehen. Der Kampf der beiden Entrepreneurs Lumlcy und Gye um Johanna Wagner ist bekannt. Wir müssen gestehen, daß er uns nach keiner Seite hin sehr erbaulich vorkommt. Er scheint jetzt dahin ausgeglichen zu sein, daß Fräulein Wagner auf beiden Theatern singen wird. Neben ihr werden im Queens-Theater singen Henriette Sontag und Sophie Cruvclli (beides Deutsche), ferner der Tenor Fraschini

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/247>, abgerufen am 19.05.2024.