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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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wenig, bringt nach wahrhaft orientalischer Sitte die Zeit mit, Faulenzen und
Schminken zu. Weiber und Madchen, mich schöne und gesund gefärbte, schminken
sich, dazu wird meist Sublimat und Zinkoxyd verwendet. So nehmen Scorbut,
Mundfäule und Scrofeln überHand, die sich den Kindern mittheilen, das Volk
entkräften und schwächen, und so zur Arbeit wenig aufgelegt machen. Was der
Putz eiuer Serbin kostet, dafür kauft der Deutsche ein Stuck Ackerfeld, das er
seiner Tochter zur Aussteuer giebt. Eine serbische Bäuerin kleidet sich in Seide
mit Goldbrokat, eine goldene Haube dient als Kopfputz. Eine Magyarin würde
tief betrübt sein, wenn sie nicht ein Mieder mit Goldspangen und einen reichen
Kopfputz hätte. Eines deutscheu Bauers Frau und Tochter trägt ein Kattnnkleid,
ein Tüllhäubchen, wenn es hoch' geht, und ein ansgenähtes Schafspelztben, das
ein halbes Säculum dauert, und hat sie einen Halsschmuck, so sind es Ducaten,
von denen zwar der Mann glaubt, es sei schlimm, daß sie nichts abwerfen, aber
sie behalten doch den Werth, und seien immerhin besser als die Papierstreifen,
von denen Gott weiß, ob sie noch lange etwas werth sein weiden. Dann" er¬
holen sich auch die anderen Nationalitäten leichter von dem Uebel, das sie betroffen
hat, als die Serben. Se. Tamas ist ein Ort, der an i000 Hänser zählen
mochte. Nicht ein einziges von ihnen ist der Rache des wüthenden Feindes ent¬
gangen, der es freilich schwer verzeihen konnte, was von hier ans geübt worden.

Joseph II. hatte im Eifer des Deutschthums zu Bedrückungen gegriffen, alle
seine Maßregeln gingen mit ihm zu Grabe. Aber in den Ansiedelungen im Ba¬
nate schenkte dieser nngekrönte König dem Lande einen Schatz, der mehr Werth
bat, als die zerrissene goldene Bulle und die geraubte Krone. Joseph siedelte
Deutsche, Magyaren und Serben an. Er hatte die Grille, hart an einander
Dörfer verschiedener Nationalitäten zu stellen, um zu sehen, wer den Andern an
Fleiß überbieten werde. Am blühendsten sind die Wohnungen der Deutschen
geworden, die an manchen Stellen die Serben ganz verdrängten, und, wo sie
neben einander wohnen, da zeigt der erste Anblick den Unterschied. Das deutsche
Haus zeichnet sich in der Regel schon äußerlich durch seine Größe, Solidität und
Reinlichkeit vor dem der anderen nationalen ans. Selbst dort, wo er nicht größer
und fester baut, sucht er doch seinem Hanse einen Anstrich von Eleganz zu geben,
er ist ästhetisch. Nach dem Deutschen kommt der Magyar an die Reihe, und erst
in dritter Linie kommt der Serbe zu stehen. So zieht sich längs des Franzcnscanals
eine Reihe der schönsten und blühendsten Orte hin. Wer sehen will,, was Gottes
Segen bringt, der gehe zur Zeit des Herbstes in ein schwäbisches Bauernhaus
des Bacska. Die weitläufigen Hintergebäude sind voll der schönsten Körner¬
früchte. Sein Stall zählt gewöhnlich 2 -- 3 schöne Kühe, einige Pferde, die
jeden Marstall zieren würden, und noch ein Paar Schweine. Außerdem hat er
bei dem Geineindchirten auch eine ziemliche Zahl Schafe. Große Schober von
Getreide- und Maisstroh liegen zur Feuerung für den Winter bereit, denn Holz


wenig, bringt nach wahrhaft orientalischer Sitte die Zeit mit, Faulenzen und
Schminken zu. Weiber und Madchen, mich schöne und gesund gefärbte, schminken
sich, dazu wird meist Sublimat und Zinkoxyd verwendet. So nehmen Scorbut,
Mundfäule und Scrofeln überHand, die sich den Kindern mittheilen, das Volk
entkräften und schwächen, und so zur Arbeit wenig aufgelegt machen. Was der
Putz eiuer Serbin kostet, dafür kauft der Deutsche ein Stuck Ackerfeld, das er
seiner Tochter zur Aussteuer giebt. Eine serbische Bäuerin kleidet sich in Seide
mit Goldbrokat, eine goldene Haube dient als Kopfputz. Eine Magyarin würde
tief betrübt sein, wenn sie nicht ein Mieder mit Goldspangen und einen reichen
Kopfputz hätte. Eines deutscheu Bauers Frau und Tochter trägt ein Kattnnkleid,
ein Tüllhäubchen, wenn es hoch' geht, und ein ansgenähtes Schafspelztben, das
ein halbes Säculum dauert, und hat sie einen Halsschmuck, so sind es Ducaten,
von denen zwar der Mann glaubt, es sei schlimm, daß sie nichts abwerfen, aber
sie behalten doch den Werth, und seien immerhin besser als die Papierstreifen,
von denen Gott weiß, ob sie noch lange etwas werth sein weiden. Dann» er¬
holen sich auch die anderen Nationalitäten leichter von dem Uebel, das sie betroffen
hat, als die Serben. Se. Tamas ist ein Ort, der an i000 Hänser zählen
mochte. Nicht ein einziges von ihnen ist der Rache des wüthenden Feindes ent¬
gangen, der es freilich schwer verzeihen konnte, was von hier ans geübt worden.

Joseph II. hatte im Eifer des Deutschthums zu Bedrückungen gegriffen, alle
seine Maßregeln gingen mit ihm zu Grabe. Aber in den Ansiedelungen im Ba¬
nate schenkte dieser nngekrönte König dem Lande einen Schatz, der mehr Werth
bat, als die zerrissene goldene Bulle und die geraubte Krone. Joseph siedelte
Deutsche, Magyaren und Serben an. Er hatte die Grille, hart an einander
Dörfer verschiedener Nationalitäten zu stellen, um zu sehen, wer den Andern an
Fleiß überbieten werde. Am blühendsten sind die Wohnungen der Deutschen
geworden, die an manchen Stellen die Serben ganz verdrängten, und, wo sie
neben einander wohnen, da zeigt der erste Anblick den Unterschied. Das deutsche
Haus zeichnet sich in der Regel schon äußerlich durch seine Größe, Solidität und
Reinlichkeit vor dem der anderen nationalen ans. Selbst dort, wo er nicht größer
und fester baut, sucht er doch seinem Hanse einen Anstrich von Eleganz zu geben,
er ist ästhetisch. Nach dem Deutschen kommt der Magyar an die Reihe, und erst
in dritter Linie kommt der Serbe zu stehen. So zieht sich längs des Franzcnscanals
eine Reihe der schönsten und blühendsten Orte hin. Wer sehen will,, was Gottes
Segen bringt, der gehe zur Zeit des Herbstes in ein schwäbisches Bauernhaus
des Bacska. Die weitläufigen Hintergebäude sind voll der schönsten Körner¬
früchte. Sein Stall zählt gewöhnlich 2 — 3 schöne Kühe, einige Pferde, die
jeden Marstall zieren würden, und noch ein Paar Schweine. Außerdem hat er
bei dem Geineindchirten auch eine ziemliche Zahl Schafe. Große Schober von
Getreide- und Maisstroh liegen zur Feuerung für den Winter bereit, denn Holz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/424>, abgerufen am 19.05.2024.