Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

im Verhängnisse Louis Bonaparte's ist nicht sein glücklicher Ausschwung, nicht das
beispiellose Gelinge" der beispiellosen That --- es ist vielmehr der Umstand, daß
er trotz seiner unerhörten That zum Wohlthäter der überrumpelten Nation werden
konnte, jetzt noch -- wenn er seine Macht, seine Reformen, seine Verbesserungen
ans anderen Rücksichten als aus jenen seiner persönlichen Interessen, anders als
in Aussicht aus das Kaiserreich benutzen wollte. Victor Hugo sagt mit Recht,
daß Heinrich V. ans den Thron gelangt auch Socialist sein müßte; man hat es vor
ihm gesagt, aber Heinrich V, würde der nothwendigen socialen Umgestaltung nicht
so gut vorgearbeitet haben, als es Louis Napoleon, als es Se. Majestät der
Kaiser der Franzosen thut. Louis Napoleon ist der Attila der politischen Parteien,
die Frankreich in's Elend gestürzt. Der 2. December ist der Schwefelregen, der
ans Sodom und Gomorha herabgefallen. Die Furcht vor Utopien ist mit man¬
cher Utopie selbst zu Grabe gegangen, und kein Mann, der Einfluß bei eiuer zu¬
künftigen Revolution haben wird, kann an einen andern Ausgangspunkt, an eine
andere Grundlage denken, als die unbegrenzte Freiheit der Commune und des
Individuums. Aber Anderes muß sich hieraus entwickeln, und daß sich eine solche
Ueberzeugung mit solcher Kraft und mit solcher Gleichzeitigkeit im Bewußtsein
eines Laudes wie Frankreich äußert, das ist kein kleiner Fortschritt, kein kleiner
Gewinn. Hugo hat Recht und man hat es vor ihm gesagt, der zweite December
ist das memsnw roori der Bureaukratie, der Armee, des vom Staate bezahlten
Clerus einer unabsetzbaren nichtgewählten Magistrate.




Wochenbericht.
Heinrich V. Gagern in Heidelberg.

-- Wir geben auf Ehrenbe¬
zeigungen und Trinksprüche nicht viel; wenn wir in diesem Fall eine Ausnahme machen,
so geschieht es nur, um durch das Beispiel des ehemaligen verehrten Führers unsrer Partei
unsre Gesinnungsgenossen darauf aufmerksam zu machen, daß die Ansicht, wir seien in
unsren politischen Zuständen noch nicht aus dem Punkt angelangt, wo man an Allem
verzweifeln müsse, doch immer noch sehr bedeutende Vertreter findet. Gagern hat es
feierlich ausgesprochen, daß nach seiner Ueberzeugung das monarchisch-constitutionelle
Princip und diejenige Form der deutschen Einheit, wie sie in dem Jahre 1848 von
den Mittelparteien angestrebt wurde, immer wieder der leitende Gedanke jeder neuen
Bewegung sein müsse. Er hat zugleich den dynastischen Particularismus als dasjenige
bezeichnet, was man unausgesetzt bekämpfen müsse, um eine endliche Lösung unsrer
Verwickelung vorzubereiten. Wir stimmen ihm in beiden Pnnkren vollkommen bei, und
wollen nur noch einige Bemerkungen daran knüpfen, um etwaige Mißverständnisse abzu¬
schneiden. Der monarchische Geist, den man ganz mit Recht als eine charakteristische
Eigenschaft des deutschen Volks darstellt, entspringt nicht ans der Pietät gegen ein
bestimmtes Herrschergeschlecht, sondern aus dem Bestreben aller edlen Geister, einer


im Verhängnisse Louis Bonaparte's ist nicht sein glücklicher Ausschwung, nicht das
beispiellose Gelinge» der beispiellosen That —- es ist vielmehr der Umstand, daß
er trotz seiner unerhörten That zum Wohlthäter der überrumpelten Nation werden
konnte, jetzt noch — wenn er seine Macht, seine Reformen, seine Verbesserungen
ans anderen Rücksichten als aus jenen seiner persönlichen Interessen, anders als
in Aussicht aus das Kaiserreich benutzen wollte. Victor Hugo sagt mit Recht,
daß Heinrich V. ans den Thron gelangt auch Socialist sein müßte; man hat es vor
ihm gesagt, aber Heinrich V, würde der nothwendigen socialen Umgestaltung nicht
so gut vorgearbeitet haben, als es Louis Napoleon, als es Se. Majestät der
Kaiser der Franzosen thut. Louis Napoleon ist der Attila der politischen Parteien,
die Frankreich in's Elend gestürzt. Der 2. December ist der Schwefelregen, der
ans Sodom und Gomorha herabgefallen. Die Furcht vor Utopien ist mit man¬
cher Utopie selbst zu Grabe gegangen, und kein Mann, der Einfluß bei eiuer zu¬
künftigen Revolution haben wird, kann an einen andern Ausgangspunkt, an eine
andere Grundlage denken, als die unbegrenzte Freiheit der Commune und des
Individuums. Aber Anderes muß sich hieraus entwickeln, und daß sich eine solche
Ueberzeugung mit solcher Kraft und mit solcher Gleichzeitigkeit im Bewußtsein
eines Laudes wie Frankreich äußert, das ist kein kleiner Fortschritt, kein kleiner
Gewinn. Hugo hat Recht und man hat es vor ihm gesagt, der zweite December
ist das memsnw roori der Bureaukratie, der Armee, des vom Staate bezahlten
Clerus einer unabsetzbaren nichtgewählten Magistrate.




Wochenbericht.
Heinrich V. Gagern in Heidelberg.

— Wir geben auf Ehrenbe¬
zeigungen und Trinksprüche nicht viel; wenn wir in diesem Fall eine Ausnahme machen,
so geschieht es nur, um durch das Beispiel des ehemaligen verehrten Führers unsrer Partei
unsre Gesinnungsgenossen darauf aufmerksam zu machen, daß die Ansicht, wir seien in
unsren politischen Zuständen noch nicht aus dem Punkt angelangt, wo man an Allem
verzweifeln müsse, doch immer noch sehr bedeutende Vertreter findet. Gagern hat es
feierlich ausgesprochen, daß nach seiner Ueberzeugung das monarchisch-constitutionelle
Princip und diejenige Form der deutschen Einheit, wie sie in dem Jahre 1848 von
den Mittelparteien angestrebt wurde, immer wieder der leitende Gedanke jeder neuen
Bewegung sein müsse. Er hat zugleich den dynastischen Particularismus als dasjenige
bezeichnet, was man unausgesetzt bekämpfen müsse, um eine endliche Lösung unsrer
Verwickelung vorzubereiten. Wir stimmen ihm in beiden Pnnkren vollkommen bei, und
wollen nur noch einige Bemerkungen daran knüpfen, um etwaige Mißverständnisse abzu¬
schneiden. Der monarchische Geist, den man ganz mit Recht als eine charakteristische
Eigenschaft des deutschen Volks darstellt, entspringt nicht ans der Pietät gegen ein
bestimmtes Herrschergeschlecht, sondern aus dem Bestreben aller edlen Geister, einer


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94881"/>
          <p xml:id="ID_1318" prev="#ID_1317"> im Verhängnisse Louis Bonaparte's ist nicht sein glücklicher Ausschwung, nicht das<lb/>
beispiellose Gelinge» der beispiellosen That &#x2014;- es ist vielmehr der Umstand, daß<lb/>
er trotz seiner unerhörten That zum Wohlthäter der überrumpelten Nation werden<lb/>
konnte, jetzt noch &#x2014; wenn er seine Macht, seine Reformen, seine Verbesserungen<lb/>
ans anderen Rücksichten als aus jenen seiner persönlichen Interessen, anders als<lb/>
in Aussicht aus das Kaiserreich benutzen wollte. Victor Hugo sagt mit Recht,<lb/>
daß Heinrich V. ans den Thron gelangt auch Socialist sein müßte; man hat es vor<lb/>
ihm gesagt, aber Heinrich V, würde der nothwendigen socialen Umgestaltung nicht<lb/>
so gut vorgearbeitet haben, als es Louis Napoleon, als es Se. Majestät der<lb/>
Kaiser der Franzosen thut. Louis Napoleon ist der Attila der politischen Parteien,<lb/>
die Frankreich in's Elend gestürzt. Der 2. December ist der Schwefelregen, der<lb/>
ans Sodom und Gomorha herabgefallen. Die Furcht vor Utopien ist mit man¬<lb/>
cher Utopie selbst zu Grabe gegangen, und kein Mann, der Einfluß bei eiuer zu¬<lb/>
künftigen Revolution haben wird, kann an einen andern Ausgangspunkt, an eine<lb/>
andere Grundlage denken, als die unbegrenzte Freiheit der Commune und des<lb/>
Individuums. Aber Anderes muß sich hieraus entwickeln, und daß sich eine solche<lb/>
Ueberzeugung mit solcher Kraft und mit solcher Gleichzeitigkeit im Bewußtsein<lb/>
eines Laudes wie Frankreich äußert, das ist kein kleiner Fortschritt, kein kleiner<lb/>
Gewinn. Hugo hat Recht und man hat es vor ihm gesagt, der zweite December<lb/>
ist das memsnw roori der Bureaukratie, der Armee, des vom Staate bezahlten<lb/>
Clerus einer unabsetzbaren nichtgewählten Magistrate.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Wochenbericht.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> Heinrich V. Gagern in Heidelberg. </head>
            <p xml:id="ID_1319" next="#ID_1320"> &#x2014; Wir geben auf Ehrenbe¬<lb/>
zeigungen und Trinksprüche nicht viel; wenn wir in diesem Fall eine Ausnahme machen,<lb/>
so geschieht es nur, um durch das Beispiel des ehemaligen verehrten Führers unsrer Partei<lb/>
unsre Gesinnungsgenossen darauf aufmerksam zu machen, daß die Ansicht, wir seien in<lb/>
unsren politischen Zuständen noch nicht aus dem Punkt angelangt, wo man an Allem<lb/>
verzweifeln müsse, doch immer noch sehr bedeutende Vertreter findet. Gagern hat es<lb/>
feierlich ausgesprochen, daß nach seiner Ueberzeugung das monarchisch-constitutionelle<lb/>
Princip und diejenige Form der deutschen Einheit, wie sie in dem Jahre 1848 von<lb/>
den Mittelparteien angestrebt wurde, immer wieder der leitende Gedanke jeder neuen<lb/>
Bewegung sein müsse. Er hat zugleich den dynastischen Particularismus als dasjenige<lb/>
bezeichnet, was man unausgesetzt bekämpfen müsse, um eine endliche Lösung unsrer<lb/>
Verwickelung vorzubereiten. Wir stimmen ihm in beiden Pnnkren vollkommen bei, und<lb/>
wollen nur noch einige Bemerkungen daran knüpfen, um etwaige Mißverständnisse abzu¬<lb/>
schneiden. Der monarchische Geist, den man ganz mit Recht als eine charakteristische<lb/>
Eigenschaft des deutschen Volks darstellt, entspringt nicht ans der Pietät gegen ein<lb/>
bestimmtes Herrschergeschlecht, sondern aus dem Bestreben aller edlen Geister, einer</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0440] im Verhängnisse Louis Bonaparte's ist nicht sein glücklicher Ausschwung, nicht das beispiellose Gelinge» der beispiellosen That —- es ist vielmehr der Umstand, daß er trotz seiner unerhörten That zum Wohlthäter der überrumpelten Nation werden konnte, jetzt noch — wenn er seine Macht, seine Reformen, seine Verbesserungen ans anderen Rücksichten als aus jenen seiner persönlichen Interessen, anders als in Aussicht aus das Kaiserreich benutzen wollte. Victor Hugo sagt mit Recht, daß Heinrich V. ans den Thron gelangt auch Socialist sein müßte; man hat es vor ihm gesagt, aber Heinrich V, würde der nothwendigen socialen Umgestaltung nicht so gut vorgearbeitet haben, als es Louis Napoleon, als es Se. Majestät der Kaiser der Franzosen thut. Louis Napoleon ist der Attila der politischen Parteien, die Frankreich in's Elend gestürzt. Der 2. December ist der Schwefelregen, der ans Sodom und Gomorha herabgefallen. Die Furcht vor Utopien ist mit man¬ cher Utopie selbst zu Grabe gegangen, und kein Mann, der Einfluß bei eiuer zu¬ künftigen Revolution haben wird, kann an einen andern Ausgangspunkt, an eine andere Grundlage denken, als die unbegrenzte Freiheit der Commune und des Individuums. Aber Anderes muß sich hieraus entwickeln, und daß sich eine solche Ueberzeugung mit solcher Kraft und mit solcher Gleichzeitigkeit im Bewußtsein eines Laudes wie Frankreich äußert, das ist kein kleiner Fortschritt, kein kleiner Gewinn. Hugo hat Recht und man hat es vor ihm gesagt, der zweite December ist das memsnw roori der Bureaukratie, der Armee, des vom Staate bezahlten Clerus einer unabsetzbaren nichtgewählten Magistrate. Wochenbericht. Heinrich V. Gagern in Heidelberg. — Wir geben auf Ehrenbe¬ zeigungen und Trinksprüche nicht viel; wenn wir in diesem Fall eine Ausnahme machen, so geschieht es nur, um durch das Beispiel des ehemaligen verehrten Führers unsrer Partei unsre Gesinnungsgenossen darauf aufmerksam zu machen, daß die Ansicht, wir seien in unsren politischen Zuständen noch nicht aus dem Punkt angelangt, wo man an Allem verzweifeln müsse, doch immer noch sehr bedeutende Vertreter findet. Gagern hat es feierlich ausgesprochen, daß nach seiner Ueberzeugung das monarchisch-constitutionelle Princip und diejenige Form der deutschen Einheit, wie sie in dem Jahre 1848 von den Mittelparteien angestrebt wurde, immer wieder der leitende Gedanke jeder neuen Bewegung sein müsse. Er hat zugleich den dynastischen Particularismus als dasjenige bezeichnet, was man unausgesetzt bekämpfen müsse, um eine endliche Lösung unsrer Verwickelung vorzubereiten. Wir stimmen ihm in beiden Pnnkren vollkommen bei, und wollen nur noch einige Bemerkungen daran knüpfen, um etwaige Mißverständnisse abzu¬ schneiden. Der monarchische Geist, den man ganz mit Recht als eine charakteristische Eigenschaft des deutschen Volks darstellt, entspringt nicht ans der Pietät gegen ein bestimmtes Herrschergeschlecht, sondern aus dem Bestreben aller edlen Geister, einer

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/440
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/440>, abgerufen am 19.05.2024.