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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man jetzt noch einmal die unermeßlichen
Vortheile, welche, das Bestehen dieses Handelsbundes der Industrie und dem
Handel aller dabei betheiligten Staaten gebracht hat, auseinandersetzen. Freilich
klagt man anch, daß er nicht allen den von ihm gehegten Erwartungen entsprochen
habe, aber es fragt sich noch sehr, ob diese Erwartungen berechtigt waren, und
nicht nnr in den erfinderischen Köpfen phantastischer Nationalökonomen bestanden.
Freilich sind einzelne Interessen verletzt worden, -- jedoch sicherlich die am we¬
nigsten, die seit Jahren am lautesten über Hintansetzung schreien und denen gerade
andere nicht minder wichtige geopfert worden sind -- aber das kann keine Zoll¬
politik vermeiden, die sich unterfängt der Industrie künstliche Stützen geben zu
wollen. Freilich ist er sich in seiner Handelspolitik nicht consequent geblieben,
aber kann dies anders sein in einem Verein, wo nicht ein einzelner Wille, son¬
dern die Beistimmung sämmtlicher Theilnehmer zu entscheiden hat? Wir wollen sogar
alle diese Mängel zugeben, aber hat er nicht die Industrie und den Handel
Deutschlands zu einer glänzenden, und uur durch die Schuld der jetzt mit ihm
unzufriedenen Staaten nicht ganz gesunden Blüthe entwickelt, den Nationalwohl-
stand auf eine früher nicht dagewesene Höhe gebracht, und die Finanzen aller
dabei betheiligten Regierungen in den glänzendsten Zustand versetzt? Alle diese
Vortheile, die von keiner Seite geläugnet werden, sollen wir jetzt aufgeben, und
dafür nichts Anderes zum Ersatz erhalten, als die ungewisse Aussicht auf eine
Handelseinigung mit Oestreich, oder einen neuen Zollverein unter den in Darm¬
stadt coalistrlen Staaten.

Wir wollen die letztere Eventualität als die wahrscheinlichere znerst ins Auge
fassen. Man denke sich einen Zollverein zwischen Sachsen, Baiern, Württemberg,
Baden, den beiden Hessen und Nassau: ein Zollgebiet, das die halbe Breite von
Deutschland vou der Nordsee trennt, auf der diese Länder den größten Theil
ihrer Ausführen versende", und auf der sie die Rohstoffe und Zollsabrikate zu
ihre" vornehmsten Industriezweigen beziehen. Wir geben die Wichtigkeit Trieft's
für den deutschen Handel recht gern zu, aber nimmermehr wird dieser Hafen, der
nnr an einem Binnenmeere liegt, die directe Verbindung mit dem Weltmeer
ersetzen können, und keinen Augenblick kann ein intelligenter Fabrikant an die
Möglichkeit glauben, seine Baumwolle oder seine Twiste aus Triest zu beziehen,
wenn es einem etwaigen norddeutschen Handclsbnnd einfallen sollte, belästigende
Durchgangszölle zu erheben. Ueberhaupt ist ein Zollgebiet, das nur Binnenland
ist, eine todte Geburt, da es in allen seinen Verkehrsbeziehuugen von seinen
Nachbarn abhängig ist. Aber anch in anderer Hinsicht sind die Verhältnisse
dieser süddeutschen Zollgruppe keine sehr günstigen. Die Zahl ihrer Ein¬
wohner betrug 184-3 nur etwa 11 ^/s Millionen, während der übrige Zoll¬
verein doch wenigstens 17, und mit Hinzurechnung des Steuervereins 19 Mil¬
lionen zählt. Schon die einfachen Lebensgewohnheiten in Süddeutschland


hieße Eulen nach Athen tragen, wollte man jetzt noch einmal die unermeßlichen
Vortheile, welche, das Bestehen dieses Handelsbundes der Industrie und dem
Handel aller dabei betheiligten Staaten gebracht hat, auseinandersetzen. Freilich
klagt man anch, daß er nicht allen den von ihm gehegten Erwartungen entsprochen
habe, aber es fragt sich noch sehr, ob diese Erwartungen berechtigt waren, und
nicht nnr in den erfinderischen Köpfen phantastischer Nationalökonomen bestanden.
Freilich sind einzelne Interessen verletzt worden, — jedoch sicherlich die am we¬
nigsten, die seit Jahren am lautesten über Hintansetzung schreien und denen gerade
andere nicht minder wichtige geopfert worden sind — aber das kann keine Zoll¬
politik vermeiden, die sich unterfängt der Industrie künstliche Stützen geben zu
wollen. Freilich ist er sich in seiner Handelspolitik nicht consequent geblieben,
aber kann dies anders sein in einem Verein, wo nicht ein einzelner Wille, son¬
dern die Beistimmung sämmtlicher Theilnehmer zu entscheiden hat? Wir wollen sogar
alle diese Mängel zugeben, aber hat er nicht die Industrie und den Handel
Deutschlands zu einer glänzenden, und uur durch die Schuld der jetzt mit ihm
unzufriedenen Staaten nicht ganz gesunden Blüthe entwickelt, den Nationalwohl-
stand auf eine früher nicht dagewesene Höhe gebracht, und die Finanzen aller
dabei betheiligten Regierungen in den glänzendsten Zustand versetzt? Alle diese
Vortheile, die von keiner Seite geläugnet werden, sollen wir jetzt aufgeben, und
dafür nichts Anderes zum Ersatz erhalten, als die ungewisse Aussicht auf eine
Handelseinigung mit Oestreich, oder einen neuen Zollverein unter den in Darm¬
stadt coalistrlen Staaten.

Wir wollen die letztere Eventualität als die wahrscheinlichere znerst ins Auge
fassen. Man denke sich einen Zollverein zwischen Sachsen, Baiern, Württemberg,
Baden, den beiden Hessen und Nassau: ein Zollgebiet, das die halbe Breite von
Deutschland vou der Nordsee trennt, auf der diese Länder den größten Theil
ihrer Ausführen versende», und auf der sie die Rohstoffe und Zollsabrikate zu
ihre» vornehmsten Industriezweigen beziehen. Wir geben die Wichtigkeit Trieft's
für den deutschen Handel recht gern zu, aber nimmermehr wird dieser Hafen, der
nnr an einem Binnenmeere liegt, die directe Verbindung mit dem Weltmeer
ersetzen können, und keinen Augenblick kann ein intelligenter Fabrikant an die
Möglichkeit glauben, seine Baumwolle oder seine Twiste aus Triest zu beziehen,
wenn es einem etwaigen norddeutschen Handclsbnnd einfallen sollte, belästigende
Durchgangszölle zu erheben. Ueberhaupt ist ein Zollgebiet, das nur Binnenland
ist, eine todte Geburt, da es in allen seinen Verkehrsbeziehuugen von seinen
Nachbarn abhängig ist. Aber anch in anderer Hinsicht sind die Verhältnisse
dieser süddeutschen Zollgruppe keine sehr günstigen. Die Zahl ihrer Ein¬
wohner betrug 184-3 nur etwa 11 ^/s Millionen, während der übrige Zoll¬
verein doch wenigstens 17, und mit Hinzurechnung des Steuervereins 19 Mil¬
lionen zählt. Schon die einfachen Lebensgewohnheiten in Süddeutschland


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/74>, abgerufen am 19.05.2024.