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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band.

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seits ist diese Aussicht doch immer eine sehr bedenkliche, andererseits wäre es
unser unwürdig, wenn wir zuließen, daß über uns ohne uns entschieden wird. ,

Es wäre ferner sehr ungeschickt, wenn wir annehmen wollten, unsre Par¬
tei sei eine geschlossene Masse, der nur die Parole ertheilt werden dürste, um
sich nach der einen oder nach der andern Seite hin in Bewegung zu setzen. Wir
glauben allerdings, daß unter den Mittelklassen im Ganzen die liberalen Ideen
bei weitem die gangbarsten sind, und daß> sie auch in dem Adel und in der
Bureaukratie sich einer nicht geringen Verbreitung erfreuen; allein diese allge¬
meinen Ansichten reichen noch nicht aus, um in einer Wahlschlacht die Entscheidung
herbeizuführen; es kommt vielmehr daraus an, mit unermüdlicher Ausdauer bei
alleu schwankenden Gemüthern die Ueberzeugung festzusetzen, daß diese Meinun¬
gen jetzt auch zur That werden müssen, wenn nicht die geistigen wie die Materi¬
alien Interessen des Volkes zu Grnnde gehen sollen.

ES käme noch darauf an, das Verhalten festzustellen, welches wir den uns
nahestehenden Parteien gegenüber beobachten sollen, da es kaum zu vermuthen
ist, daß in den verschiedenen Wahlkreisen nur zwei Kandidaten, die Kandidaten
der Reaction und des Liberalismus, auftreten werden. In dieser Beziehung
weichen wir wesentlich von den Ansichten ab, welche die Cvnstitutiouelle Zeitung
im Verein mit mehreren anderen Blättern unsrer Partei ausgesprochen hat. Von
dieser Seite her wurde nämlich darauf gedrungen, daß wir die schroffe Stellung-
der Demokratie gegenüber aufgaben, daß wir, wenn nicht eine Fusion^ doch we¬
nigstens ein Kompromiß mit den Demokraten eingehen sollten.

Gegen diese Idee haben wir beständig polemisirt, und wenn uns nicht an¬
dere Gründe dazu bestimmten, so würde wol der einfache Umstand ausreichen,
daß uach aller Wahrscheinlichkeitsrechnung die sogenannte Demokratie, oder mit
anderen Worten, das Publicum- der Nativnalzcitnng, sich auch diesmal der Wah¬
len enthalten wird. Wir sagen das keineswegs, weil wir es wünschen; wir hal¬
ten es vielmehr für ein großes Unglück für unsre Institutionen, daß eine immer
bedeutende Klasse des Volks ihre Vertretung in denselben nicht findet; wir wür¬
den es für einen großen Gewinn ansehen, wenn intelligente und ans ihre Weise
patriotische Männer, wie Waldeck, Unruh, NodbertuS u. s. w., ans ihrer pessi¬
mistischen Unthätigkeit herausträten und, wenn auch in der Form gegen uns,
dem Wesen nach doch mit uns, an der Feststellung unsrer parlamentarischen
Zustände arbeite" wollten. Allein wir wagen -nicht darauf zu hoffen, denu es
liegt im Interesse der leitenden Cvterie, die bisherige Stellung festzuhalten. Sie
stehen auf einer unnahbaren Höhe, von der ans sie das Gewühl der streitenden-
Kräfte mit Behagen überschauen und sich über die unschönen und lächerlichen Er¬
scheinungen dieses Kampfes belustigen können. Jedes positive Eingreifen in die
öffentlichen Zustande würde ihnen die Annehmlichkeit dieser Stellung rauben und
sie in dieselbe mißliche Lage bringen, über die sie so lange und mit großem Er-


seits ist diese Aussicht doch immer eine sehr bedenkliche, andererseits wäre es
unser unwürdig, wenn wir zuließen, daß über uns ohne uns entschieden wird. ,

Es wäre ferner sehr ungeschickt, wenn wir annehmen wollten, unsre Par¬
tei sei eine geschlossene Masse, der nur die Parole ertheilt werden dürste, um
sich nach der einen oder nach der andern Seite hin in Bewegung zu setzen. Wir
glauben allerdings, daß unter den Mittelklassen im Ganzen die liberalen Ideen
bei weitem die gangbarsten sind, und daß> sie auch in dem Adel und in der
Bureaukratie sich einer nicht geringen Verbreitung erfreuen; allein diese allge¬
meinen Ansichten reichen noch nicht aus, um in einer Wahlschlacht die Entscheidung
herbeizuführen; es kommt vielmehr daraus an, mit unermüdlicher Ausdauer bei
alleu schwankenden Gemüthern die Ueberzeugung festzusetzen, daß diese Meinun¬
gen jetzt auch zur That werden müssen, wenn nicht die geistigen wie die Materi¬
alien Interessen des Volkes zu Grnnde gehen sollen.

ES käme noch darauf an, das Verhalten festzustellen, welches wir den uns
nahestehenden Parteien gegenüber beobachten sollen, da es kaum zu vermuthen
ist, daß in den verschiedenen Wahlkreisen nur zwei Kandidaten, die Kandidaten
der Reaction und des Liberalismus, auftreten werden. In dieser Beziehung
weichen wir wesentlich von den Ansichten ab, welche die Cvnstitutiouelle Zeitung
im Verein mit mehreren anderen Blättern unsrer Partei ausgesprochen hat. Von
dieser Seite her wurde nämlich darauf gedrungen, daß wir die schroffe Stellung-
der Demokratie gegenüber aufgaben, daß wir, wenn nicht eine Fusion^ doch we¬
nigstens ein Kompromiß mit den Demokraten eingehen sollten.

Gegen diese Idee haben wir beständig polemisirt, und wenn uns nicht an¬
dere Gründe dazu bestimmten, so würde wol der einfache Umstand ausreichen,
daß uach aller Wahrscheinlichkeitsrechnung die sogenannte Demokratie, oder mit
anderen Worten, das Publicum- der Nativnalzcitnng, sich auch diesmal der Wah¬
len enthalten wird. Wir sagen das keineswegs, weil wir es wünschen; wir hal¬
ten es vielmehr für ein großes Unglück für unsre Institutionen, daß eine immer
bedeutende Klasse des Volks ihre Vertretung in denselben nicht findet; wir wür¬
den es für einen großen Gewinn ansehen, wenn intelligente und ans ihre Weise
patriotische Männer, wie Waldeck, Unruh, NodbertuS u. s. w., ans ihrer pessi¬
mistischen Unthätigkeit herausträten und, wenn auch in der Form gegen uns,
dem Wesen nach doch mit uns, an der Feststellung unsrer parlamentarischen
Zustände arbeite» wollten. Allein wir wagen -nicht darauf zu hoffen, denu es
liegt im Interesse der leitenden Cvterie, die bisherige Stellung festzuhalten. Sie
stehen auf einer unnahbaren Höhe, von der ans sie das Gewühl der streitenden-
Kräfte mit Behagen überschauen und sich über die unschönen und lächerlichen Er¬
scheinungen dieses Kampfes belustigen können. Jedes positive Eingreifen in die
öffentlichen Zustande würde ihnen die Annehmlichkeit dieser Stellung rauben und
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94440/86>, abgerufen am 19.05.2024.