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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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von französischen Offneren befehligt, in seinen Diensten hatte. Das ostindische
Gouvernement war dem Kriege abgeneigt, aber die Intriguen von Napoleon's
. Emissairen unter den einheimischen Stämmen zwangen es zu einem Entschluß, der
durch die Aufforderung des von seinen Vasallen bedrohten Peischwah beschleunigt
wurde. Zu diesem Zwecke sammelte sich an der Grenze des Punahgebiets ein
starkes Corps unter General Stuart, während ein anderes von 7000 Mann dem
Peischwah gegen Seindiah zu Hilfe gehen sollte. Den Befehl über letzteres
erhielt im Februar' 1803 Generalmajor Wellesley. Ein rascher und geschickter
Marsch gegen ,Punah genügte, um die wankende Autorität des Peischwah zu
befestigen, aber die Haltung der widerspenstigen Vasallen wurde täglich drohender,
und der Generalgouvemeur beschloß nun definitiv Seindiah's Macht zu brechen.
Die Leitung der schwierigen Unternehmung wurde ebenfalls General Wellesley
anvertraut. Mit einem Corps von 10,000 Mann einheimischer und englischer
Truppen sollte er seine Bewegungen so combiniren, daß keines seiner Detachements
einen Nachtheil erlitt, daß die besonderen Eigenschaften der englischen Truppen
aufs Beste benutzt, und die Schwierigkeiten indischer Kriegführung durch kluge
Voraussicht umgangen, oder durch kühnes Unternehmen überwunden würden.
Hier zeigte Wellesley zuerst seine merkwürdige Voraussicht und seiue ausnehmen¬
den Fähigkeiten. Der seinen Dimensionen nach so unbedeutende Feldzug gegen
Duudiah war ihm eine vortreffliche Schule gewesen, um die Eigenthümlichkeiten
der Taktik der Eingeborenen, die Nachtheile und Vortheile des Terrains, die
Stärke der Forts, den Lauf, die Tiefe und das periodische Steigen und Fallen
der Flüsse kennen zu lernen. Nach diesen Beobachtungen hatte er seinen Plan zu
einem Mährattenfeldznge entworfen. Er wählte eine Jahreszeit, wo die Führten
der Flüsse nicht gangbar waren, und wendete dieses Terrainhinderniß zum Vor¬
theil der Engländer dadurch, daß er für tragbare Boote und Schiffbrücken sorgte,
welche den Eingeborenen fehlten. Die Beweglichkeit seiner Armee vermehrte er
durch Anschaffung eines kräftigern und zugleich leichtern Schlags von Zugbüffeln.
Hinsichtlich der Forts, die stark genug waren, um ernste Besorgnisse einzuflößen,
und zu zahlreich, um alle regelmäßig belagert zu werden, rechnete er auf die schwache
Seite der Eingeborenen, denen eine glänzende Waffenthat gleich einen unaus-
löschlichen Respect vor der Überlegenheit der Europäer einflößt. Er befahl, eins
oder ein Paar ohne weitere Umstände zu stürmen, und die Besatzung bei ernst¬
lichem Widerstand über die Klinge springen zu lassen. Diese Taktik schlug an. Ein
Mahrattenhäuptling schrieb an einen Freund: "Diese Engländer sind seltsame
Leute, und ihr General ein wunderbarer Mann. Heute Morgen kamen sie hier
an, besahen sich die Mauern von Pettah, spazierten darüber hinweg, schlugen die
Besatzung todt und gingen zum Frühstücke. Wer kann ihnen widerstehen?" Die
Folge war, daß die stärksten Forts mit sehr geringem oder gar keinem Menschen¬
verlust genommen wurden. Es dauerte jedoch einige Zeit, ehe die verdächtigen


von französischen Offneren befehligt, in seinen Diensten hatte. Das ostindische
Gouvernement war dem Kriege abgeneigt, aber die Intriguen von Napoleon's
. Emissairen unter den einheimischen Stämmen zwangen es zu einem Entschluß, der
durch die Aufforderung des von seinen Vasallen bedrohten Peischwah beschleunigt
wurde. Zu diesem Zwecke sammelte sich an der Grenze des Punahgebiets ein
starkes Corps unter General Stuart, während ein anderes von 7000 Mann dem
Peischwah gegen Seindiah zu Hilfe gehen sollte. Den Befehl über letzteres
erhielt im Februar' 1803 Generalmajor Wellesley. Ein rascher und geschickter
Marsch gegen ,Punah genügte, um die wankende Autorität des Peischwah zu
befestigen, aber die Haltung der widerspenstigen Vasallen wurde täglich drohender,
und der Generalgouvemeur beschloß nun definitiv Seindiah's Macht zu brechen.
Die Leitung der schwierigen Unternehmung wurde ebenfalls General Wellesley
anvertraut. Mit einem Corps von 10,000 Mann einheimischer und englischer
Truppen sollte er seine Bewegungen so combiniren, daß keines seiner Detachements
einen Nachtheil erlitt, daß die besonderen Eigenschaften der englischen Truppen
aufs Beste benutzt, und die Schwierigkeiten indischer Kriegführung durch kluge
Voraussicht umgangen, oder durch kühnes Unternehmen überwunden würden.
Hier zeigte Wellesley zuerst seine merkwürdige Voraussicht und seiue ausnehmen¬
den Fähigkeiten. Der seinen Dimensionen nach so unbedeutende Feldzug gegen
Duudiah war ihm eine vortreffliche Schule gewesen, um die Eigenthümlichkeiten
der Taktik der Eingeborenen, die Nachtheile und Vortheile des Terrains, die
Stärke der Forts, den Lauf, die Tiefe und das periodische Steigen und Fallen
der Flüsse kennen zu lernen. Nach diesen Beobachtungen hatte er seinen Plan zu
einem Mährattenfeldznge entworfen. Er wählte eine Jahreszeit, wo die Führten
der Flüsse nicht gangbar waren, und wendete dieses Terrainhinderniß zum Vor¬
theil der Engländer dadurch, daß er für tragbare Boote und Schiffbrücken sorgte,
welche den Eingeborenen fehlten. Die Beweglichkeit seiner Armee vermehrte er
durch Anschaffung eines kräftigern und zugleich leichtern Schlags von Zugbüffeln.
Hinsichtlich der Forts, die stark genug waren, um ernste Besorgnisse einzuflößen,
und zu zahlreich, um alle regelmäßig belagert zu werden, rechnete er auf die schwache
Seite der Eingeborenen, denen eine glänzende Waffenthat gleich einen unaus-
löschlichen Respect vor der Überlegenheit der Europäer einflößt. Er befahl, eins
oder ein Paar ohne weitere Umstände zu stürmen, und die Besatzung bei ernst¬
lichem Widerstand über die Klinge springen zu lassen. Diese Taktik schlug an. Ein
Mahrattenhäuptling schrieb an einen Freund: „Diese Engländer sind seltsame
Leute, und ihr General ein wunderbarer Mann. Heute Morgen kamen sie hier
an, besahen sich die Mauern von Pettah, spazierten darüber hinweg, schlugen die
Besatzung todt und gingen zum Frühstücke. Wer kann ihnen widerstehen?" Die
Folge war, daß die stärksten Forts mit sehr geringem oder gar keinem Menschen¬
verlust genommen wurden. Es dauerte jedoch einige Zeit, ehe die verdächtigen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/154>, abgerufen am 15.06.2024.