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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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haltend. Wir warfen uns im Sturmschritt mit gefälltem Bayonnet auf die Araber,
die beim ersten Zusammenstoß wichen, und so erhielten die Jäger Raum, sich
zurückzuziehen; aber dies war nicht Alles, denn auch wir mußten unsren Rückzug
bewerkstelligen. Die Hitze war wahrhaft afrikanisch, unsre Entfernung von der
Colonne betrug 6 Kilometer aus einem sehr schwierigen Terr'ain; die Cavallerie
war znrückmarschirt, weil der Boden ihr nicht zu manövriren gestattete. Die
Araber umschwärmten uns zu Tausenden in nächster Nähe, ja bis an die Spitzen
unsrer Bayonnete drangen, sie vor. Nach einem zweistündigen Widerstand sahen
wir uns erheblich geschwächt, und da keine Unterstützung erschien, versuchte man
den Feind zu durchbrechen, und den Ouad Rhisö im Sturmschritt wieder zu er¬
reichen. Eine Section Voltigeurs wars sich auf deu Feind, ihr Muth öffnete
uns eine Bresche, aber wir sahen fast die ganze Section mit ihren Officieren vor
unsren Augen fallen. Nun stürzten wir uns in die Bresche, und dnrch einen
lebhaften Angriff mit Bayonnet und Kolbe gelang es uns, einen kleinen Zwischen¬
raum zwischen uns und den Arabern herzustellen. Der Rückzug begann; Jeder
schlug sich "aus eigene Hand", es war ein Gefecht von einem Felsen, einem Ge¬
büsch zum andern. Ich habe allein lo Schüsse gethan, mein Flintenlauf war so
heiß, daß ich ihn nur mit dem Niemenbügel berühren konnte. Jeder Mann war
von 6 Arabern verfolgt; hatte man einen Schuß abgefeuert, so setzte man
seinen Rückzug im Sturmschritt fort, warf sich hinter einen Palmbaum, um zu
laden, und fast jede Kugel verwundete oder tödtete. Ich-glaube, die Kaltblütig¬
keit steigt mit der Gefahr, denn der Tag war einer der schrecklichsten, die wir
seit 18i3 gesehen haben. Die Araber waren immer ans 30 Schritt hinter uns,
bevor wir Zeit hatten zu laden, waren sie uns auf den Fersen, verfolgten uns
mit Schüssen, mit dem Uataghan und selbst mit Steinwürfen. Endlich hörten
wir ein Gewehrfeuer, die übrigen Bataillone erschienen auf dem Schlachtfelds,
und von ihnen gedeckt kamen wir in's Lager zurück, nachdem wir die Hälfte unsres
armen Bataillons ans dem Platze gelassen hatten: 2 Officiere todt, ö verwundet,
124 Mann kampfunfähig. Der Verlust des Feindes soll enorm sein, denn unsre
Leute zielen gut. Die Affaire hatte vom Morgen bis i Uhr Nachmittags ge¬
dauert, während welcher Zeit wir weder gegessen, noch getrunken haben, und das
im Juni. -- Der General bewillkommnete uns in einem prächtigen Tagesbefehl,
worin es hieß: ,,Chasseurs, Ihr verdankt Euer Leben dem tapfern "13. Bataillon
der Fremdenlegion, das dnrch seine Hingebung, 'seine Ruhe im Feuer und seine
Energie Euren Rückzug gedeckt und uns die Ehre des Tages gesichert hat." Zehn
Tage später rückten wir in Bel Abbes ein, die ganze Bevölkerung kam uns ent¬
gegen, und wir empfingen unsrer Adler, der eben von Paris gekommen war, beim
Donner der Kanonen und nnter dem Schalle der Musik unsres alten Regiments.




haltend. Wir warfen uns im Sturmschritt mit gefälltem Bayonnet auf die Araber,
die beim ersten Zusammenstoß wichen, und so erhielten die Jäger Raum, sich
zurückzuziehen; aber dies war nicht Alles, denn auch wir mußten unsren Rückzug
bewerkstelligen. Die Hitze war wahrhaft afrikanisch, unsre Entfernung von der
Colonne betrug 6 Kilometer aus einem sehr schwierigen Terr'ain; die Cavallerie
war znrückmarschirt, weil der Boden ihr nicht zu manövriren gestattete. Die
Araber umschwärmten uns zu Tausenden in nächster Nähe, ja bis an die Spitzen
unsrer Bayonnete drangen, sie vor. Nach einem zweistündigen Widerstand sahen
wir uns erheblich geschwächt, und da keine Unterstützung erschien, versuchte man
den Feind zu durchbrechen, und den Ouad Rhisö im Sturmschritt wieder zu er¬
reichen. Eine Section Voltigeurs wars sich auf deu Feind, ihr Muth öffnete
uns eine Bresche, aber wir sahen fast die ganze Section mit ihren Officieren vor
unsren Augen fallen. Nun stürzten wir uns in die Bresche, und dnrch einen
lebhaften Angriff mit Bayonnet und Kolbe gelang es uns, einen kleinen Zwischen¬
raum zwischen uns und den Arabern herzustellen. Der Rückzug begann; Jeder
schlug sich „aus eigene Hand", es war ein Gefecht von einem Felsen, einem Ge¬
büsch zum andern. Ich habe allein lo Schüsse gethan, mein Flintenlauf war so
heiß, daß ich ihn nur mit dem Niemenbügel berühren konnte. Jeder Mann war
von 6 Arabern verfolgt; hatte man einen Schuß abgefeuert, so setzte man
seinen Rückzug im Sturmschritt fort, warf sich hinter einen Palmbaum, um zu
laden, und fast jede Kugel verwundete oder tödtete. Ich-glaube, die Kaltblütig¬
keit steigt mit der Gefahr, denn der Tag war einer der schrecklichsten, die wir
seit 18i3 gesehen haben. Die Araber waren immer ans 30 Schritt hinter uns,
bevor wir Zeit hatten zu laden, waren sie uns auf den Fersen, verfolgten uns
mit Schüssen, mit dem Uataghan und selbst mit Steinwürfen. Endlich hörten
wir ein Gewehrfeuer, die übrigen Bataillone erschienen auf dem Schlachtfelds,
und von ihnen gedeckt kamen wir in's Lager zurück, nachdem wir die Hälfte unsres
armen Bataillons ans dem Platze gelassen hatten: 2 Officiere todt, ö verwundet,
124 Mann kampfunfähig. Der Verlust des Feindes soll enorm sein, denn unsre
Leute zielen gut. Die Affaire hatte vom Morgen bis i Uhr Nachmittags ge¬
dauert, während welcher Zeit wir weder gegessen, noch getrunken haben, und das
im Juni. — Der General bewillkommnete uns in einem prächtigen Tagesbefehl,
worin es hieß: ,,Chasseurs, Ihr verdankt Euer Leben dem tapfern "13. Bataillon
der Fremdenlegion, das dnrch seine Hingebung, 'seine Ruhe im Feuer und seine
Energie Euren Rückzug gedeckt und uns die Ehre des Tages gesichert hat." Zehn
Tage später rückten wir in Bel Abbes ein, die ganze Bevölkerung kam uns ent¬
gegen, und wir empfingen unsrer Adler, der eben von Paris gekommen war, beim
Donner der Kanonen und nnter dem Schalle der Musik unsres alten Regiments.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/156>, abgerufen am 15.06.2024.