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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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hin die blauen Berge der Rohr dem Laufe des Mainstromes folgen steht. Bam-
berg liegt vor uns. Die User der Negnitz bedeckend und am Michaelsberge sich
herausziehend, der westlich über der Stadt sich erhebt und aus dessen Gipfel die
gleichnamige Kirche gebant ist, bildet die alte Bischofsstadt ein Gemälde von
wunderbarem Reize. Inmitten desselben auf einem Absatz des Michaelsberges
ragt der herrliche Dom mit seinen vier schlanken Thürmen empor; selbst von der
beträchtlichen Entfernung des Bahnhofes aus erräth das Auge den edlen Styl
und die schönen Umrisse dieses stolzen Gotteshauses. Auf der Südseite der Stadt,
in der Entfernung von einer halben Stunde, erhebt sich auf einem Berge die
Altenburg. Die Sonne, jetzt dem' Untergange nahe, überglänzte dieses Bild voll
wechselvoller Schönheit, und kleidete es in den Nahmen ihres röthlich-goldenen
Lichtes. Hinter Bamberg verflacht sich die Umgebung mit den weiter zurückweichenden
Bergen, und die hereinbrechende Dunkelheit entzog sie bald vollends meiner Be¬
frachtung. Als der Zug Erlangen erreichte, stieg jedoch der Vollmond im Osten
ans, und mir ward somit die Gunst, die Mauern und Thürme der ehemaligen
Reichsstadt Nürnberg zum ersten Mal in dem Zauber eines vollen und klaren
Mondlichtes zu erblicken.

Nürnberg und Danzig theilen den Ruf, unter deu deutscheu Städten am
getreuesten die Formen der mittelalterlichen Bauart bewahrt zu haben. Fand
ich auch, als ich am Morgen nach meiner Ankunft durch die Stadt schlenderte,
meine etwas Hochgespanuten Erwartungen in dieser Beziehung nicht ganz befriedigt,
so muß ich doch gestehen, daß ich keine Stadt kenne, die ein so harmonisches Bild
des altdeutschen Wesens gewährt, als Nürnberg. Es übertrifft hierin nach meiner
Ansicht Danzig bei weitem, obwol das Letztere in dem langen Markt und der
Langgasse eine so glänzende und großartige Ansicht gewährt, wie man sie in Nürn¬
berg vergebens suchen wird. Dagegen hat das Letztere den entscheidenden Vorzug,
viel weniger durch moderne Zuthaten beeinträchtigt zu sein, als Danzig. Dieses
hat schon in seiner Eigenschaft als eine der Hauptfestungen Preußens Vieles,
was mit dem mittelalterlichen Charakter in völligem Contrast steht. Nürnberg
behauptet deu seinigen mit viel größerer Treue. In den Haupttheilen
der Stadt sind mir nur drei Gebäude in's Auge gefallen, die davon ab¬
weichen, das Rathhaus, das Theater und die Egidicnkirchc, deren Entstehung
vom Anfang des 17. und 18. Jahrhunderts datirt. Allerdings habe ich an den
Privathäusern nicht so viel Merkmale des mittelalterlichen Styls gesunden, als ich
mir vorgestellt hatte. Erker, die übrigens hier vou feiner, zierlicher Bauart sind,
erblickt man bei weitem nicht an allen Häusern, vielleicht kaum an dem dritten
Theil derselben. Noch sehr viel seltener stößt man aus gothische Wölbungen der
Fenster oder Thüren. Auch die in vielen alten Städten herrschende Gewohnheit,
die Häuser mit den Giebeln nach der Straße hinauszubauen, findet sich in Nürn¬
berg im Ganzen nicht häusig. Die Rücksicht der Naumersparung, die anderswo


hin die blauen Berge der Rohr dem Laufe des Mainstromes folgen steht. Bam-
berg liegt vor uns. Die User der Negnitz bedeckend und am Michaelsberge sich
herausziehend, der westlich über der Stadt sich erhebt und aus dessen Gipfel die
gleichnamige Kirche gebant ist, bildet die alte Bischofsstadt ein Gemälde von
wunderbarem Reize. Inmitten desselben auf einem Absatz des Michaelsberges
ragt der herrliche Dom mit seinen vier schlanken Thürmen empor; selbst von der
beträchtlichen Entfernung des Bahnhofes aus erräth das Auge den edlen Styl
und die schönen Umrisse dieses stolzen Gotteshauses. Auf der Südseite der Stadt,
in der Entfernung von einer halben Stunde, erhebt sich auf einem Berge die
Altenburg. Die Sonne, jetzt dem' Untergange nahe, überglänzte dieses Bild voll
wechselvoller Schönheit, und kleidete es in den Nahmen ihres röthlich-goldenen
Lichtes. Hinter Bamberg verflacht sich die Umgebung mit den weiter zurückweichenden
Bergen, und die hereinbrechende Dunkelheit entzog sie bald vollends meiner Be¬
frachtung. Als der Zug Erlangen erreichte, stieg jedoch der Vollmond im Osten
ans, und mir ward somit die Gunst, die Mauern und Thürme der ehemaligen
Reichsstadt Nürnberg zum ersten Mal in dem Zauber eines vollen und klaren
Mondlichtes zu erblicken.

Nürnberg und Danzig theilen den Ruf, unter deu deutscheu Städten am
getreuesten die Formen der mittelalterlichen Bauart bewahrt zu haben. Fand
ich auch, als ich am Morgen nach meiner Ankunft durch die Stadt schlenderte,
meine etwas Hochgespanuten Erwartungen in dieser Beziehung nicht ganz befriedigt,
so muß ich doch gestehen, daß ich keine Stadt kenne, die ein so harmonisches Bild
des altdeutschen Wesens gewährt, als Nürnberg. Es übertrifft hierin nach meiner
Ansicht Danzig bei weitem, obwol das Letztere in dem langen Markt und der
Langgasse eine so glänzende und großartige Ansicht gewährt, wie man sie in Nürn¬
berg vergebens suchen wird. Dagegen hat das Letztere den entscheidenden Vorzug,
viel weniger durch moderne Zuthaten beeinträchtigt zu sein, als Danzig. Dieses
hat schon in seiner Eigenschaft als eine der Hauptfestungen Preußens Vieles,
was mit dem mittelalterlichen Charakter in völligem Contrast steht. Nürnberg
behauptet deu seinigen mit viel größerer Treue. In den Haupttheilen
der Stadt sind mir nur drei Gebäude in's Auge gefallen, die davon ab¬
weichen, das Rathhaus, das Theater und die Egidicnkirchc, deren Entstehung
vom Anfang des 17. und 18. Jahrhunderts datirt. Allerdings habe ich an den
Privathäusern nicht so viel Merkmale des mittelalterlichen Styls gesunden, als ich
mir vorgestellt hatte. Erker, die übrigens hier vou feiner, zierlicher Bauart sind,
erblickt man bei weitem nicht an allen Häusern, vielleicht kaum an dem dritten
Theil derselben. Noch sehr viel seltener stößt man aus gothische Wölbungen der
Fenster oder Thüren. Auch die in vielen alten Städten herrschende Gewohnheit,
die Häuser mit den Giebeln nach der Straße hinauszubauen, findet sich in Nürn¬
berg im Ganzen nicht häusig. Die Rücksicht der Naumersparung, die anderswo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/212>, abgerufen am 12.06.2024.