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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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bringen werde, wir glauben auch nicht, daß die Eingezogenen die Väter dieser
unsauberen Mnsenkinder seien. Die Quatrainmacherei ist eine nationale Krank¬
heit, und ich kenne Familien, welche dem gegenwärtigen Regime mit vielem Eiser
anhängen, deren Söhne sich das Vergnügen eines vicrreimigen Spottgedichtes
darum doch nicht versagen. Es ist unklug, daß die Polizei irgend ein Gewicht
ans diese unschädliche" Dingelchen legt -- sie haben nur insofern Bedeutung,
als sie die Stimmung einer gewissen Klasse der Gesellschaft bekunden. Wollte
man also wirklich helfen, müßte man auf die Stimmung selbst zu wirken suchen:
Verhaftungen und sonstiger Bureaukraten-Terrorismus sind aber wahrlich nicht
der Weg, die Gemüther zu versöhnen. Die Korrespondenten der fremden Jour¬
nale, oder doch jene, welche des Correspondenzverbrechens beschuldigt werden,
sollten wahrscheinlich als Warnung für die übrigen, deren Zahl Legion ist, Be¬
kanntschaft mit der Vortrefflichkeit des Zellensystemes von Mazas machen. Von
auch in Deutschland bekannten Persönlichkeiten ist der Dichter Moritz Hartmann,
von dessen Schilderung Südfrankreichs ich in einem meiner letzten Briefe ge¬
sprochen habe, zu nennen. Der Pfaffe Mauritius ist diesmal wahrscheinlich
blos durch die menschenfreundliche Intervention eines deutschen oder östreichischen
Spizel zur Ehre des politischen Märtyrerthums gekommen. Der Mann hat
der Politik längst Ade gesagt und beschäftigt sich ausschließlich mit seinen poeti¬
schen Schöpfungen. Er wird anch wahrscheinlich schon heute oder morgen in
Freiheit gesetzt werden, nach Anderen ist er es schon. Gegen den ehemaligen
Secretair der ungarischen Legation in Paris, gegen Friedrich Szarvady war auch
ein Verhaftbefehl ausgestellt. Die Polizei erschien in dessen Wohnung, fand
aber das Nest leer, da Szarvady schon einige Tage vorher Paris verlassen
hatte. Die Polizei machte sich selbst die Honneurs in der verlassenen Wohnung,
ließ die Kasten erbrechen und nahm sämmtliche vorgefundene Papiere und
Schriften mit sich. Nun wird er wohl in Contumaz verurtheilt werden, wenn
man staatsgefährliche Acten oder Correspondenzverbindungen nachweisende Pa¬
piere bei ihm entdeckt. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen von einer Ge¬
wohnheit der hiesigen Polizei sprechen, die ich, wenn auch nicht aus eigner Er¬
fahrung, als stätig beobachtet habe. Die Polizei nimmt ihre Nazzien, nament¬
lich der Schriftsteller, immer an einem Sonntage vor. Die Psychologen sind,
wie sich erwarten läßt, sehr uneinig in der Erklärung dieses Factums. Einige
behaupten, daß dies die Art und Weise der hiesigen Polizei sei, ihre Andacht
zu verrickteu; da aber nicht jeden Sonntag Verhaftungen stattfinden, und die
Polizei viel zu gottesfürchtig ist, um nicht jeden Sonntag gute Werke zu ver¬
richten, kann ich für meine Person mich nicht zu dieser Ansicht verstehen. An¬
dere glauben, die Polizei habe die Beobachtung gemacht, daß Schriftsteller wie
Handwerker am Sonntage länger schlafen, und man sie daher um so sicherer
im Bette finde. Noch Andere sind der Meinung, daß, weil Sonntag am wenigsten


bringen werde, wir glauben auch nicht, daß die Eingezogenen die Väter dieser
unsauberen Mnsenkinder seien. Die Quatrainmacherei ist eine nationale Krank¬
heit, und ich kenne Familien, welche dem gegenwärtigen Regime mit vielem Eiser
anhängen, deren Söhne sich das Vergnügen eines vicrreimigen Spottgedichtes
darum doch nicht versagen. Es ist unklug, daß die Polizei irgend ein Gewicht
ans diese unschädliche» Dingelchen legt — sie haben nur insofern Bedeutung,
als sie die Stimmung einer gewissen Klasse der Gesellschaft bekunden. Wollte
man also wirklich helfen, müßte man auf die Stimmung selbst zu wirken suchen:
Verhaftungen und sonstiger Bureaukraten-Terrorismus sind aber wahrlich nicht
der Weg, die Gemüther zu versöhnen. Die Korrespondenten der fremden Jour¬
nale, oder doch jene, welche des Correspondenzverbrechens beschuldigt werden,
sollten wahrscheinlich als Warnung für die übrigen, deren Zahl Legion ist, Be¬
kanntschaft mit der Vortrefflichkeit des Zellensystemes von Mazas machen. Von
auch in Deutschland bekannten Persönlichkeiten ist der Dichter Moritz Hartmann,
von dessen Schilderung Südfrankreichs ich in einem meiner letzten Briefe ge¬
sprochen habe, zu nennen. Der Pfaffe Mauritius ist diesmal wahrscheinlich
blos durch die menschenfreundliche Intervention eines deutschen oder östreichischen
Spizel zur Ehre des politischen Märtyrerthums gekommen. Der Mann hat
der Politik längst Ade gesagt und beschäftigt sich ausschließlich mit seinen poeti¬
schen Schöpfungen. Er wird anch wahrscheinlich schon heute oder morgen in
Freiheit gesetzt werden, nach Anderen ist er es schon. Gegen den ehemaligen
Secretair der ungarischen Legation in Paris, gegen Friedrich Szarvady war auch
ein Verhaftbefehl ausgestellt. Die Polizei erschien in dessen Wohnung, fand
aber das Nest leer, da Szarvady schon einige Tage vorher Paris verlassen
hatte. Die Polizei machte sich selbst die Honneurs in der verlassenen Wohnung,
ließ die Kasten erbrechen und nahm sämmtliche vorgefundene Papiere und
Schriften mit sich. Nun wird er wohl in Contumaz verurtheilt werden, wenn
man staatsgefährliche Acten oder Correspondenzverbindungen nachweisende Pa¬
piere bei ihm entdeckt. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen von einer Ge¬
wohnheit der hiesigen Polizei sprechen, die ich, wenn auch nicht aus eigner Er¬
fahrung, als stätig beobachtet habe. Die Polizei nimmt ihre Nazzien, nament¬
lich der Schriftsteller, immer an einem Sonntage vor. Die Psychologen sind,
wie sich erwarten läßt, sehr uneinig in der Erklärung dieses Factums. Einige
behaupten, daß dies die Art und Weise der hiesigen Polizei sei, ihre Andacht
zu verrickteu; da aber nicht jeden Sonntag Verhaftungen stattfinden, und die
Polizei viel zu gottesfürchtig ist, um nicht jeden Sonntag gute Werke zu ver¬
richten, kann ich für meine Person mich nicht zu dieser Ansicht verstehen. An¬
dere glauben, die Polizei habe die Beobachtung gemacht, daß Schriftsteller wie
Handwerker am Sonntage länger schlafen, und man sie daher um so sicherer
im Bette finde. Noch Andere sind der Meinung, daß, weil Sonntag am wenigsten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/356>, abgerufen am 16.06.2024.