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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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befürchten mußte. Die Politik des Fürsten Schwarzenberg dagegen war trotz der
vielfachen harten Repressivmaßregeln, die sie als Mittel gebrauchte, ihrem eigent¬
lichen Charakternach durchaus aggressiv, sie strebte nach Eroberungen im Innern
wie im Aeußern, und man kann von ihr sagen, daß sie die Conflicte eher auf¬
suchte, als vermied. /

Die Zeit von 18i8 schien für Deutschland die günstige, sich aus dieser
Lage herauszureißen, die ewigen Conflicte in seinem Innern dadurch zu lösen,
daß es sich entweder zu einem Einheitsstaate umschuf, oder daß es sich theilte,
um zwei lebensfähige Staatskörper zu bilden. Welcher von diesen beiden
Richtungen man auch angehören mochte, jedenfalls hätte man glauben sollen,
daß der Einfluß Rußlands über die deutschen Cabintte, sowie deren unsichere
Stellung, Frankreich gegenüber, dadurch aufgehoben werden mußte. Daß diese beiden
Staaten, Rußland und Frankreich, von vornherein die deutsche Bewegung mit
mißgünstigen Augen betrachteten, lag in der Natur der Sache, denn die Bewegung war
gegen sie selber gerichtet. Aber von einer einsichtigen Politik Englands hätte man
eine eben so lebhafte Unterstützung der deutschen Bewegung erwarten sollen, denn
Rußland und Frankreich sind in derselben Art Englands Gegner, als sie Deutschlands
Gegner sind, und namentlich dem ersteren gegenüber kann England seine Welt¬
stellung nur behaupten, wenn es ihm einen unabhängigen, mächtigen und selbst¬
ständigen deutschen Stacit entgegenstellt. Nun war, abgesehen von den parla¬
mentarischen Intriguen, auf die man damals ein viel zu großes Gewicht gelegt
hat, der kritische Punkt, auf dem sich die selbständige deutsche Politik zu bewähren
hatte, Schleswig-Holstein. Wir haben damals den Ausbruch der schleswig-
holsteinischen Bewegung nicht mit dem Jubel der meisten deutschen Patrioten,
sondern vielmehr mit Furcht und Schrecken angesehen, denn wir dachten nicht so
sanguinisch über unsere nationalen Kräfte und über das Wohlwollen der fremden
Mächte als die meisten unserer Landsleute. Wir waren vom ersten Augenblick
an überzeugt, daß die endliche Entscheidung dieses Kampfes nicht dem kleinen
Dänemark, sondern dem mächtigen Rußland abzutrotzen war. Aber die Würfel
waren einmal gefallen, und es war kein Zweifel darüber, daß der Ausgang für
die ganze deutsche Sache entscheidend sein mußte. Gingen wir aus dem
Schleswig - holsteinischen Kampfe siegreich hervor, so war unsre nationale Unab¬
hängigkeit dadurch sicher gestellt; wurden wir besiegt, so war es mit unserer ganzen
Bewegung zu Ende. Nun hat England in diesem Kampfe um unsere Existenz, der
bekanntlich mehr in den diplomatischen Cabineten als auf dem Schlachtfelde geführt
wurde, nichts gethan, um unsere Stellung Europa gegenüber zu erleichtern, wie
wir denn überhaupt bei allem Respect vor dem politischen Leben Englands
behaupten müssen, das seine auswärtige Politik zu allen Zeiten und unter allen
Umständen kleinlich und gewissenlos gewesen ist. Sie war so kleinlich, daß wir


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befürchten mußte. Die Politik des Fürsten Schwarzenberg dagegen war trotz der
vielfachen harten Repressivmaßregeln, die sie als Mittel gebrauchte, ihrem eigent¬
lichen Charakternach durchaus aggressiv, sie strebte nach Eroberungen im Innern
wie im Aeußern, und man kann von ihr sagen, daß sie die Conflicte eher auf¬
suchte, als vermied. /

Die Zeit von 18i8 schien für Deutschland die günstige, sich aus dieser
Lage herauszureißen, die ewigen Conflicte in seinem Innern dadurch zu lösen,
daß es sich entweder zu einem Einheitsstaate umschuf, oder daß es sich theilte,
um zwei lebensfähige Staatskörper zu bilden. Welcher von diesen beiden
Richtungen man auch angehören mochte, jedenfalls hätte man glauben sollen,
daß der Einfluß Rußlands über die deutschen Cabintte, sowie deren unsichere
Stellung, Frankreich gegenüber, dadurch aufgehoben werden mußte. Daß diese beiden
Staaten, Rußland und Frankreich, von vornherein die deutsche Bewegung mit
mißgünstigen Augen betrachteten, lag in der Natur der Sache, denn die Bewegung war
gegen sie selber gerichtet. Aber von einer einsichtigen Politik Englands hätte man
eine eben so lebhafte Unterstützung der deutschen Bewegung erwarten sollen, denn
Rußland und Frankreich sind in derselben Art Englands Gegner, als sie Deutschlands
Gegner sind, und namentlich dem ersteren gegenüber kann England seine Welt¬
stellung nur behaupten, wenn es ihm einen unabhängigen, mächtigen und selbst¬
ständigen deutschen Stacit entgegenstellt. Nun war, abgesehen von den parla¬
mentarischen Intriguen, auf die man damals ein viel zu großes Gewicht gelegt
hat, der kritische Punkt, auf dem sich die selbständige deutsche Politik zu bewähren
hatte, Schleswig-Holstein. Wir haben damals den Ausbruch der schleswig-
holsteinischen Bewegung nicht mit dem Jubel der meisten deutschen Patrioten,
sondern vielmehr mit Furcht und Schrecken angesehen, denn wir dachten nicht so
sanguinisch über unsere nationalen Kräfte und über das Wohlwollen der fremden
Mächte als die meisten unserer Landsleute. Wir waren vom ersten Augenblick
an überzeugt, daß die endliche Entscheidung dieses Kampfes nicht dem kleinen
Dänemark, sondern dem mächtigen Rußland abzutrotzen war. Aber die Würfel
waren einmal gefallen, und es war kein Zweifel darüber, daß der Ausgang für
die ganze deutsche Sache entscheidend sein mußte. Gingen wir aus dem
Schleswig - holsteinischen Kampfe siegreich hervor, so war unsre nationale Unab¬
hängigkeit dadurch sicher gestellt; wurden wir besiegt, so war es mit unserer ganzen
Bewegung zu Ende. Nun hat England in diesem Kampfe um unsere Existenz, der
bekanntlich mehr in den diplomatischen Cabineten als auf dem Schlachtfelde geführt
wurde, nichts gethan, um unsere Stellung Europa gegenüber zu erleichtern, wie
wir denn überhaupt bei allem Respect vor dem politischen Leben Englands
behaupten müssen, das seine auswärtige Politik zu allen Zeiten und unter allen
Umständen kleinlich und gewissenlos gewesen ist. Sie war so kleinlich, daß wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/19>, abgerufen am 19.05.2024.