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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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selbst jährlich 3 -- 300 Öls Erz geschmolzen; die Regierung bezahlt den Lieferan¬
ten 31 Paras für den Ol, und der Ol reines Metall kommt ihr 2 Piaster
zu stehen.

Der Bnlgardagh, eine Fortsetzung des Allardaghs besitzt mehre Gruben eines
silberreichen Glimmers, die nicht weit vom Dorfe Bulgar-Madene liegen. Sie
bestehen nur aus eiuer Anzahl tiefer und enger Löcher, deren eigentlichen Zweck
man anfangs nicht erkennt; sie sind nur einem Arbeiter, oder vielmehr einem
Knaben -- denn die Bergleute sind Knaben von 13--16 Jahren, -- auf einmal
zugänglich, der mit einer schlechten Laterne, einem Sack und einem Hammer ver¬
sehen, ans dem Banche hineinkriecht. Hat er seinen Sack mit dem okerartigen
Erze, das sich leicht losschlagen läßt, angefüllt, so kommt er keuchend heraus¬
gekrochen, schüttet seinen Sack aus, und kriecht wieder hinein, bis ihm die Kräfte
ausgegangen sind. Einer seiner Kameraden, der nicht eher hinein kann, denn es
ist in der Grube nur für eine Person Platz, ersetzt ihn nun. Eine so rohe Bebaunngs-
weise ist um so schwerer begreiflich, da die Gangart des Erzes einem regelrechten
Ban äußerst günstig ist, und weder künstliche Arbeiten zur Abhaltung des Wassers,
noch zum Stützen der Gänge bedarf. Aber der ganze Bergbau in Kleinasien ist
nichts als ein Raubbau; sowie die Grube uur eine einigermaßen verwickelte unter¬
irdische Arbeit verlangt, sowie sich etwas Wasser zeigt, oder die Ader an Reich¬
thum abuimmt, so verläßt man sie, und gräbt eine kleine Strecke davon abermals
ein kleines Loch, welches man dann wieder verläßt wie das erste. Die Gruben
haben alle nur eine sehr geringe Tiefe, und oft erreicht man nicht einmal die
Hauptader des Erzes. Diese merkwürdige Bauweise gibt deu Bergwerksdistric-
ten Anatoliens ein ganz seltsames Aussehn; die vielen kleinen Locher, welche eben¬
so viele Erzgruben sind, lassen die Berge wie ungeheure Taubenschläge erscheinen.
Ans gleiche rohe Weise wird das Schmelzen verrichtet, und da die dabei beschäf¬
tigten Arbeiter und Aufseher nicht die leiseste Ahnung vou Metallurgie und Chemie
haben, so läßt sich leicht denken, wie viel bei der Scheidung des silberhaltigen
Blei von Bulgardagh verlöre" geht, das so reich ist, daß man trotz der höchst
unvollkommnen Schmelzmethode (bei der 20 verloren gehen) 2 -- 3 Dremen
Silber ans der Ol Erz gewinnt. Nur eine einzige Schmelzerei zeichnet sich vor
den übrigen ans, die von dem Oberingenieur der östreichischen Bergwerke v. Panliny
erbauten Kupferschmelzwerke vou Tokat, die uuter der Leitung eines Deutschen, des
Herrn Haas stehe", und die ganz auf europäische Weise eingerichtet sind. Jedoch
auch hier greift die Unwissenheit der türkischen Regierung störend ein. Sie ver¬
langt, daß das Kupfer ihr von einem vollkommen gleichförmigen Bruche geliefert
werde, was sich ohne eine die Qualität verschlechternde Beimischung von Blei¬
oxyd nicht herstelle" läßt. Hier, wie überall in der Türkei, wird das Wesen
der Form geopfert.

Die Kupfergruben, aus dene" die Hütten von Tokat ihr Erz beziehen, die


selbst jährlich 3 — 300 Öls Erz geschmolzen; die Regierung bezahlt den Lieferan¬
ten 31 Paras für den Ol, und der Ol reines Metall kommt ihr 2 Piaster
zu stehen.

Der Bnlgardagh, eine Fortsetzung des Allardaghs besitzt mehre Gruben eines
silberreichen Glimmers, die nicht weit vom Dorfe Bulgar-Madene liegen. Sie
bestehen nur aus eiuer Anzahl tiefer und enger Löcher, deren eigentlichen Zweck
man anfangs nicht erkennt; sie sind nur einem Arbeiter, oder vielmehr einem
Knaben — denn die Bergleute sind Knaben von 13—16 Jahren, — auf einmal
zugänglich, der mit einer schlechten Laterne, einem Sack und einem Hammer ver¬
sehen, ans dem Banche hineinkriecht. Hat er seinen Sack mit dem okerartigen
Erze, das sich leicht losschlagen läßt, angefüllt, so kommt er keuchend heraus¬
gekrochen, schüttet seinen Sack aus, und kriecht wieder hinein, bis ihm die Kräfte
ausgegangen sind. Einer seiner Kameraden, der nicht eher hinein kann, denn es
ist in der Grube nur für eine Person Platz, ersetzt ihn nun. Eine so rohe Bebaunngs-
weise ist um so schwerer begreiflich, da die Gangart des Erzes einem regelrechten
Ban äußerst günstig ist, und weder künstliche Arbeiten zur Abhaltung des Wassers,
noch zum Stützen der Gänge bedarf. Aber der ganze Bergbau in Kleinasien ist
nichts als ein Raubbau; sowie die Grube uur eine einigermaßen verwickelte unter¬
irdische Arbeit verlangt, sowie sich etwas Wasser zeigt, oder die Ader an Reich¬
thum abuimmt, so verläßt man sie, und gräbt eine kleine Strecke davon abermals
ein kleines Loch, welches man dann wieder verläßt wie das erste. Die Gruben
haben alle nur eine sehr geringe Tiefe, und oft erreicht man nicht einmal die
Hauptader des Erzes. Diese merkwürdige Bauweise gibt deu Bergwerksdistric-
ten Anatoliens ein ganz seltsames Aussehn; die vielen kleinen Locher, welche eben¬
so viele Erzgruben sind, lassen die Berge wie ungeheure Taubenschläge erscheinen.
Ans gleiche rohe Weise wird das Schmelzen verrichtet, und da die dabei beschäf¬
tigten Arbeiter und Aufseher nicht die leiseste Ahnung vou Metallurgie und Chemie
haben, so läßt sich leicht denken, wie viel bei der Scheidung des silberhaltigen
Blei von Bulgardagh verlöre» geht, das so reich ist, daß man trotz der höchst
unvollkommnen Schmelzmethode (bei der 20 verloren gehen) 2 — 3 Dremen
Silber ans der Ol Erz gewinnt. Nur eine einzige Schmelzerei zeichnet sich vor
den übrigen ans, die von dem Oberingenieur der östreichischen Bergwerke v. Panliny
erbauten Kupferschmelzwerke vou Tokat, die uuter der Leitung eines Deutschen, des
Herrn Haas stehe», und die ganz auf europäische Weise eingerichtet sind. Jedoch
auch hier greift die Unwissenheit der türkischen Regierung störend ein. Sie ver¬
langt, daß das Kupfer ihr von einem vollkommen gleichförmigen Bruche geliefert
werde, was sich ohne eine die Qualität verschlechternde Beimischung von Blei¬
oxyd nicht herstelle» läßt. Hier, wie überall in der Türkei, wird das Wesen
der Form geopfert.

Die Kupfergruben, aus dene» die Hütten von Tokat ihr Erz beziehen, die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/215>, abgerufen am 10.06.2024.