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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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die Frage des Vorsitzenden nach seinem Namen, Vornamen und Gewerbe, er sei
der Prinz Alexander Gonzaga v. Castiglione, souveräner und legitimer Herzog
von Mantua, Gnastalla, Bozzolo und Solferino, Marquis von Midala und La-
zarra, Graf dAlessano, von Murzynowski, und von Neustadt, SÄ Jahr alt und
Oberst der Cavalerie. Diesem prächtigen Verzeichnis; fügt der Angeklagte die
Behauptung bei, daß ihm das Recht zustehe, die Orden der Erlösung, der un-
befleckter Empfängnis^ der Ergebenheit, der heiligen Maria Elisa von Martora
zu verleihen, welche Aufzählung der Präsident unterbricht, weil dies der Gegen¬
stand der Anklage sei, wahrscheinlich in dem Augenblick, als Se. Hoheit den
prächtigen Orden der "Vier Kaiser und des Holstein-Limburg-Luxemburgischen
Löwen" hinzufügen wollte, den er auch mit ebenso großer Freigebigkeit als Er¬
folg vertheilt hat.

Wir heben aus dem Verlauf des Processes heraus, was zur angeblichen und
wirklichen Geschichte dieses Phantasieprinzen gehört oder was von besonders dra¬
stischen Effect ist. Die angebliche Geschichte Sr. Hoheit, die zuweilen an etwas
widersprechenden Versionen leidet, findet sich in besonders schöner Ausschmückung
und in einen gewissen Zusammenhang gebracht in einer Broschüre, die ein ge¬
wisser Ferraris, ehemals ein Werkzeug des Prinzen, später einer seiner Feinde
und Ankläger, im Jahr 1851 in Rom und Turin veröffentlichte, unter dem Ti¬
tel: Genealogische Geschichte des kaiserlichen und königlichen Hauses von Gon¬
zaga in allen seinen gesetzlichen und erblichen Zweigen in den Herzogthümern von
Mantua, Guastalla, Solferino, Castiglione A>, gefolgt von dem militärischen Le¬
ben des Prinzen Alexander von Gonzaga-Mantua-Castiglione, Grafen von Mur¬
zynowski ?c. mit Portraits, von Ferraris, Commandeur des Ordens der Erlösung."

Darnach ist Alexander I. Gonzaga in Dresden am 1. November 1799 ge¬
boren, als dritter Sohn des Prinzen Joseph Louis Gonzaga und wird Erbe
aller Titel und Rechte desselben durch den Tod seiner beiden ältern Brüder, der
Prinzen Mathieu und Maximilian. Gelaufe ist er zwei Jahre nach seiner Ge¬
burt in Wola in Polen. 1812 tritt er in militärische Dienste im Heere Napo¬
leons. Trotz seines sehr zarten Alters wird er nacheinander Unteroffizier, Unter¬
lieutenant und Lieutenant. Im folgenden Jahre ernennt ihn der Marschall Ney
zum Ritter, Napoleon darauf zum Offizier der Ehrenlegion. Die glänzenden
Hoffnungen, die hiernach der Heldenmuth des Prinzen in seinem Knabenalter er¬
wecken mußte, gingen denn auch wirklich später in Erfüllung. Er tritt in die
Dienste der nach dem Jahre 181S errichteten polnischen Armee, wo er 1816
Lieutenant im 2. Chasseurregiment wird. Als höherer Offizier betheiligt er sich
an dem Aufstande von 1831, in welchem er an der Spitze von 1600 Mann 40,000
Russen innerhalb 8 Tagen fünf- bis sechsmal in verlnstvvllcn Kämpfen schlug. Diese
unerhörten Waffenthaten, welche an die Erfolge der alten Paladine erinnern, die
ganz allein feindliche Heerhaufen zersprengten und erschlugen, hatte die umbaut-


die Frage des Vorsitzenden nach seinem Namen, Vornamen und Gewerbe, er sei
der Prinz Alexander Gonzaga v. Castiglione, souveräner und legitimer Herzog
von Mantua, Gnastalla, Bozzolo und Solferino, Marquis von Midala und La-
zarra, Graf dAlessano, von Murzynowski, und von Neustadt, SÄ Jahr alt und
Oberst der Cavalerie. Diesem prächtigen Verzeichnis; fügt der Angeklagte die
Behauptung bei, daß ihm das Recht zustehe, die Orden der Erlösung, der un-
befleckter Empfängnis^ der Ergebenheit, der heiligen Maria Elisa von Martora
zu verleihen, welche Aufzählung der Präsident unterbricht, weil dies der Gegen¬
stand der Anklage sei, wahrscheinlich in dem Augenblick, als Se. Hoheit den
prächtigen Orden der „Vier Kaiser und des Holstein-Limburg-Luxemburgischen
Löwen" hinzufügen wollte, den er auch mit ebenso großer Freigebigkeit als Er¬
folg vertheilt hat.

Wir heben aus dem Verlauf des Processes heraus, was zur angeblichen und
wirklichen Geschichte dieses Phantasieprinzen gehört oder was von besonders dra¬
stischen Effect ist. Die angebliche Geschichte Sr. Hoheit, die zuweilen an etwas
widersprechenden Versionen leidet, findet sich in besonders schöner Ausschmückung
und in einen gewissen Zusammenhang gebracht in einer Broschüre, die ein ge¬
wisser Ferraris, ehemals ein Werkzeug des Prinzen, später einer seiner Feinde
und Ankläger, im Jahr 1851 in Rom und Turin veröffentlichte, unter dem Ti¬
tel: Genealogische Geschichte des kaiserlichen und königlichen Hauses von Gon¬
zaga in allen seinen gesetzlichen und erblichen Zweigen in den Herzogthümern von
Mantua, Guastalla, Solferino, Castiglione A>, gefolgt von dem militärischen Le¬
ben des Prinzen Alexander von Gonzaga-Mantua-Castiglione, Grafen von Mur¬
zynowski ?c. mit Portraits, von Ferraris, Commandeur des Ordens der Erlösung."

Darnach ist Alexander I. Gonzaga in Dresden am 1. November 1799 ge¬
boren, als dritter Sohn des Prinzen Joseph Louis Gonzaga und wird Erbe
aller Titel und Rechte desselben durch den Tod seiner beiden ältern Brüder, der
Prinzen Mathieu und Maximilian. Gelaufe ist er zwei Jahre nach seiner Ge¬
burt in Wola in Polen. 1812 tritt er in militärische Dienste im Heere Napo¬
leons. Trotz seines sehr zarten Alters wird er nacheinander Unteroffizier, Unter¬
lieutenant und Lieutenant. Im folgenden Jahre ernennt ihn der Marschall Ney
zum Ritter, Napoleon darauf zum Offizier der Ehrenlegion. Die glänzenden
Hoffnungen, die hiernach der Heldenmuth des Prinzen in seinem Knabenalter er¬
wecken mußte, gingen denn auch wirklich später in Erfüllung. Er tritt in die
Dienste der nach dem Jahre 181S errichteten polnischen Armee, wo er 1816
Lieutenant im 2. Chasseurregiment wird. Als höherer Offizier betheiligt er sich
an dem Aufstande von 1831, in welchem er an der Spitze von 1600 Mann 40,000
Russen innerhalb 8 Tagen fünf- bis sechsmal in verlnstvvllcn Kämpfen schlug. Diese
unerhörten Waffenthaten, welche an die Erfolge der alten Paladine erinnern, die
ganz allein feindliche Heerhaufen zersprengten und erschlugen, hatte die umbaut-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/221>, abgerufen am 10.06.2024.