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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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directe Quelle, etwa auf eine Handschrift oder auf die Aufführung selbst stützen,
daß sie vielmehr reine Conjecturen des Correctors sind, so wäre damit noch
nicht bewiesen, daß dies für alle Fälle gilt. Möglicherweise hat der Corrector
theils nach dem Gedächtniß, theils auch nach seiner Vermuthung verfahren, und
schon "in seines Alters willen verdient er eine ernstliche Beachtung, auch wenn
wir ihn nicht als Autorität gelten lassen tonnen.

Diese Ansichten ließen sich mir im einzelnen begründen, und das würde
uns hier zu weit führen. Jeder Verehrer des großen Dichters in Deutschland,
der ihn'in der Ursprache zu lesen pflegt, muß die kleine Schrift von Delius
studiren; aber er wird sich auch der unmittelbaren Kenntnißnahme der Collicrscheu
Schrift nicht entziehen können, und da diese von einer sehr ermüdenden Weit¬
schweifigkeit ist, so sind deutsche Auszüge ein sehr zweckmäßiges Unternehmen.
Herr Frese, der lediglich darauf ausgeht, uns die Emendationen möglichst kurz
und übersichtlich mitzutheilen und dessen Schrift in dieser Beziehung sehr zweck¬
mäßig eingerichtet ist, möge sich also von der Fortsetzung dnrch Hrn. Delius
uicht abhalten lassen. -- Auch das zweite von den Büchern, welches wir anführen,
ist mit löblichem Fleiß gearbeitet. Der Verfasser ist nicht bei Collier stehen
geblieben, sondern er hat seine eigenen Ansichten über jeden einzelnen Punkt
mitgetheilt; mir ist es unzweckmäßig, daß er dabei die deutsche Übersetzung zu
Grunde gelegt hat, da auf diese die Emendationen wol nur eine sehr geringe Ein¬
wirkung haben werden. Eine englische Gesammtausgabe Shakespeares für
Deutschland, die uns den gestimmten kritischen Apparat so gedrängt als möglich
mittheilt, steht uoch zu erwarten.




Correspondenz.

Die ministerielle Partei, wenn man mit diesem
Namen eine Gesammtheit von Individuen bezeichnen darf, die in dem patriotischen Hoch¬
gefühl unsrer eigenthümlichen Zustände mit jedem Cabinet durch dick und dünn gehen
würden, hat sich bekanntlich von den extremen Bundesgenossen zur Rechten erst nach
der Olmützer Kapitulation getrennt, als es galt, die Früchte des Sieges zu theilen.
Bis zum November 18so waren die Geheimräthe in den Bureaux und die Junker
in ihren gnmdstcucrfreieu versandeten und zum Theil tief verschuldeten Gütern über Weg
und Ziel einverstanden. Seit Olmütz und dem Bruch mit der constitutionellen zahme"
Revolution suchte sich das Beamtenthum im Besitz zu erhalten, that freundlich mit dem
fürs erste unschädlich gemachten Liberalismus und hatte es gern, wenn man seine Sache
mit den gemäßigten Erwartungen der freiheitsbedürftigen Mittelclassc identificirte. Ol¬
mütz aber ist der Ausgang der zur conservativen Popularität gelangten Bureaukraten,


directe Quelle, etwa auf eine Handschrift oder auf die Aufführung selbst stützen,
daß sie vielmehr reine Conjecturen des Correctors sind, so wäre damit noch
nicht bewiesen, daß dies für alle Fälle gilt. Möglicherweise hat der Corrector
theils nach dem Gedächtniß, theils auch nach seiner Vermuthung verfahren, und
schon »in seines Alters willen verdient er eine ernstliche Beachtung, auch wenn
wir ihn nicht als Autorität gelten lassen tonnen.

Diese Ansichten ließen sich mir im einzelnen begründen, und das würde
uns hier zu weit führen. Jeder Verehrer des großen Dichters in Deutschland,
der ihn'in der Ursprache zu lesen pflegt, muß die kleine Schrift von Delius
studiren; aber er wird sich auch der unmittelbaren Kenntnißnahme der Collicrscheu
Schrift nicht entziehen können, und da diese von einer sehr ermüdenden Weit¬
schweifigkeit ist, so sind deutsche Auszüge ein sehr zweckmäßiges Unternehmen.
Herr Frese, der lediglich darauf ausgeht, uns die Emendationen möglichst kurz
und übersichtlich mitzutheilen und dessen Schrift in dieser Beziehung sehr zweck¬
mäßig eingerichtet ist, möge sich also von der Fortsetzung dnrch Hrn. Delius
uicht abhalten lassen. — Auch das zweite von den Büchern, welches wir anführen,
ist mit löblichem Fleiß gearbeitet. Der Verfasser ist nicht bei Collier stehen
geblieben, sondern er hat seine eigenen Ansichten über jeden einzelnen Punkt
mitgetheilt; mir ist es unzweckmäßig, daß er dabei die deutsche Übersetzung zu
Grunde gelegt hat, da auf diese die Emendationen wol nur eine sehr geringe Ein¬
wirkung haben werden. Eine englische Gesammtausgabe Shakespeares für
Deutschland, die uns den gestimmten kritischen Apparat so gedrängt als möglich
mittheilt, steht uoch zu erwarten.




Correspondenz.

Die ministerielle Partei, wenn man mit diesem
Namen eine Gesammtheit von Individuen bezeichnen darf, die in dem patriotischen Hoch¬
gefühl unsrer eigenthümlichen Zustände mit jedem Cabinet durch dick und dünn gehen
würden, hat sich bekanntlich von den extremen Bundesgenossen zur Rechten erst nach
der Olmützer Kapitulation getrennt, als es galt, die Früchte des Sieges zu theilen.
Bis zum November 18so waren die Geheimräthe in den Bureaux und die Junker
in ihren gnmdstcucrfreieu versandeten und zum Theil tief verschuldeten Gütern über Weg
und Ziel einverstanden. Seit Olmütz und dem Bruch mit der constitutionellen zahme»
Revolution suchte sich das Beamtenthum im Besitz zu erhalten, that freundlich mit dem
fürs erste unschädlich gemachten Liberalismus und hatte es gern, wenn man seine Sache
mit den gemäßigten Erwartungen der freiheitsbedürftigen Mittelclassc identificirte. Ol¬
mütz aber ist der Ausgang der zur conservativen Popularität gelangten Bureaukraten,


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[0238] directe Quelle, etwa auf eine Handschrift oder auf die Aufführung selbst stützen, daß sie vielmehr reine Conjecturen des Correctors sind, so wäre damit noch nicht bewiesen, daß dies für alle Fälle gilt. Möglicherweise hat der Corrector theils nach dem Gedächtniß, theils auch nach seiner Vermuthung verfahren, und schon »in seines Alters willen verdient er eine ernstliche Beachtung, auch wenn wir ihn nicht als Autorität gelten lassen tonnen. Diese Ansichten ließen sich mir im einzelnen begründen, und das würde uns hier zu weit führen. Jeder Verehrer des großen Dichters in Deutschland, der ihn'in der Ursprache zu lesen pflegt, muß die kleine Schrift von Delius studiren; aber er wird sich auch der unmittelbaren Kenntnißnahme der Collicrscheu Schrift nicht entziehen können, und da diese von einer sehr ermüdenden Weit¬ schweifigkeit ist, so sind deutsche Auszüge ein sehr zweckmäßiges Unternehmen. Herr Frese, der lediglich darauf ausgeht, uns die Emendationen möglichst kurz und übersichtlich mitzutheilen und dessen Schrift in dieser Beziehung sehr zweck¬ mäßig eingerichtet ist, möge sich also von der Fortsetzung dnrch Hrn. Delius uicht abhalten lassen. — Auch das zweite von den Büchern, welches wir anführen, ist mit löblichem Fleiß gearbeitet. Der Verfasser ist nicht bei Collier stehen geblieben, sondern er hat seine eigenen Ansichten über jeden einzelnen Punkt mitgetheilt; mir ist es unzweckmäßig, daß er dabei die deutsche Übersetzung zu Grunde gelegt hat, da auf diese die Emendationen wol nur eine sehr geringe Ein¬ wirkung haben werden. Eine englische Gesammtausgabe Shakespeares für Deutschland, die uns den gestimmten kritischen Apparat so gedrängt als möglich mittheilt, steht uoch zu erwarten. Correspondenz. Die ministerielle Partei, wenn man mit diesem Namen eine Gesammtheit von Individuen bezeichnen darf, die in dem patriotischen Hoch¬ gefühl unsrer eigenthümlichen Zustände mit jedem Cabinet durch dick und dünn gehen würden, hat sich bekanntlich von den extremen Bundesgenossen zur Rechten erst nach der Olmützer Kapitulation getrennt, als es galt, die Früchte des Sieges zu theilen. Bis zum November 18so waren die Geheimräthe in den Bureaux und die Junker in ihren gnmdstcucrfreieu versandeten und zum Theil tief verschuldeten Gütern über Weg und Ziel einverstanden. Seit Olmütz und dem Bruch mit der constitutionellen zahme» Revolution suchte sich das Beamtenthum im Besitz zu erhalten, that freundlich mit dem fürs erste unschädlich gemachten Liberalismus und hatte es gern, wenn man seine Sache mit den gemäßigten Erwartungen der freiheitsbedürftigen Mittelclassc identificirte. Ol¬ mütz aber ist der Ausgang der zur conservativen Popularität gelangten Bureaukraten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/238>, abgerufen am 10.06.2024.