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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Nun kommt aber wieder ein Passus, bei dem wir vollständig rathlos bleibein
"Von der äußerst heilsamen Kritik, welche bei Gelegenheit der Entwickelung der
Zukunftsidee eines gouvernement direct, deren Bedeutung für nus eben in der
Läuterung der falschen Vorstellung vom Constitutionalismus liegt, über die Un¬
fruchtbarkeit des cvnstitutioualistischen Kammerwesens, wenn es dem Volk anstatt
weniger alten mehr neue Herren geben will, geübt wurde, nehmen die Con-
stitutionellen, die es am nächsten angeht, die wenigste Notiz." Wie gesagt, wir
verstehen von diesem Passus nicht ein einziges Wort, und können daher auch
nichts darauf antworten.

Statt dessen wollen wir noch einmal ans das Resultat zurückgehen, welches
wir gleich zu Anfang im Auge hatten. Wären wir in der Lage, unmittelbar für
unsere letzten und höchsten Zwecke, für die Realisirung unserer politischen Ideen
zu wirken, so glauben wir, daß ein Einverständnis^ zwischen den beiden Parteien
viel schwerer zu erzielen sein würde. Vorläufig aber handelt es sich darum gar
nicht. Für diese Zwecke können wir Constitutionellen für jetzt ebensowenig thun,
als die Demokraten für die ihrigen. Um die Uebelstände des jetzigen Staats¬
wesens einzusehen und zu bekämpfen, ist es gleichgiltig, ob man Demokrat oder
Konstitutioneller ist. Die Art und Weise, wie jetzt der Richterstand, die Bureau¬
kratie, die Schule und Kirche reformirt wird, macht sich zu unmittelbar fühlbar,
als daß es uns erst durch das Medium einer politischen Ueberzeugung deutlich
gemacht werden sollte. Und soviel wir nun, Coustitntionelle und Demokraten, im
Stande sind, diesem umsichgreifendcn Verderben entgegenzuarbeiten: jedenfalls
werden wir es mehr im Stande sein, wenn wir die Streitigkeiten, die augen¬
blicklich keinen Boden haben, auf spätere Zeiten vertagen.

Wir wollen übrigens, abgesehen von den zunächst liegenden Streitpunkte",
noch einige Bemerkungen anknüpfen, die dazu dienen sollen, unsere Ansicht von
der Stellung der beiden Parteien zueinander und namentlich von dem Verhalten
der Journale zu derselben, auseinanderzusetzen. Die Natioualzeitnng möge nicht
verdrießlich werden, wenn wir es dabei nicht umgehen können, noch einige kritische
Rückblicke auf ihre frühere Thätigkeit zu werfe".

Wir habe" es nie verkannt, daß sowol ihre Entstehung, die sich unmittelbar
an die demokratische Bewegung des März knüpft, als anch ihr Verhältniß zu der
constituirenden Versammlung, das ihr im November 18^8 wie im April 1849
für ihr weiteres Verhalten sehr bestimmte Bedingungen stellte, bei einem Urtheil
über ihre Wirksamkeit' wesentlich in Rechnung gebracht werden mußte. Die
Nationalzcitnug hat das große Verdienst, daß sie sich niemals von dem Taumel
jener Bewegung so weit hat hinreißen lassen, die Excesse der Partei zu beschönigen;
daß sie sich ferner stets von dem sansculottischen Ton der meisten übrigen demokra¬
tischen Blätter, der freilich sehr bald von dem sa"scnlottische" Ton der Reac¬
tionsblätter überboten wurde, freigehalten hat. Ihre Formen waren stets die


Nun kommt aber wieder ein Passus, bei dem wir vollständig rathlos bleibein
„Von der äußerst heilsamen Kritik, welche bei Gelegenheit der Entwickelung der
Zukunftsidee eines gouvernement direct, deren Bedeutung für nus eben in der
Läuterung der falschen Vorstellung vom Constitutionalismus liegt, über die Un¬
fruchtbarkeit des cvnstitutioualistischen Kammerwesens, wenn es dem Volk anstatt
weniger alten mehr neue Herren geben will, geübt wurde, nehmen die Con-
stitutionellen, die es am nächsten angeht, die wenigste Notiz." Wie gesagt, wir
verstehen von diesem Passus nicht ein einziges Wort, und können daher auch
nichts darauf antworten.

Statt dessen wollen wir noch einmal ans das Resultat zurückgehen, welches
wir gleich zu Anfang im Auge hatten. Wären wir in der Lage, unmittelbar für
unsere letzten und höchsten Zwecke, für die Realisirung unserer politischen Ideen
zu wirken, so glauben wir, daß ein Einverständnis^ zwischen den beiden Parteien
viel schwerer zu erzielen sein würde. Vorläufig aber handelt es sich darum gar
nicht. Für diese Zwecke können wir Constitutionellen für jetzt ebensowenig thun,
als die Demokraten für die ihrigen. Um die Uebelstände des jetzigen Staats¬
wesens einzusehen und zu bekämpfen, ist es gleichgiltig, ob man Demokrat oder
Konstitutioneller ist. Die Art und Weise, wie jetzt der Richterstand, die Bureau¬
kratie, die Schule und Kirche reformirt wird, macht sich zu unmittelbar fühlbar,
als daß es uns erst durch das Medium einer politischen Ueberzeugung deutlich
gemacht werden sollte. Und soviel wir nun, Coustitntionelle und Demokraten, im
Stande sind, diesem umsichgreifendcn Verderben entgegenzuarbeiten: jedenfalls
werden wir es mehr im Stande sein, wenn wir die Streitigkeiten, die augen¬
blicklich keinen Boden haben, auf spätere Zeiten vertagen.

Wir wollen übrigens, abgesehen von den zunächst liegenden Streitpunkte»,
noch einige Bemerkungen anknüpfen, die dazu dienen sollen, unsere Ansicht von
der Stellung der beiden Parteien zueinander und namentlich von dem Verhalten
der Journale zu derselben, auseinanderzusetzen. Die Natioualzeitnng möge nicht
verdrießlich werden, wenn wir es dabei nicht umgehen können, noch einige kritische
Rückblicke auf ihre frühere Thätigkeit zu werfe».

Wir habe» es nie verkannt, daß sowol ihre Entstehung, die sich unmittelbar
an die demokratische Bewegung des März knüpft, als anch ihr Verhältniß zu der
constituirenden Versammlung, das ihr im November 18^8 wie im April 1849
für ihr weiteres Verhalten sehr bestimmte Bedingungen stellte, bei einem Urtheil
über ihre Wirksamkeit' wesentlich in Rechnung gebracht werden mußte. Die
Nationalzcitnug hat das große Verdienst, daß sie sich niemals von dem Taumel
jener Bewegung so weit hat hinreißen lassen, die Excesse der Partei zu beschönigen;
daß sie sich ferner stets von dem sansculottischen Ton der meisten übrigen demokra¬
tischen Blätter, der freilich sehr bald von dem sa»scnlottische» Ton der Reac¬
tionsblätter überboten wurde, freigehalten hat. Ihre Formen waren stets die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/270>, abgerufen am 19.05.2024.