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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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suchte. Jener Professor ließ sich nämlich verleiten, vor der Ausführung dieses Ge¬
waltstreiches eine Rechtfertigungsschrift desselben abzufassen, welche, wenn er ge¬
länge, an die deutschen und europäischen Mächte vertheilt werden sollte. Aber
er mißlang, und der Kläger erbot sich in dem nnn (im Jahre -1837) auf dem
"gehörigen" Wege von ihm anhängig gemachten Proceß, eidlich zu erhärten, daß
er ohne sein Vorwissen stattgehabt habe; dem dienstfertigen Professor aber wurde
das Honorar für die nutzlos gebliebene Schrift solange vorenthalten, bis mau
zehn Jahre später neue Thaten seiner Feder verlangte. Vielen andern Profes¬
soren wurde seitdem von dem klägerischcn Advocaten das Material zu ihren Gut¬
achten so knapp zugemessen, daß ihnen von den beiden die Bentincksche Sache be¬
treffenden Bundesbeschlnssen der einstimmige und wichtigere, vom 2i. Juli -1828,
durch welchen sich die Bnudesversamnilung für ,,in keiner Hinsicht competent"
erklärte und die Entscheidung an das zuständige großherzoglich oldeuburgische
Oberappellatiousgericht verwies, gänzlich unbekannt blieb; ja das Neichsjustiz-
ministerinm der "provisorischen Centralgewalt für Deutschland" wurde so sein ge-
maßführt, daß es nie etwas von dem Dasein dieses Beschlusses erfuhr und so zu
dem gewissenhaften Erlaß vom 8. Nov. -I8i9 vermocht wurde, durch welchen
Herr Detmold, im Widerspruche mit dem im Auftrage des oldeuburgische" Ober-
appellationögerichtes gefällten erstinstanzlichen Urtheile der juristischen Facultät von
Jena, den factischen Besitzer von Kniphausen und seine Brüder für "der Familien¬
rechte des gräflich Bentinckschen Hauses untheilhaftig und daher zur Erbfolge und
Regierung in der Herrschaft Kniphausen unfähig" erklärte. Dieser "leichtsinnige"")
Erlaß wurde aber nicht nur von der großherzoglich oldeuburgische" Regierung,
welcher Herr Detmold die Ausführung desselben zumuthete, ganz unbeachtet ge¬
lassen, sondern auch in der Bundesversammlung fanden durch den Mund der für
die Bentincksche Angelegenheit niedergesetzten besondern Commission die Bitten
des Klägers und seiner Brüder um Anerkennung und Geltendmachung jenes Er¬
lasses wiederholt die ungünstigste Aufnahme. Wen" sich also jetzt zwei neue Pro¬
fessoren, Blantschli und Pözl in München, zur Abfassung eines kürzlich vertheilten
Gutachtens verstanden haben, worin sie den Detmoldschen Erlaß vertheidigen, ja,
"wenn dieser gar uicht existirte," die Erlassung eines ähnlichen von der Bundes-
versammlung verlangen, so kann dieses Gutachten vielleicht dazu gut gewesen sein,
daß ein leichtgläubiger Client bei guter Lanne erhalte" wurde, sie selbst zeigen
aber, gleich ihren Vorgängern, eine gä"zliche Allbekanntschaft mit den Bundes¬
tagsprotokolle" u"d also nicht nur mit den Beurtheilungen, welche hier der von
ihnen sogenannte Detmoldsche "Bnndesbeschlnß" gesunden hat, sondern auch mit
den Bedingungen, unter welchen der dem Grasen Bentinck den hohen Adel erthei¬
lende Bundesbeschluß vom -12. Juni -18-53 beantragt und gefaßt worden war.





*) So nennt ihn Zachariä, deutsches Staats- und Bundesrecht, 2. Aufl, Göttingen,
I8öZ, Thl, I. S. 4"S.

suchte. Jener Professor ließ sich nämlich verleiten, vor der Ausführung dieses Ge¬
waltstreiches eine Rechtfertigungsschrift desselben abzufassen, welche, wenn er ge¬
länge, an die deutschen und europäischen Mächte vertheilt werden sollte. Aber
er mißlang, und der Kläger erbot sich in dem nnn (im Jahre -1837) auf dem
„gehörigen" Wege von ihm anhängig gemachten Proceß, eidlich zu erhärten, daß
er ohne sein Vorwissen stattgehabt habe; dem dienstfertigen Professor aber wurde
das Honorar für die nutzlos gebliebene Schrift solange vorenthalten, bis mau
zehn Jahre später neue Thaten seiner Feder verlangte. Vielen andern Profes¬
soren wurde seitdem von dem klägerischcn Advocaten das Material zu ihren Gut¬
achten so knapp zugemessen, daß ihnen von den beiden die Bentincksche Sache be¬
treffenden Bundesbeschlnssen der einstimmige und wichtigere, vom 2i. Juli -1828,
durch welchen sich die Bnudesversamnilung für ,,in keiner Hinsicht competent"
erklärte und die Entscheidung an das zuständige großherzoglich oldeuburgische
Oberappellatiousgericht verwies, gänzlich unbekannt blieb; ja das Neichsjustiz-
ministerinm der „provisorischen Centralgewalt für Deutschland" wurde so sein ge-
maßführt, daß es nie etwas von dem Dasein dieses Beschlusses erfuhr und so zu
dem gewissenhaften Erlaß vom 8. Nov. -I8i9 vermocht wurde, durch welchen
Herr Detmold, im Widerspruche mit dem im Auftrage des oldeuburgische» Ober-
appellationögerichtes gefällten erstinstanzlichen Urtheile der juristischen Facultät von
Jena, den factischen Besitzer von Kniphausen und seine Brüder für „der Familien¬
rechte des gräflich Bentinckschen Hauses untheilhaftig und daher zur Erbfolge und
Regierung in der Herrschaft Kniphausen unfähig" erklärte. Dieser „leichtsinnige"")
Erlaß wurde aber nicht nur von der großherzoglich oldeuburgische» Regierung,
welcher Herr Detmold die Ausführung desselben zumuthete, ganz unbeachtet ge¬
lassen, sondern auch in der Bundesversammlung fanden durch den Mund der für
die Bentincksche Angelegenheit niedergesetzten besondern Commission die Bitten
des Klägers und seiner Brüder um Anerkennung und Geltendmachung jenes Er¬
lasses wiederholt die ungünstigste Aufnahme. Wen» sich also jetzt zwei neue Pro¬
fessoren, Blantschli und Pözl in München, zur Abfassung eines kürzlich vertheilten
Gutachtens verstanden haben, worin sie den Detmoldschen Erlaß vertheidigen, ja,
„wenn dieser gar uicht existirte," die Erlassung eines ähnlichen von der Bundes-
versammlung verlangen, so kann dieses Gutachten vielleicht dazu gut gewesen sein,
daß ein leichtgläubiger Client bei guter Lanne erhalte» wurde, sie selbst zeigen
aber, gleich ihren Vorgängern, eine gä»zliche Allbekanntschaft mit den Bundes¬
tagsprotokolle» u»d also nicht nur mit den Beurtheilungen, welche hier der von
ihnen sogenannte Detmoldsche „Bnndesbeschlnß" gesunden hat, sondern auch mit
den Bedingungen, unter welchen der dem Grasen Bentinck den hohen Adel erthei¬
lende Bundesbeschluß vom -12. Juni -18-53 beantragt und gefaßt worden war.





*) So nennt ihn Zachariä, deutsches Staats- und Bundesrecht, 2. Aufl, Göttingen,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/306>, abgerufen am 27.05.2024.