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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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der bescheidensten Opposition bei einiger Konsequenz noch möglich sind. Nicht
als Errr"ge"schaften, sondern als Lichtfünkchen im allgemeinen Nei'elgran inneren
Staatslebens begrüßen wir diese Erscheinung. Unserer Zeit ist selbst der geringste
derartige Hoffnungsstrahl nicht entbehrlich. Denn der Pessimismus auf der einen
Seite, das wahrhaft monomanische Geschrei ans der ander" über angebliche Be¬
drohung der nur sogenannten conservativen Interessen und die darauf basirte Po¬
litik sind die gefährlichsten Feinde jeder organischen Weltentwicklung. Ein ruhiges,
^ wenn mich sehr langsames Fortschreiten Frankfurts in organischen Festiguugen
seines Staatslebens erscheint vornämlich bei den eben herrschenden Zuständen der
Nachbarstaaten von keineswegs untergeordneter Bedeutung. Nicht etwa eines
unmittelbaren Einflusses halber, sondern der Mittelbarer Rückwirkungen wegen,
welchen der Geist Frankfurts auf weite Landstrecken übt. ES ist darum auch
keineswegs zufällig, wenn wir in deu Organen des Illtramontanismns nud gewis¬
ser particnlaristischcn Tendenzen die höchst materielle Reichsstadt fortwährend als
Lager des Deniokratismus denuncirt finde". Wer Frankfurt selbst nnr ganz ober¬
flächlich kennt, weiß genau, daß in ganz Südwestdeutschland das demokratische
Princip vielleicht nirgends weniger Anklang findet, als in der bürgerstolzcn und
prvletarierlvsen Bevölkerung unserer Republik. Und eigentlich meinen jene Organe
auch gar nicht die Demokratie, sondern jene unbequeme Opposition gegen abso¬
lutistische Willkür, welche sich auf Gesejzc beruft und mit den Gesetzen in der
Hand den Arrvganzen des Bajonett- und Kuttcuwcsenö entgegenkämpft.

Am merkwürdigste" sind aber die Vertreter des geistlichen und administra¬
tiven Absolutismus, wenn sie ungescheut zu deu Mittel" der Demagogie greifen,
falls sie für ihre Zwecke des Volkes ""d seiner Stimmungen bedürfen. In wel¬
cher Art die oberrheinischen Bischöfe vorschreiten, ist bekannt. Welche Macht sie
eben dnrch die gänzliche Apathie des Volkes gegen die Lage ihrer Regierungen
in Baden und beiden Hessen errangen, ist aus deu Zeitungen ersichtlich. Nassau
und Würtemberg konnten entschiedener gegen sie auftreten, da dort die Indifferenz
der Bevölkerung gegen die Sraatsznstände noch keineswegs so schwer lastet wie
in ander" Staaten, weil in beiden Ländern wenigstens noch der Nest einer unab¬
hängigen Presse mit den Regierungen gegen die römische BevormnndungSlust
kämpft. Dagegen gehe" aber in Darmstadt die Rücksichten bereits soweit, daß
man das Steinbild des Stammvaters der Dynastie nicht mit Feierlichkeiten zu
enthüllen wagte, weil Philipp der Großmüthige "uter de" fürstliche" Förderer"
der Reformation einer der thatkräftigsten war. Andererseits aber darf ein nltra-
mvntancs Schmähblatt ungehindert und in scheinbar officiösen Tone -- wenig-
stens muß mau hoffe", daß das officiöse Gepräge nur scheinbar war -- die
Darstellung der preußischen Circnlardepeschc über die preußisch-darmstädtischen
Differenzen wie ein Gewebe von Lügen beHandel". Und diejenige Zeitung, welche
steh so gern als öfsiciöses Organ des Bundestags gerirt, die Fr. Postzeitung,


der bescheidensten Opposition bei einiger Konsequenz noch möglich sind. Nicht
als Errr»ge»schaften, sondern als Lichtfünkchen im allgemeinen Nei'elgran inneren
Staatslebens begrüßen wir diese Erscheinung. Unserer Zeit ist selbst der geringste
derartige Hoffnungsstrahl nicht entbehrlich. Denn der Pessimismus auf der einen
Seite, das wahrhaft monomanische Geschrei ans der ander» über angebliche Be¬
drohung der nur sogenannten conservativen Interessen und die darauf basirte Po¬
litik sind die gefährlichsten Feinde jeder organischen Weltentwicklung. Ein ruhiges,
^ wenn mich sehr langsames Fortschreiten Frankfurts in organischen Festiguugen
seines Staatslebens erscheint vornämlich bei den eben herrschenden Zuständen der
Nachbarstaaten von keineswegs untergeordneter Bedeutung. Nicht etwa eines
unmittelbaren Einflusses halber, sondern der Mittelbarer Rückwirkungen wegen,
welchen der Geist Frankfurts auf weite Landstrecken übt. ES ist darum auch
keineswegs zufällig, wenn wir in deu Organen des Illtramontanismns nud gewis¬
ser particnlaristischcn Tendenzen die höchst materielle Reichsstadt fortwährend als
Lager des Deniokratismus denuncirt finde». Wer Frankfurt selbst nnr ganz ober¬
flächlich kennt, weiß genau, daß in ganz Südwestdeutschland das demokratische
Princip vielleicht nirgends weniger Anklang findet, als in der bürgerstolzcn und
prvletarierlvsen Bevölkerung unserer Republik. Und eigentlich meinen jene Organe
auch gar nicht die Demokratie, sondern jene unbequeme Opposition gegen abso¬
lutistische Willkür, welche sich auf Gesejzc beruft und mit den Gesetzen in der
Hand den Arrvganzen des Bajonett- und Kuttcuwcsenö entgegenkämpft.

Am merkwürdigste» sind aber die Vertreter des geistlichen und administra¬
tiven Absolutismus, wenn sie ungescheut zu deu Mittel» der Demagogie greifen,
falls sie für ihre Zwecke des Volkes »»d seiner Stimmungen bedürfen. In wel¬
cher Art die oberrheinischen Bischöfe vorschreiten, ist bekannt. Welche Macht sie
eben dnrch die gänzliche Apathie des Volkes gegen die Lage ihrer Regierungen
in Baden und beiden Hessen errangen, ist aus deu Zeitungen ersichtlich. Nassau
und Würtemberg konnten entschiedener gegen sie auftreten, da dort die Indifferenz
der Bevölkerung gegen die Sraatsznstände noch keineswegs so schwer lastet wie
in ander» Staaten, weil in beiden Ländern wenigstens noch der Nest einer unab¬
hängigen Presse mit den Regierungen gegen die römische BevormnndungSlust
kämpft. Dagegen gehe» aber in Darmstadt die Rücksichten bereits soweit, daß
man das Steinbild des Stammvaters der Dynastie nicht mit Feierlichkeiten zu
enthüllen wagte, weil Philipp der Großmüthige »uter de» fürstliche» Förderer»
der Reformation einer der thatkräftigsten war. Andererseits aber darf ein nltra-
mvntancs Schmähblatt ungehindert und in scheinbar officiösen Tone — wenig-
stens muß mau hoffe», daß das officiöse Gepräge nur scheinbar war — die
Darstellung der preußischen Circnlardepeschc über die preußisch-darmstädtischen
Differenzen wie ein Gewebe von Lügen beHandel». Und diejenige Zeitung, welche
steh so gern als öfsiciöses Organ des Bundestags gerirt, die Fr. Postzeitung,


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[0474] der bescheidensten Opposition bei einiger Konsequenz noch möglich sind. Nicht als Errr»ge»schaften, sondern als Lichtfünkchen im allgemeinen Nei'elgran inneren Staatslebens begrüßen wir diese Erscheinung. Unserer Zeit ist selbst der geringste derartige Hoffnungsstrahl nicht entbehrlich. Denn der Pessimismus auf der einen Seite, das wahrhaft monomanische Geschrei ans der ander» über angebliche Be¬ drohung der nur sogenannten conservativen Interessen und die darauf basirte Po¬ litik sind die gefährlichsten Feinde jeder organischen Weltentwicklung. Ein ruhiges, ^ wenn mich sehr langsames Fortschreiten Frankfurts in organischen Festiguugen seines Staatslebens erscheint vornämlich bei den eben herrschenden Zuständen der Nachbarstaaten von keineswegs untergeordneter Bedeutung. Nicht etwa eines unmittelbaren Einflusses halber, sondern der Mittelbarer Rückwirkungen wegen, welchen der Geist Frankfurts auf weite Landstrecken übt. ES ist darum auch keineswegs zufällig, wenn wir in deu Organen des Illtramontanismns nud gewis¬ ser particnlaristischcn Tendenzen die höchst materielle Reichsstadt fortwährend als Lager des Deniokratismus denuncirt finde». Wer Frankfurt selbst nnr ganz ober¬ flächlich kennt, weiß genau, daß in ganz Südwestdeutschland das demokratische Princip vielleicht nirgends weniger Anklang findet, als in der bürgerstolzcn und prvletarierlvsen Bevölkerung unserer Republik. Und eigentlich meinen jene Organe auch gar nicht die Demokratie, sondern jene unbequeme Opposition gegen abso¬ lutistische Willkür, welche sich auf Gesejzc beruft und mit den Gesetzen in der Hand den Arrvganzen des Bajonett- und Kuttcuwcsenö entgegenkämpft. Am merkwürdigste» sind aber die Vertreter des geistlichen und administra¬ tiven Absolutismus, wenn sie ungescheut zu deu Mittel» der Demagogie greifen, falls sie für ihre Zwecke des Volkes »»d seiner Stimmungen bedürfen. In wel¬ cher Art die oberrheinischen Bischöfe vorschreiten, ist bekannt. Welche Macht sie eben dnrch die gänzliche Apathie des Volkes gegen die Lage ihrer Regierungen in Baden und beiden Hessen errangen, ist aus deu Zeitungen ersichtlich. Nassau und Würtemberg konnten entschiedener gegen sie auftreten, da dort die Indifferenz der Bevölkerung gegen die Sraatsznstände noch keineswegs so schwer lastet wie in ander» Staaten, weil in beiden Ländern wenigstens noch der Nest einer unab¬ hängigen Presse mit den Regierungen gegen die römische BevormnndungSlust kämpft. Dagegen gehe» aber in Darmstadt die Rücksichten bereits soweit, daß man das Steinbild des Stammvaters der Dynastie nicht mit Feierlichkeiten zu enthüllen wagte, weil Philipp der Großmüthige »uter de» fürstliche» Förderer» der Reformation einer der thatkräftigsten war. Andererseits aber darf ein nltra- mvntancs Schmähblatt ungehindert und in scheinbar officiösen Tone — wenig- stens muß mau hoffe», daß das officiöse Gepräge nur scheinbar war — die Darstellung der preußischen Circnlardepeschc über die preußisch-darmstädtischen Differenzen wie ein Gewebe von Lügen beHandel». Und diejenige Zeitung, welche steh so gern als öfsiciöses Organ des Bundestags gerirt, die Fr. Postzeitung,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/474>, abgerufen am 19.05.2024.