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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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allen größeren Gebäuden der Fall zu sein pflegt. Dagegen gibt es lange Korri¬
dore, die aber oft des nothwendigen Lichtes entbehren, n"d in den meisten Zim¬
mern selbst erkerartige Vorsprünge, vermöge deren man von einem oder mehren
Fenstern ans die Fronte des Hauses und einen guten Theil der Gasse entlang
schauen kann. Die Fußböden der Gemächer, bei reichen Hausbesitzern anch der.
des Korridors und die Stufen der Treppen, sind mit Strohmatten belegt. Man
hat deren, die in zierlichen Mustern geflochten sind und im Preise nicht niedriger
als unsere gewöhnlichen Wolldecken zu stehen kommen. Erst über sie hin, etwa
vor dem Divan, breitet man kleinere bunte Teppiche; nur die vornehmsten Türken
haben deren, die durch das ganze Zimmer reichen. Diese Teppiche kommen aus
Smyrna und sind durch den Handel auch wol bei uns in Deutschland bekannt
geworden. Bei genauerer Betrachtung der Zimmer fallt es auf, daß ihnen jede
Vorrichtung zum Heizen mangelt. Man wendet hier nämlich Oefen nur selten
an, und bedient sich in großen Gemächern, die dnrch Kohlenbecken nicht ausrei-
chend erwärmt werden tonnen, jener kleinen portativen gußeisernen Oefen, die
mau aus England und, wie mau mir erzählte, selbst ans den Vereinigten Staaten
Amerikas hier einführt. Das Rauchrohr wird nicht in einen Rauchfang, sondern
dnrch eines der Fenster ins Freie hinausgeleitet. -- Tritt man in ein derartiges
Hans ein, so wird man unter in der Regel von mehren, uicht eben sauber ge¬
kleidete", oft mit zerrissenem Nock einhergehenden Dienern angehalten und nach
seinem Begehren gefragt. Die bloße Frage, ob der Herr zu Hause sei, genügt
indeß meistens, um die Diener zu bestimmen, den Fremden anzumelden, worauf
er ersucht wird, die Treppe Hinanzugeheu. Die Thür des Gemaches, in welchem
der Hausherr sich befindet, steht stets offen und ist im Winter nur mit einer Decke
verhangen. Beim Eintreten wird man seinen Wirth fast immer auf einem ein¬
fachen Hvlzlehnstuhle, der in alleu türkischen Zimmern hart am großen, nnter den
Fenstern hinlaufenden Divan steht, mit dem Rauchen eines Nargilee beschäftigt
finden. Es ist dies die orientalische Wasserpfeife, die aus einem Gefäße von
Krystall besteht, welches zu drei Viertel mit Wasser gefüllt ist, oben in einen
schmalen flaschenartigen Hals endigt, und dergestalt eingerichtet ist, daß ein seit¬
wärts einmündeuder Schlauch den auf der Mündung des Gefäßes angebrachten
Pfeifenkopf durch das Wasser hindurch mit dem Munde des Rauchers in Ver¬
bindung setzt. Der Schlauch ist sehr lang, und das außerhalb des Gefäßes be¬
findliche Stück liegt meistens wie eine dünne Schlange gewunden zu den Füßen des
Damvfmachers. Man behauptet, das Nargilee greife die Brust an; soviel ich bemerkt
habe, gibt mau ihm unter den Türken vor dem Tschibnck bei weitem den Vorzug.
Dagegen ist es nicht üblich, es einem Gaste anzubieten, es sei denn, daß derselbe
Hausfreund sei, oder daß man ihn besonders ehren wolle.




Wrenzbvten, IV. 18os,

allen größeren Gebäuden der Fall zu sein pflegt. Dagegen gibt es lange Korri¬
dore, die aber oft des nothwendigen Lichtes entbehren, n»d in den meisten Zim¬
mern selbst erkerartige Vorsprünge, vermöge deren man von einem oder mehren
Fenstern ans die Fronte des Hauses und einen guten Theil der Gasse entlang
schauen kann. Die Fußböden der Gemächer, bei reichen Hausbesitzern anch der.
des Korridors und die Stufen der Treppen, sind mit Strohmatten belegt. Man
hat deren, die in zierlichen Mustern geflochten sind und im Preise nicht niedriger
als unsere gewöhnlichen Wolldecken zu stehen kommen. Erst über sie hin, etwa
vor dem Divan, breitet man kleinere bunte Teppiche; nur die vornehmsten Türken
haben deren, die durch das ganze Zimmer reichen. Diese Teppiche kommen aus
Smyrna und sind durch den Handel auch wol bei uns in Deutschland bekannt
geworden. Bei genauerer Betrachtung der Zimmer fallt es auf, daß ihnen jede
Vorrichtung zum Heizen mangelt. Man wendet hier nämlich Oefen nur selten
an, und bedient sich in großen Gemächern, die dnrch Kohlenbecken nicht ausrei-
chend erwärmt werden tonnen, jener kleinen portativen gußeisernen Oefen, die
mau aus England und, wie mau mir erzählte, selbst ans den Vereinigten Staaten
Amerikas hier einführt. Das Rauchrohr wird nicht in einen Rauchfang, sondern
dnrch eines der Fenster ins Freie hinausgeleitet. — Tritt man in ein derartiges
Hans ein, so wird man unter in der Regel von mehren, uicht eben sauber ge¬
kleidete», oft mit zerrissenem Nock einhergehenden Dienern angehalten und nach
seinem Begehren gefragt. Die bloße Frage, ob der Herr zu Hause sei, genügt
indeß meistens, um die Diener zu bestimmen, den Fremden anzumelden, worauf
er ersucht wird, die Treppe Hinanzugeheu. Die Thür des Gemaches, in welchem
der Hausherr sich befindet, steht stets offen und ist im Winter nur mit einer Decke
verhangen. Beim Eintreten wird man seinen Wirth fast immer auf einem ein¬
fachen Hvlzlehnstuhle, der in alleu türkischen Zimmern hart am großen, nnter den
Fenstern hinlaufenden Divan steht, mit dem Rauchen eines Nargilee beschäftigt
finden. Es ist dies die orientalische Wasserpfeife, die aus einem Gefäße von
Krystall besteht, welches zu drei Viertel mit Wasser gefüllt ist, oben in einen
schmalen flaschenartigen Hals endigt, und dergestalt eingerichtet ist, daß ein seit¬
wärts einmündeuder Schlauch den auf der Mündung des Gefäßes angebrachten
Pfeifenkopf durch das Wasser hindurch mit dem Munde des Rauchers in Ver¬
bindung setzt. Der Schlauch ist sehr lang, und das außerhalb des Gefäßes be¬
findliche Stück liegt meistens wie eine dünne Schlange gewunden zu den Füßen des
Damvfmachers. Man behauptet, das Nargilee greife die Brust an; soviel ich bemerkt
habe, gibt mau ihm unter den Türken vor dem Tschibnck bei weitem den Vorzug.
Dagegen ist es nicht üblich, es einem Gaste anzubieten, es sei denn, daß derselbe
Hausfreund sei, oder daß man ihn besonders ehren wolle.




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[0193] allen größeren Gebäuden der Fall zu sein pflegt. Dagegen gibt es lange Korri¬ dore, die aber oft des nothwendigen Lichtes entbehren, n»d in den meisten Zim¬ mern selbst erkerartige Vorsprünge, vermöge deren man von einem oder mehren Fenstern ans die Fronte des Hauses und einen guten Theil der Gasse entlang schauen kann. Die Fußböden der Gemächer, bei reichen Hausbesitzern anch der. des Korridors und die Stufen der Treppen, sind mit Strohmatten belegt. Man hat deren, die in zierlichen Mustern geflochten sind und im Preise nicht niedriger als unsere gewöhnlichen Wolldecken zu stehen kommen. Erst über sie hin, etwa vor dem Divan, breitet man kleinere bunte Teppiche; nur die vornehmsten Türken haben deren, die durch das ganze Zimmer reichen. Diese Teppiche kommen aus Smyrna und sind durch den Handel auch wol bei uns in Deutschland bekannt geworden. Bei genauerer Betrachtung der Zimmer fallt es auf, daß ihnen jede Vorrichtung zum Heizen mangelt. Man wendet hier nämlich Oefen nur selten an, und bedient sich in großen Gemächern, die dnrch Kohlenbecken nicht ausrei- chend erwärmt werden tonnen, jener kleinen portativen gußeisernen Oefen, die mau aus England und, wie mau mir erzählte, selbst ans den Vereinigten Staaten Amerikas hier einführt. Das Rauchrohr wird nicht in einen Rauchfang, sondern dnrch eines der Fenster ins Freie hinausgeleitet. — Tritt man in ein derartiges Hans ein, so wird man unter in der Regel von mehren, uicht eben sauber ge¬ kleidete», oft mit zerrissenem Nock einhergehenden Dienern angehalten und nach seinem Begehren gefragt. Die bloße Frage, ob der Herr zu Hause sei, genügt indeß meistens, um die Diener zu bestimmen, den Fremden anzumelden, worauf er ersucht wird, die Treppe Hinanzugeheu. Die Thür des Gemaches, in welchem der Hausherr sich befindet, steht stets offen und ist im Winter nur mit einer Decke verhangen. Beim Eintreten wird man seinen Wirth fast immer auf einem ein¬ fachen Hvlzlehnstuhle, der in alleu türkischen Zimmern hart am großen, nnter den Fenstern hinlaufenden Divan steht, mit dem Rauchen eines Nargilee beschäftigt finden. Es ist dies die orientalische Wasserpfeife, die aus einem Gefäße von Krystall besteht, welches zu drei Viertel mit Wasser gefüllt ist, oben in einen schmalen flaschenartigen Hals endigt, und dergestalt eingerichtet ist, daß ein seit¬ wärts einmündeuder Schlauch den auf der Mündung des Gefäßes angebrachten Pfeifenkopf durch das Wasser hindurch mit dem Munde des Rauchers in Ver¬ bindung setzt. Der Schlauch ist sehr lang, und das außerhalb des Gefäßes be¬ findliche Stück liegt meistens wie eine dünne Schlange gewunden zu den Füßen des Damvfmachers. Man behauptet, das Nargilee greife die Brust an; soviel ich bemerkt habe, gibt mau ihm unter den Türken vor dem Tschibnck bei weitem den Vorzug. Dagegen ist es nicht üblich, es einem Gaste anzubieten, es sei denn, daß derselbe Hausfreund sei, oder daß man ihn besonders ehren wolle. Wrenzbvten, IV. 18os,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/193>, abgerufen am 10.06.2024.