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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band.

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Am 7. October schlugen sie einige russische Tirailleurs, die bei dem an
diesem Tage erfolgten Sturme in Warna eingedrungen waren, wieder heraus und
der Verlust der Russen war an diesem Tage größer als der der Türken. Der
Kapndan-Pascha wies jede Aufforderung zur Übergabe energisch zurück.

Am 10. October aber kam Jussuf-Pascha, der zweite Commandant der Fe¬
stung, in das russische Lager, erklärte dem russischen General, das; der Platz sich
nicht länger halten könne, und daß er wegen Uneinigkeit mit seinem Vorgesetzten
denselben verlassen habe, um sich unter russischen Schutz zu stellen. Die Russen
meldeten dies sofort der Garnison in Warna, und die Truppen Jussufs gingen als¬
bald in Masse in das russische Lager über, um sich mit ihrem General zu ver¬
einigen.

Von dem größten Theil der Besatzung verlassen, zog sich der Kapudau-Pascha
mit 300 Maun, die ihrer Pflicht treu blieben, am 10. October in die Citadelle
zurück. Die Russen rückten sofort in die Stadt ein. Nach zwei Tagen erhielt
der Kapudan-Pascha mit den schwache" Resten seiner tapfern Soldaten einen
ehrenvollen Abzug.

Jussuf-Pascha war ein Verräther. Die Beweggründe seines Verrathes sind
in einer Palastintrigue zu suchen. Seine Absetzung und die Einziehung seines
ausgedehnten Grundbesitzes in Rumelien war bereits beschlossen, als er noch Warna
heldenmüthig vertheidigte.

Sultan Mahmud war sehr unzufrieden über den Verlust von Warna. Er
nahm dem Großvczier die Siegel des Reiches wegen seiner Unthätigkeit während
des letzten Theiles der Belagerung, und gab ihm zum Nachfolger Jzzet-Mehemed,
der so viel Muth und Festigkeit bei der Vertheidigung Warnas bewiesen hatte.

Die Türken hatten bei dieser Vertheidigung gezeigt, daß ihnen die Kenntniß
von dem regelmäßigen Gange einer Belagerung fehlte. Sie versäumten, ihr Ge¬
schütz ans der angegriffenen Front zu verstärken, bevor die feindlichen Batterien er¬
baut waren, und zersplitterten das Feuer derselben. Ebensowenig wußten sie
vou den Contreminen einen richtigen Gebrauch zu machen. Aber sie zeigten
die unerschütterlichste Tapferkeit hinter den schwachen Verschanzungen, welche, ohne
System und regellos, angelegt, von ihnen bis zum letzten Augenblick behauptet
wurden. Ihr Widerstand im Graben ist über alles Lob erhaben und das Aus¬
halten der Garnison noch drei Wochen, nachdem zwei gangbare Stnrmlücken in
den Hauptwall gelegt, gewiß ein selten eintretender Fall. So urtheilen ausge¬
zeichnete Kriegskundige.

Die Einnahme von Warna endigte den Feldzug von 1828.

Die vor Schnmla stehende russtche Armee verließ ihre Positionen und con-
centrirte sich vor Warna. Aber unablässig von dem Seraskier Husseyn-Pascha
bedroht, zogen sich die Russen von Warna, nachdem sie hier und in Pravady eine
Garnison zurückgelassen, gegen die Donau zurück.


Grenzbvwl, IV. 'I85Z, 32

Am 7. October schlugen sie einige russische Tirailleurs, die bei dem an
diesem Tage erfolgten Sturme in Warna eingedrungen waren, wieder heraus und
der Verlust der Russen war an diesem Tage größer als der der Türken. Der
Kapndan-Pascha wies jede Aufforderung zur Übergabe energisch zurück.

Am 10. October aber kam Jussuf-Pascha, der zweite Commandant der Fe¬
stung, in das russische Lager, erklärte dem russischen General, das; der Platz sich
nicht länger halten könne, und daß er wegen Uneinigkeit mit seinem Vorgesetzten
denselben verlassen habe, um sich unter russischen Schutz zu stellen. Die Russen
meldeten dies sofort der Garnison in Warna, und die Truppen Jussufs gingen als¬
bald in Masse in das russische Lager über, um sich mit ihrem General zu ver¬
einigen.

Von dem größten Theil der Besatzung verlassen, zog sich der Kapudau-Pascha
mit 300 Maun, die ihrer Pflicht treu blieben, am 10. October in die Citadelle
zurück. Die Russen rückten sofort in die Stadt ein. Nach zwei Tagen erhielt
der Kapudan-Pascha mit den schwache» Resten seiner tapfern Soldaten einen
ehrenvollen Abzug.

Jussuf-Pascha war ein Verräther. Die Beweggründe seines Verrathes sind
in einer Palastintrigue zu suchen. Seine Absetzung und die Einziehung seines
ausgedehnten Grundbesitzes in Rumelien war bereits beschlossen, als er noch Warna
heldenmüthig vertheidigte.

Sultan Mahmud war sehr unzufrieden über den Verlust von Warna. Er
nahm dem Großvczier die Siegel des Reiches wegen seiner Unthätigkeit während
des letzten Theiles der Belagerung, und gab ihm zum Nachfolger Jzzet-Mehemed,
der so viel Muth und Festigkeit bei der Vertheidigung Warnas bewiesen hatte.

Die Türken hatten bei dieser Vertheidigung gezeigt, daß ihnen die Kenntniß
von dem regelmäßigen Gange einer Belagerung fehlte. Sie versäumten, ihr Ge¬
schütz ans der angegriffenen Front zu verstärken, bevor die feindlichen Batterien er¬
baut waren, und zersplitterten das Feuer derselben. Ebensowenig wußten sie
vou den Contreminen einen richtigen Gebrauch zu machen. Aber sie zeigten
die unerschütterlichste Tapferkeit hinter den schwachen Verschanzungen, welche, ohne
System und regellos, angelegt, von ihnen bis zum letzten Augenblick behauptet
wurden. Ihr Widerstand im Graben ist über alles Lob erhaben und das Aus¬
halten der Garnison noch drei Wochen, nachdem zwei gangbare Stnrmlücken in
den Hauptwall gelegt, gewiß ein selten eintretender Fall. So urtheilen ausge¬
zeichnete Kriegskundige.

Die Einnahme von Warna endigte den Feldzug von 1828.

Die vor Schnmla stehende russtche Armee verließ ihre Positionen und con-
centrirte sich vor Warna. Aber unablässig von dem Seraskier Husseyn-Pascha
bedroht, zogen sich die Russen von Warna, nachdem sie hier und in Pravady eine
Garnison zurückgelassen, gegen die Donau zurück.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96706/257>, abgerufen am 02.06.2024.